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Audio: Inforadio | 16.03.2018 | Sebastian Schöbel | Quelle: dpa

Polizist bei Razzia verhaftet

Berliner Polizeibeamter soll Drogenhändler gewarnt haben

Bei einer Razzia haben am Freitag Berliner Polizisten einen Kollegen verhaftet. Der Beamte soll Drogendealer vor Zugriffen gewarnt und dafür Tausende Euro Schmiergeld erhalten haben. Der Fall feuert die Debatte über die Zustände bei der Berliner Polizei neu an.

Bei einer Razzia in Berlin ist am Freitagmorgen ein Polizeibeamter wegen des Verdachts der Korruption verhaftet worden. Der 39-Jährige ist der gewerbsmäßigen Bestechlichkeit, der Verletzung von Dienstgeheimnissen in mindestens acht Fällen sowie der Beteiligung am Drogenhandel dringend verdächtig, wie die Generalstaatsanwaltschaft mitteilte.

Seit fast zwei Jahren soll der Polizist regelmäßig Geldbeträge von bis zu 3.000 Euro als Schmiergeld angenommen haben. Im Gegenzug habe er zugesichert, die Betreiber von mehreren Gaststätten im Stadtteil Wedding vor Kontrollen durch Polizei-, Zoll-, Steuerbehörden und Bezirksamt zu warnen. Außerdem soll der Polizeibeamte laut Staatsanwaltschaft den Lagerraum eines "von ihm geleiteten Pokerclubs" in Pankow für die Zwischenlagerung von Drogen zur Verfügung gestellt haben.

Ermittlungen gegen vier weitere Personen

Im Zuge einer groß angelegten Razzia durchsuchten etwa 50 Polizisten 14 Räumlichkeiten. Sie stellten zudem Beweismaterial wie Mobiltelefone und Bargeld sicher, laut Staatsanwaltschaft handelt es sich um Vermögenswerte von mehr als 55.000 Euro. Zunächst hatte die Zeitung "Welt" über die Razzia berichtet.

Neben dem Polizisten wurden am Freitag zwei weitere Verdächtige verhaftet. Insgesamt haben die Ermittler in dem Fall fünf Verdächtige im Visier, neben dem Polizeibeamten vier Gaststättenbetreiber aus Berlin-Wedding im Alter zwischen 44 und 51 Jahren. Gegen sie wird wegen gewerbsmäßiger Bestechung, Anstiftung zum Geheimnisverrat und Drogenhandels ermittelt.

Der amtierende Polizeipräsident Michael Krömer sicherte der Staatsanwaltschaft bei ihren Ermittlungen über Twitter volle Unterstützung zu. Alle erforderlichen Schritte würden geprüft und eingeleitet.

Polizei bereits mehrfach in den Schlagzeilen

Die Berliner Polizei, mit weit mehr als 20.000 Mitarbeitern die größte Landespolizei Deutschlands, war zuletzt immer wieder in die Schlagzeilen gekommen - unter anderem wegen des Ärgers um die Polizeiakademie und Versäumnisse im Umgang mit dem Attentäter Anis Amri.

Innensenator Andreas Geisel (SPD) hatte Ende Februar überraschend den Polizeipräsidenten Klaus Kandt entlassen. Geisel hatte die Personalentscheidung mit einer notwendigen Erneuerung innerhalb der Polizei begründet. Es müsse eine Kultur her, in der offen über Fehler gesprochen werden könne. Gegen Kandt und seine bisherige Stellvertreterin Koppers wird wegen des Vorwurfs der Körperverletzung im Amt durch Unterlassen ermittelt, wie der rbb berichtete.

Geisel wertete die Verhaftung des Polizisten als Fall gelungener Korruptionsbekämpfung. "Das Signal ist ganz klar: Fehlverhalten wird verfolgt", sagte Geisel. "Wir sollten hier also nicht von einem Polizei-Skandal sprechen, sondern von einem Polizei-Erfolg." Auch Berlins Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) sieht die aktuellen Ermittlungen als Fall gelungener Korruptionsbekämpfung. Man sehe daran, dass diese funktioniere, sagte Behrend am Freitag bei der Vorstellung des Berliner Korruptionsberichts.

FDP fordert Untersuchungsausschuss

Der jetzige mutmaßlichen Korruptionsfall hat die Debatte über verrohte Zustände bei der Berliner Polizei neu angefacht.

Die FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus bekräftigte nach Bekanntwerden der Razzia ihre Forderung nach einem Untersuchungsausschuss zum Personalwesen in Polizei und Justiz. Ihrer Ansicht nach bestehen hier grundsätzliche strukturelle Defizite. Die Polizei sei "selbstverständlich" regelmäßig Ziel von korrumpierenden Aktivitäten der organisierten Kriminalität, teilte der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Marcel Luthe, am Freitag mit. "Bei den nun - nach dem Weggang der Polizeispitze - endlich erfolgreichen Ermittlungen kann es sich nur um den Anfang der Aufklärung handeln", so Luthe.

Der Berliner SPD-Abgeordnete Tom Schreiber twitterte: "Ein Markenkern der Organisierten Kriminalität ist, dass diese auf allen gesellschaftlich relevanten Ebenen vernetzt ist. Leider auch bei der Korruption in Behörden. Darüber spricht man nicht gerne, aber so läuft's."

Strukturelles Problem oder ein Einzelfall?

Der SPD-Innenpolitiker Frank Zimmermann sprach von einem Einzelfall. Solche Vorfälle erschwerten den Kampf gegen die Drogenkriminalität, sagte Zimmermann der Deutschen Presse-Agentur. Der Vorgang zeige auch, dass die Polizei bei Verdachtsfällen konsequent auch nach innen ermittele.

CDU-Innenexperte Burkard Dregger sagte der dpa, wichtig sei schnelle und umfassende Aufklärung. Die meisten Polizisten machten einen guten Job und genössen hohes Ansehen in der Bevölkerung. Dieser gute Ruf dürfe nicht beschädigt werden. Auch Dregger sprach von einem Einzelfall.

Pro Jahr drei bis sechs Verfahren

Der Korruptionsbeauftragte bei der Generalstaatsanwaltschaft, Rüdiger Reiff, sagte: "Ich denke nicht, dass wir im Bereich der Polizei ein Korruptionsproblem haben." Pro Jahr gebe es in Berlin zwischen drei bis sechs Verfahren gegen Polizeibeamte wegen Bestechlichkeit. Angesichts von mehr als 20.000 Polizeibeamten sei das verschwindend wenig.

Ähnlich äußerte sich der Sprecher des Berliner Polizeigewerkschaft GdP, Benjamin Jendro. "Das kommt leider immer mal wieder vor, aber die ganz überwiegende Anzahl der Berliner Polizisten leistet hervorragende Arbeit und handelt nach den Regeln des Rechtsstaates", sagte er der Nachrichtenagentur dpa. "Auch im aktuellen Fall gilt zunächst die Unschuldsvermutung", ergänzte er. "Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, muss man sich von diesem Beamten trennen."

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