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Quelle: dpa/Flemming Bo Jensen

Interview | Clubcommission zur Wiedereröffnung der Clubs

"Club-Kultur funktioniert weder mit Maske noch mit Abstand"

Bei der Berliner Clubcommission ist man "verhalten euphorisch", was die Wiedereröffnung der Clubs in der Haupstadt im März betrifft. Noch seien einige wichtige Fragen ungeklärt, sagte Daniel Jakobson im Interview. Zum Beispiel, was 2G+ genau heiße.

rbb|24: Hallo Herr Jakobson, derzeit sieht es gut aus, was die Öffnung der Clubs noch im März betrifft. Wie ist die Stimmung bei Ihnen?

Daniel Jakobson: Wir sind sehr optimistisch. Es sind allerdings mit dem Bund-Länder-Beschluss noch sehr viele Fragen ungeklärt geblieben. Wir wissen noch nicht, was 2G+ genau bedeutet. Wir halten also unsere Euphorie noch ein wenig zurück und warten erst einmal ab, dass der Berliner Senat am Dienstag hoffentlich bekannt geben wird, unter welchen Bedingungen die Clubs wieder öffnen können.

Zur Person

Daniel Jakobson

Wie viele Clubs könnten wirklich schon um den 4. März herum aufmachen? Reicht die Zeit zum Vorbereiten?

Wir haben vor kurzem eine Befragung unter unseren Mitgliedern – das sind vor allem Club- und Veranstaltungsbetreiber:innen – durchgeführt dazu. Da haben die meisten gesagt, dass sie etwa zwei bis drei Wochen brauchen, um ihren Laden wieder öffnen zu können. Größere Clubs brauchen da ein bisschen länger. Aber manche Clubs sind ja auch derzeit schon als Bar geöffnet oder mit Kulturveranstaltungen. Es sieht realistisch so aus, dass zum 4. März schon relativ viele Clubs wieder öffnen könnten – und im weiteren Verlauf des Monats etwa 80 Prozent insgesamt wieder offen sein könnten.

Wofür braucht man den Vorlauf? Geht es da vor allem um Personal, das jetzt schnell akquiriert werden muss?

Personal zu finden ist die größte Herausforderung aktuell. Die Clubs haben in den letzten zwei Jahren natürlich wichtige Mitarbeiter:innen verloren, die sich durch die fehlende Perspektive im Clubbetrieb neu orientiert haben. Das Personal, das in einem Club in einer stressigen Situation eng zusammenarbeitet, wieder so auf die Beine zu stellen, dass der Betrieb für lange Nächte oder ganze Wochenenden funktioniert, dauert seine Zeit. Die Clubs haben jetzt angefangen nach Personal zu suchen.

Ansonsten gibt es noch zahlreiche andere Herausforderungen. Viele Clubs waren, obwohl größtenteils geschlossen, nicht untätig. Mal wurde eine neue Bar gebaut, mal wurde am Schallschutz gearbeitet – diese Maßnahmen müssen jetzt natürlich fertiggestellt werden. Wenn ein Club zwei Jahre geschlossen war, sieht er auch nicht sofort vorzeigbar aus. Außerdem ist da noch das Booking.

Genau. Berlins Clubszene lebt ja auch von den internationalen DJs, die hier auflegen. Kann man die denn jetzt so schnell buchen?

Da haben wir ja im vergangenen Herbst, als die Clubs für kurze Zeit auch wieder öffnen durften, gesehen, dass das Programm von lokalen Künstler:innen bestritten wurde. Die Berliner DJ-Szene ist international total renommiert. Da ist es ja auch toll, wenn die Berliner Club-Szene lokal – für die Menschen vor Ort mit Künstler:innen vor Ort - agiert. Da lässt sich schon schnell ein vorzeigbares Programm auf die Beine stellen.

Die größere Herausforderung ist eher der Konzertbetrieb. Da ist es so, dass tourende Künstler:innen noch einen viel größeren Vorlauf brauchen. Das heißt, das wird dauern.

Eilanträge abgelehnt

In Berliner Clubs darf weiterhin nicht getanzt werden

Geöffnet werden soll ja mit 2G+. Ist das eine echte Option für den Start – oder kommen dann zu wenig Gäste?

Wenn wir über 2G+ reden, gibt es ja verschiedene Optionen. Einerseits, wie wir das schon kennen, kann das bedeuten, dass es um vollständig, also dreifach Geimpfte, geht und zusätzlich getestet wird. Oder um Genesene mit zusätzlichem Test. Das hat im vergangenen Herbst gut funktioniert. Da war die Nachfrage auch sehr hoch. Wenn sich die Situation weiter entspannen würde, wäre es aber schön, wenn auch solche Maßnahmen schrittweise heruntergefahren würden. Aber das hängt natürlich auch von der Belegung der Intensivstationen etc. ab.

Aber 2G+ könnte ja auch bedeuten, dass entweder eine Maske getragen oder Abstand gehalten wird. Das würde für uns nicht funktionieren. Denn Club-Kultur lebt von Nähe, Intimität und von vollen Tanzflächen. Das funktioniert weder mit Maske noch mit Abstand.

Gibt es denn Ihrerseits die Sorge, das Clubfeeling könnte nach zwei langen Jahren Pandemie verloren gegangen sein?

Nein. Die Sehnsucht des Publikums, mal wieder auszugehen – egal, ob es eine Club-Nacht oder ein Konzert-Besuch ist – ist sehr stark. Das fehlt den Menschen. Das wissen wir und das wissen auch die Clubs. Ein Club ist ja sehr viel mehr als nur ein Ort, an den man mal hingeht, um Spaß zu haben. Da treffen Communities zusammen und leben an diesem Ort ihre Identitäten aus und experimentieren damit.

