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Audio: rbb24 Inforadio | 14.09.2022 | Ulf Morling | Quelle: dpa/Fabian Sommer

Sicherheitsdienst verwies Frau

"Oben ohne" auf Wasserspielplatz: Gericht weist Entschädigungsklage ab

Im Juni 2021 musste eine Frau in Berlin einen Wasserspielplatz verlassen, weil ihr Oberkörper unbekleidet war. Sie fühlte sich diskriminiert und forderte vom Land Schadenersatz. Das hat ein Gericht am Mittwoch allerdings abgewiesen. Von Ulf Morling

Das Landgericht Berlin hat am Mittwoch die Klage einer Frau auf Entschädigung nach dem Antidiskriminierungsgesetz des Landes abgewiesen. Sie war im Juni 2021 von einem Wasserspielplatz verwiesen, weil sie sich dort oben ohne aufgehalten hatte. Weil Männer nicht gebeten wurden, ihre Oberkörper zu bedecken, fühlte sich Gabrielle Lebreton diskriminiert. Als Entschädigung hatte sie vom Land Berlin wenigstens 10.000 Euro verlangt. Begründet wurde das Urteil zunächst nicht. Mit dem dazugehörigen Wortlaut dürfte erst in den nächsten drei Wochen zu rechnen sein.

Umstrittener Platzverweis im Vorjahr

Berliner Wasserspielplatz "Plansche" erlaubt künftig "oben ohne" für alle

Der Fall erregte im vergangenen Sommer in Berlin einiges Aufsehen: Eine Frau erhielt einen Platzverweis, weil sie mit nackter Brust am Wasserspielplatz "Plansche" auf der Wiese lag. Sie klagte. Mit der Wiedereröffnung Ende Juli gelten nun neue Regeln.

Klägerin: Weibliche Brust nicht ständig sexualisieren

Die 38-jährige Mutter hatte im Juni letzten Jahres mit ihrem sechsjährigen Sohn auf dem Wasserspielplatz im Berliner Plänterwald auf einer Decke gesessen. Während ihr Kind spielte, sonnte sie sich oben ohne. Sowohl der Wachdienst, als auch später zwei Polizisten forderten die Frau auf, ihre Brüste zu bedecken oder den Platz zu verlassen. Ihr Hinweis, dass die Männer mit freiem Oberkörper dann ebenfalls angesprochen werden müssten, wurde ignoriert. Sie klagte auf die Verletzung des Berliner Antidiskriminierungsgesetzes, dass vor zwei Jahren in Kraft trat.

Mehrere Kamerateams und etliche Journalisten erwarteten die Klägerin am Mittwoch bereits vor dem Prozess. Sichtlich nervös, aber auch hoffnungsfroh sei sie gekommen zu dem medienträchtigen Verfahren, erklärte sie später. Ihr sei wichtig, dass die weibliche Brust nicht ständig sexualisiert würde, sondern, wie beim Stillen, als Körperteil gesehen werde, wie auch die männliche Brust.

Das eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes nach dem Gesetz hier vorliege, sei "völlig klar", so ihre Rechtsanwältin, Leonie Thum. Es sei nur die Frage, ob es einen hinreichenden sachlichen Grund für diese Diskriminierung geben würde, sie habe den allerdings nicht erkennen können. Klägerin Lebreton sagt: "Die Entscheidung ist uns sehr wichtig. Wir sind gleichberechtigt!"

Berlin

Im neuen Jahr gelten neue Parkgebühren

Grundrechte abwägen

Die vorsitzende Richterin Sybille Schmidt-Schondorf betonte nach dem Beginn der Verhandlung, dass es im verhandelten Fall letztlich um Grundrechtsabwägungen ginge: Auf der einen Seite die Klägerin, die auch als Frau mit nacktem Oberkörper auf dem Wasserspielplatz habe liegen wollen, auf der anderen Seite diejenigen, die "so spärlich bekleidete Frauen" nicht sehen wollten.

