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Audio: rbb24 Inforadio | 12.11.2022 | Hendrik Schröder | Quelle: dpa/B.Kriemann

Konzertkritik | Roland Kaiser in Berlin

Einer für alle

Roland Kaiser wuchs als Findelkind im bitterarmen Wedding der Nachkriegszeit auf. Und wurde zum erfolgreichsten Schlagersänger Deutschlands. Warum, das bewies er jetzt einmal mehr bei seinem Konzert in Berlin. Von Hendrik Schröder

Es reicht sich umzuschauen, das Publikum in der Berliner Mercedes-Benz-Arena anzuschauen, und zu erkennen, dass der Mann mit dem Mikrofon im dunklen Dreireiher da vorne etwas Besonders sein muss. Auf den Rängen tanzt eine vielleicht 30 Jahre alte Frau in sehr engen Sachen mit einer blinkenden Plastikkrone auf dem Kopf. Laut singt sie jede Zeile jedes Songs mit und lacht dabei allen ins Gesicht, die nicht schnell genug wegschauen.

Und hinter der Frau mit dem jahrmarktgrell blinkenden Kopfschmuck sitzt ein wirklich altes Ehepaar, die Gehstöcke auf die Knie gelehnt. Ihre Hände haben sie ineinandergelegt und wiegen sie gemeinsam im Takt, während sie still und versonnen Richtung Bühne schauen.

So ist ein Roland-Kaiser-Konzert. Alle sind da, jung, alt, dick, dünn, arm, reich und aus allen holen die Schlagersongs für zweieinhalb Stunden ihre besten Seiten hervor.

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Der eleganteste Rocker der Welt

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Viel Charisma trotz wenig Stimme

70 Jahre ist Roland Kaiser mittlerweile alt. Und noch immer hat er wirklich Klasse. Der dunkle Dreiteiler mit akkurater Krawatte und geknöpfter Weste trägt einiges dazu bei. Dazu seine verbindliche, ganz dezent selbstironische, ruhige Art. Wie er sich so förmlich beim Publikum fürs Erscheinen bedankt und dann doch etwas feuchte Augen bekommt ob des irren Jubels.

Eine vielköpfige Band hat er dabei. Backgroundsängerinnen, Streicherinnen, einen Schlagzeuger, der lustige Grimassen zieht, einen rockenden und schwer tätowierten E-Gitarristen. Alles klingt ein bisschen zackiger als auf den Alben. Und eben wirklich live gespielt und gesungen, alles. Nicht zwingend selbstverständlich in dem Genre. Und wenn man ehrlich ist: So eine überragende Stimme hat Roland Kaiser eigentlich nicht. Nein, es sind die Texte, es ist die Attitüde, es ist dieses Einfühlsame, Verbindliche, das ihn so charismatisch macht.

Er singt gefühlt 70 Prozent der Zeit vom Poppen

Und natürlich ist es die Mischung aus bedingungslosem Glauben an die Liebe und doppeldeutigen Aussagen in seinen Songs, was die Leute mögen. Oder sagen wir es ehrlich: Roland Kaiser singt gefühlt 70 Prozent der Zeit vom Poppen. Von Liebe zu dritt, davon, wie es wohl wäre mit der Nachbarin, der Frau des Freunds. Überall lauert Verführung und "manchmal, da möchte man schon ..." und so weiter und so weiter.

Das ist manchmal sehr seicht und zu eindeutig zweideutig, aber nie schlüpfrig, nie billig, immer motiviert von Abenteuerlust und großer Offenheit der Möglichkeiten der körperlichen Liebe gegenüber. Und wenn er dann in einer Ansage zu seinem neuen Song "Du, Deine Freundin und ich" sagt, er habe "gelesen", dass manche Leute es ja heutzutage auch gerne mal zu dritt machen und das das doch sehr interessant sei, dann ist das eigentlich ein Hammer. Da steht ein 70 Jahre alter Super-Seriösling und hält eine Rede für grenzenlosen Sex. Ganz stark. Können nicht alle im Publikum was mit anfangen!

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"Schön, dass es uns noch gibt"

Die britische Band Madness gehört zu den bekanntesten Ska-Bands weltweit. Mit ihrem Song "Our House" feierten sie auch in Deutschland große Erfolge. Am Wochenende brachten Madness ihre Fans bei gleich zwei Konzerten im Tempodrom zum Tanzen. Von Hendrik Schröder

Lasst die Liebe gewinnen

Und dann wird es noch mal echt berührend: Zu dem Song "Liebe kann uns retten" wedeln plötzlich die eingefleischten Fans mit weißen Taschentüchern, während Kaiser davon singt, dass das Gute gewinnen kann und er von den Hassenden, und das ist durchaus politisch gemeint, wissen will: "Was hat eure Liebe vertrieben?"

Das klingt jetzt vielleicht kitschig, wenn man das so liest, aber das ist wirklich ein toller Moment. Wenn 15.000 Menschen gemeinsam singen und diese Tücher schwenken und man sieht in die Gesichter und liest darin und merkt: Ja, das spüren die gerade genau.

Und dieses Gefühl zu erzeugen, das macht Roland Kaiser ganz stark. Immer ist er auf der Suche nach dem, was verbindet, nie nach dem, was trennt. Eine Gabe ist das, die man auch nicht jahrzehntelang vorspielen kann. So muss man schon drauf sein, um das immer wieder so rüberzubringen. Eines ist jedenfalls klar: Mit den prolligen Schlagerfuzzis vom Ballermann oder der spießigen Silbereisen-Welt hat Roland Kaiser gar nichts zu tun, der ist eine Liga für sich.

Sendung: rbb24 Inforadio, 12.11.2022, 07:50 Uhr

Beitrag von Hendrik Schröder

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