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Audio: Abendschau | 02.05.2017 | Norbert Siegmund | Quelle: rbb

Nach Messerstecherei in Neukölln

Amri-Komplize zu Gefängnisstrafe verurteilt

Ein halbes Jahr vor dem Anschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz war der Attentäter Anis Amri an einer Messerstecherei in Neukölln beteiligt. Ein Mittäter wurde am Dienstag zu einer Haftstrafe verurteilt. Der Prozess warf erneut die Frage auf, warum Amri nicht vor dem Anschlag gestoppt werden konnte.

Ein 30-Jähriger, der im Juli 2016 an einer Messerstecherei in Berlin-Neukölln beteiligt war, ist zu zwei Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt worden. Er soll die Tat zusammen mit dem späteren Attentäter vom Breitscheidplatz, Anis Amri, und zwei weiteren Männern ausgeführt haben. Das Amtsgericht Tiergarten sprach den Angeklagten am Dienstag der gefährlichen Körperverletzung schuldig.

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Amri stand in direktem Kontakt zur IS-Spitze

    

Er habe bei der Auseinandersetzung in einer Bar im Stadtteil Neukölln ein Messer gezogen und auf einen gleichaltrigen Kontrahenten eingestochen, sagte die Richterin zur Begründung. Die Ermittler hatten von Streitigkeiten im Drogenhändler-Milieu gesprochen.

Amri soll bei der Tat mit einem Gummi-Hammer zugeschlagen haben. Alle vier mutmaßlichen Täter konnten damals entkommen; die beiden Männer neben Amri und dem jetzt Verurteilten sind bis heute nicht bekannt.

Warum wurde Amri nicht aus dem Verkehr gezogen?

Laut Berliner Staatsanwaltschaft gab es damals keine Erkenntnislage, die zu einer Festnahme Amris hätte führen können. "Es gab Beteiligte, die nichts gesehen haben wollen, die kein Interesse hatten an der Aufklärung der Tat, es gab keinen dringenden Tatverdacht", sagte Sprecher Martin Steltner dem rbb. Erst nach dem Weihnachtsmarkt-Anschlag hätten sich konkrete Erkenntnisse ergeben.

Dem widersprechen jedoch Ermittlungsakten, die dem rbb vorliegen. In einem Vermerk des polizeilichen Staatsschutzes vom 19. August wird die Hammer-Attacke Amris auf mindestens eine Person erwähnt. Dieser Bericht, auch mit Erkenntnissen aus Telefon-Überwachungs-Protokollen, wurde sofort an die Generalstaatsanwaltschaft weitergeleitet. Die Ermittler glaubten, dass sich Amri durch das Dealen Geld für Terror-Vorbereitungen besorgen wollte. Auch in einem Schlussbericht der Polizei vom September 2016 wurde Amri für dringend verdächtig gehalten.

Zudem fördert nun der Prozess zutage, dass Amri eine Schlüsselfigur bei dem Überfall war. Eine Einschätzung, die Marcel Luthe, innenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, teilt: "Amri war nicht nur eine Nebenfigur, sondern Kern dieser Auseinandersetzung", so Luthe zum rbb. Es müsse dringend aufgeklärt werden, warum Amri und sein Mittäter als abgelehnte Asylbewerber nicht längst abgeschoben wurden.

Amri in der Drogenszene unterwegs

Amri hatte am 19. Dezember einen Lastwagen auf den Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Breitscheidplatz gesteuert und zwölf Menschen getötet. Wenige Tage später wurde er in Italien vor dem Bahnhof von Sesto San Giovanni nahe Mailand bei einer Routine-Ausweiskontrolle von Polizisten erschossen.

In Berlin war der Islamist Amri zuvor zeitweise observiert worden; es war bekannt, dass er sich in der Drogen- und Kleinkriminellenszene bewegte. Belangt wurde er deshalb nicht.

Mit Informationen von Susanne Opalka, Norbert Siegmund und Ulf Morling

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