Zuerst war die Klägerin sehr freundlich vom Wachdienst angesprochen worden, dann seien in Amtshilfe entschiedene zwei Polizisten gerufen worden, die sich auf keine Diskussion eingelassen hätten, so die 38-Jährige. "Sie saßen da und die Polizisten standen – das sahen Sie als bedrohlich an", referiert die Richterin. Das sehe sie nicht als diskriminierend an. Die Klägerin hätte ja aufstehen können.

Aber Diskriminierung heiße doch nichts anderes als Ungleichbehandlung, hält die Anwältin der Klägerin dagegen. Die Ungleichbehandlung habe darin gelegen, dass Männer oberkörperfrei anwesend gewesen seien und nicht gebeten wurden, sich zu bekleiden, ihre Mandantin hingegen schon. "Das ist eine Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts.", so Rechtsanwältin Leonie Thum.

Antidiskriminierungsgesetz greift nicht bei privatem Wachschutz

Nachdem zuerst die Ombudsstelle der Senatsverwaltung für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung im Sommer letzten Jahres eingeschaltet worden war, wurde behauptet, dass die Bekleidungsvorschriften auf dem Wasserspielplatz in einer Nutzungsordnung geregelt gewesen seien. Danach seien auf dem Gelände Alltagskleidung, handelsübliche Badebekleidung, Bikinis und Badeanzüge erlaubt. Daran habe sich die Klägerin nicht gehalten, indem sie kein Oberteil trug.

Der Vertreter von Bezirk und Land erklärte dazu im Prozess überraschend, dass es zum Zeitpunkt des Geschehens überhaupt keine Nutzungsordnung zum Wasserspielplatz Plänterwald gegeben habe. Außerdem sei der Sicherheitsdienst, der Gabrielle Lebreton angesprochen habe, ihre Brust zu bedecken, "gar nicht befugt gewesen, irgendwelche Bekleidungsvorschriften umzusetzen!" Lediglich das Einhalten der Coronamaßnahmen sei der Auftrag des Sicherheitsdienstes gewesen, so Rechtsanwalt Eike-Heinrich Duhme.

Darüber hinaus habe die Klägerin sich über das Verhalten der Polizisten nicht bei der Ombudsstelle beschwert, die zuerst mit dem Vorfall befassten war. Das Antidiskriminierungsgesetz erfasse aber ausdrücklich die hoheitlichen Handlungen des Staates und nicht die Tätigkeiten eines privaten Wachdienstes, der falsch gehandelt habe.

Urteil ohne Begründung

Zwar wurde Stunden nach dem Ende der Verhandlung das Urteil verkündet, doch eine Begründung erfolgte nicht. Die Klage auf Verletzung des Antidiskriminierungsgesetzes wurde vom Landgericht Berlin erstinstanzlich abgewiesen. Die Begründung erfolgt üblicherweise vor dem Ablauf von drei Wochen. Die Berufung gegen das Urteil vor dem Kammergericht ist möglich. Ein Vertreter des Bezirks Treptow-Köpenick erklärte zuletzt, dass die Vorschriften für den Wasserspielplatz inzwischen geändert worden seien. Männer wie auch Frauen dürfen sich dort inzwischen mit unbekleidetem Oberkörper aufhalten.

Inzwischen 1.000 Beschwerden wegen Antidiskriminierungsgesetzes

Im nächsten Prozess um die Verletzung des Antidiskriminierungsgesetzes wird es im Oktober um einen Schwarzen Musiker gehen, der bei der Fahrscheinkontrolle rassistisch behandelt worden sein soll.

Laut der Ombudsstelle der Senatsverwaltung für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung gibt es inzwischen 1.000 Beschwerden in der Ombudsstelle. Unter anderem wegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der ethnischen Herkunft, einer rassistischen und antisemitischen Zuschreibung, der Religion und Weltanschauung, einer Behinderung, einer chronischen Erkrankung, des Lebensalters, der Sprache, der sexuellen und geschlechtlichen Identität sowie des sozialen Status. 700 der Beschwerden wurden bisher als einschlägig angesehen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 14.09.2022, 9 Uhr

 

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Beitrag von Ulf Morling

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