Erwarten Sie, dass es sofort brechend voll wird, oder eher rechnen Sie eher mit vorsichtigem Warmlaufen?

Als wir im vergangenen September die Innenräume wieder öffnen durften, gab es eine extrem hohe Nachfrage. Das hat man dann ja auch an den ellenlangen Schlangen vor den Clubs gesehen. Wir gehen also davon aus, dass es so voll wird, wie es sein darf.

Im Detail entscheiden das natürlich auch die Clubs selbst. Schon im Herbst haben sie unterschiedlich wiedereröffnet. Einige haben das laut und groß kommuniziert, andere haben eher Soft-Openings gemacht.

Corona-Pandemie

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Wie wollen Sie am Eingang mit den 2G+-Kontrollen umgehen, war ja auch im Einzelhandel manchmal nicht ganz leicht.

Der große Unterschied zum Einzelhandel ist natürlich, dass Clubs schon immer eine Tür hatten. Auch im vergangenen Herbst hat das Personal die Kontrollen vor den Clubs sehr gewissenhaft durchgeführt. Das ist zwar eventuell mit längeren Wartezeiten verbunden, aber das System hat – trotzdem es natürlich eine Herausforderung ist – funktioniert.

Wie viele Clubs haben Corona nicht überlebt?

Wir sind mit unseren Mitgliedern regelmäßig in Kontakt und wissen nichts von direkten Opfern der Corona-Situation. Anfang diesen Jahres musste die Rummels Bucht ihren Standort räumen in der Rummelsburger Bucht. Das lag aber auch daran, dass sie dort seit vielen Jahren Zwischennutzer mit jeweils halbjährigen Mietverträgen waren. Da ist der letzte jetzt wegen des Bebauungsplans ausgelaufen.

Dann hat der Nuke-Club zugemacht im vergangenen Sommer, der ein wichtiger Treffpunkt für die Gothic- und Wave-Szene war. Da hat die Corona-Situation auf jeden Fall reingespielt. Aktuell wissen wir, dass es relativ schwierig ist für viele Clubs. Es war generell eine große Belastung für die Clubs in den letzten zwei Jahren. Es gibt immer noch Probleme mit den Förderungen. Auszahlungen lassen teilweise sehr lange auf sich warten und blockieren teilweise auch die Ausschüttung anderer Gelder.

Haben Clubs mit "Nur trinken, nicht tanzen" was verdient?

Verdienen konnte damit unseres Wissens niemand etwas. Einen Club in eine Bar zu verwandeln ist auch nicht die Lösung. Ein Bar-Abend unterscheidet sich grundlegend von einem Club-Abend. Zwei Weißweinschorlen, die da bestellt werden, sind für einen Club nicht wirtschaftlich. Gemacht haben das manche trotzdem, um die Community zu halten und auch, um selbst aktiv bleiben zu können und dem Personal eine kleine Perspektive zu bieten.

Wie haben die Clubs versucht, sich in der Zwischenzeit über Wasser zu halten? Einige haben sich ja sogar temporär in Impfzentren verwandelt.

Es gab Streaming-Events, gerade am Anfang der Pandemie. Dann gab es Kulturveranstaltungen wie Ausstellungen. Es gab auch sehr viele solidarische Aktionen. Im Sommer wurden beispielsweise in verschiedenen Clubs Kleider und Hygieneartikel gesammelt, um sie mit Tourbussen ins Flüchtlingslager Moria zu bringen. Aber meistens ging es da nicht um wirtschaftliche Interessen.

Beschluss für Dienstag geplant

Senat plant FFP2 statt 2G in Einzelhandel, Museen und Zoos

Der Berliner Senat will wie angekündigt am Dienstag Lockerungen beschließen. So sollen auch Ungeimpfte wieder in Geschäften shoppen sowie in den Zoo oder ins Museum gehen können. Ausgenommen ist voraussichtlich die Gastronomie.

Gab es für die Clubs zuletzt finanzielle Unterstützung?

Ja, es gab die Corona-Hilfen auf Bundes- und Landesebene, die es ermöglicht haben, dass die laufenden Kosten für Miete, Strom und Nebenkosten gedeckt werden konnten. Da stehen teils auch noch Zahlungen aus dem Jahr 2020 aus. Da haben Clubs Anträge gestellt und wissen noch nicht, ob diese bewilligt wurden.

Aber das hat viele Clubs gerettet und geholfen, die wichtigsten Mitarbeitenden in Kurzarbeit schicken und auch schnell wieder voll anstellen zu können, sobald es möglich ist. Ob das auch in Zukunft so bleibt, werden die nächsten Monate zeigen.

Die Berliner Clubcommission

Wenn jetzt aufgemacht wird und bei der nächsten Welle vielleicht wieder zu und so weiter - wie lange halten die Clubs das noch durch?

Wir fordern, dass jetzt unbedingt, wenn wiedereröffnet werden darf, eine langfristige Strategie erarbeitet wird. Wir haben die Betreiber und Veranstalter in unserer Befragung kürzlich nach der größten Herausforderung für sie gefragt. Da landete dieser Punkt auf Platz 1. Die meisten können sich nicht vorstellen, jetzt wieder so viel Arbeit in die Wiedereröffnung zu stecken, um dann einige Monate später wieder schließen zu müssen. Das ist eine enorme Herausforderung auf der wirtschaftlichen Ebene – und das Vertrauen der Mitarbeitenden in die Branche geht auch verloren. Das können sich die Clubs nicht leisten.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Sabine Priess, rbb|24

Sendung: Inforadio, 24.02.2022, 07:45 Uhr

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