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Audio: rbb24 Inforadio | 24.05.2023 | Hendrik Schröder | Quelle: dpa/PIC ONE/Ben Kriemann

Konzertkritik | Scorpions in Berlin

Rock 'n' Roll-Rentner on fire

Mehrmals schon hatten die Scorpions ihren Abschied verkündet und dann doch immer einfach weiter gemacht. Derzeit sind sie wieder auf Tour und spielten am Dienstag in der Berliner Mercedes-Benz-Arena. Was aber haben sie uns noch anzubieten? Von Hendrik Schröder

Das Motto des Abends steht schon auf dem Vorhang, der kurz vor Beginn die Bühne verhüllt: "Are you ready to rock?" steht da. Dem Jubel nach kann man das mit "Ja" beantworten. Die Scorpions selbst sind es definitiv, wie man schon nach ein paar Takten feststellen kann. Und man glaubt es kaum.

Sänger Klaus Meine ist ja schon Mitte 70, Gitarrist Rudolf Schenker ebenso. Zugegeben, bei Meine merkt man das Alter schon. Ein bisschen wacklig steht er da, bewegt sich kaum, ballt nur ab und an mal die Faust oder zeigt mit dem Finger und etwas glasigen Augen auf irgendwen im Publikum. Seine Ansagen sind teilweise auf Englisch und erst denkt man: Weiß er denn eigentlich, wo sie heute Abend spielen, auf ihrer riesigen Tour? Aber das ist ein bisschen gemein, denn in dem Alter überhaupt noch da zu stehen und "Wind of Change", "Big City Nights", "Rock me like a Hurricane" und wie die Hits alle heißen, zu singen, das ist ja alleine schon eine Leistung.

Und auch die jüngste Platte "Rock Believer", aus der sie einige Nummern spielen, ist gar nicht so schlecht geworden. Besonders "Peacemaker" geht ordentlich ab.

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Original und Parodie zugleich

Und was Meine an Präsenz fehlt, hauen die anderen locker wieder raus. Gitarrist Rudolf Schenker stürmt schon beim Opener "Gas in the tank" in seiner kunstvoll zerfetzten Jeans auf den Steg, der in den Zuschauerraum ragt. Seine Flying-V-Gitarre um den Hals, die Sonnenbrille auf der Nase, einen ledernen Cowboyhut auf dem Kopf, feuert er alle Rock 'n' Roll-Gesten ab, die es gibt: Gitarre recken, im Takt über dem Kopf klatschen, synchron mit dem zweiten Gitarristen Matthias Jabs (auch schon bald 70) die Gitarrenhälse schwingen. Später soll noch Kunstnebel aus Schenkers Gitarre strömen. Na klar.

Der Sound ist nicht sonderlich gut, aber angenehm laut. Wahrscheinlich sähe eine Parodie auf eine alte Rockband genau so aus. Diese ganzen antiquierten Gesten, die Lederwesten, das Faustgerecke und Solo-Gegniedel, die pathetischen Rock Riffs, die inhaltsleeren Ansagen, die Flammen, Monster und Motoren auf den Videowänden. Es ist selbstverständlich sehr einfach, sich über die Scorpions lustig zu machen. Das hat man in Deutschland ja immer schon gemacht. Während die Scorpions in anderen Teilen der Welt Stadien füllten und richtig große Rockstars waren, lachte man hier über die Ledertypen aus Hannover.

Hannover, da werden doch keine Rockstars geboren. Dass die Scorpions internationale Mega-Hits für die Ewigkeit geschrieben haben, vergisst man dabei leicht. Und wer jetzt auf die Bühne schaut und die alten Herren da, die niemandem mehr etwas beweisen müssen, wie um ihr Leben spielen und rocken sieht, der kann gar nicht anders, als wirklich Respekt zu haben vor so einer Performance.

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Der vielleicht beste Rockschlagzeuger der Welt

Das größte Glück für die späten Scorpions war und ist übrigens der neue Drummer Mikkey Dee, seit 2016 ist er dabei. Vorher spielte Dee über 20 Jahre lang bei der wahrscheinlich derbsten Rock 'n' Roll-Band aller Zeiten, bei "Motörhead". Nach dem Tod von Frontmann Lemmy und der Auflösung der Band, wechselte er nahtlos zu den Scorpions und verpasste der angestaubten Gruppe noch mal einen buchstäblichen Tritt in den Hintern. An diesem Abend rasiert er quasi im Alleingang die Halle.

Mit einem ausufernden Drum Solo, wie eine Hard-Rock-Maschine, die graublonden langen Haaren fliegen umher wie bei der Muppet-Show. So treibt er die Band und ihre Songs vor sich her, schnaufend, schwitzend und grinsend. Rund 100 Minuten spielen die Scorpions, dann ist Schluss und das ist gut so. Kein ausuferndes Set mit Füller-Songs, die eh niemand so richtig hören will. Stattdessen alle Hits und ein paar neue Sachen. Fertig. Geschätzt 10.000 Fans gehen mit einem guten Gefühl nach Hause: Die Scorpions, man mag erstaunt sein, haben es noch richtig drauf.

Quelle: AP Photo/Leo Correa

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Beitrags hieß es, Klaus Meine sei Ende 70. Das ist falsch. Klaus Meine wird am 25.05.2023 75 Jahre alt, er ist nur wenige Monate älter als Rudolf Schenker. Wir haben den Fehler korrigiert und bitten, ihn zu entschuldigen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 24.05.2023, 6:55 Uhr

Beitrag von Hendrik Schröder

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