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Video: rbb24 Abendschau | 20.10.2022 | Thomas Bittner + Interview mit rbb-Intendantin Vernau | Quelle: dpa/Britta Pedersen

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Zwischenbericht bestätigt Vorwürfe gegen frühere rbb-Spitze weitgehend

Champagner, teure Essen und Reisen auf Kosten der Gebührenzahler lauten die Vorwürfe. Auf einer Sondersitzung des rbb-Rundfunkrats stellte die Kanzlei Lutz Abel am Donnerstag einen Zwischenbericht zu den Vorwürfen vor. Vom rbb-Rechercheteam

Um 12.14 Uhr sind die Mitglieder des rbb-Rundfunk- und Verwaltungsrats endlich vollständig. Die Berliner Grüne Antje Kapek betritt den Saal und wird noch fröhlich klatschend begrüßt. Danach ist es schnell vorbei mit der guten Stimmung.

rbb-Intendantin Kathrin Vernau hatte den Antrag auf einen zusätzlichen Tagesordnungspunkt gestellt: Programmdirektor Jan Schulte-Kellinghaus soll zum stellvertretenden Intendanten berufen werden. Nach den Regularien des Rundfunkrats können weitere Tagesordnungspunkte jedoch nur dann kurzfristig aufgenommen werden, wenn die Angelegenheit dringlich ist. Für Vernau ist die Angelegenheit dringlich, da ihr aktueller Stellvertreter Hagen Brandstäter zum einen erkrankt und sein Vertrag zum anderen demnächst vorzeitig beendet werden soll.

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Kurzform des Zwischenberichts der Kanzlei Lutz|Abel

Ergebnisse des ersten Teilgutachtens und Handlungsempfehlungen [pdf]

Antje Kapek macht indes schnell klar, dass im Rundfunkrat jetzt ein anderer Wind weht. In der Vergangenheit kam das Gremium seinen Kontrollfunktionen nicht immer so nach oder es konnte ihnen nicht so nachkommen, wie es zu erwarten war. "Keine Wahl auf Zuruf", so Kapek. Der Rest solle im nicht-öffentlichen Teil diskutiert werden.

rbb-Skandal

Ausnahmen von der Regel

Wenn es um Geld geht, herrschen seit Jahren strenge Regeln für die Mitarbeiter des rbb. Die ARD-Anstalt gilt als chronisch klamm. Die Auswertung von Abrechnungen durch das rbb-Rechercheteam zeigt aber: In der Ära Schlesinger galt Bescheidenheit nicht für alle. Weder beim Champagner noch bei Gummibärchen.

Essen waren nicht abrechnungsfähig

Gut eineinhalb Stunden später wird Schulte-Kellinghaus - in der inzwischen nicht mehr öffentlichen Sitzung - vorläufig zum neuen Stellvertretenden Intendanten ernannt. Ab da referieren die Juristen der Kanzlei Lutz Abel über die Ergebnisse ihrer bisherigen Untersuchungen.

Mitte Juli beauftragte die Compliance-Beauftragte des rbb die Kanzlei Lutz Abel mit der Untersuchung der Vorwürfe gegen die Ex-Intendantin. Geprüft wurden Abrechnungen für Abendessen, die Schlesinger auf rbb-Kosten in ihrer Wohnung veranstaltet hat. Ergebnis: Es fehlt "generell an der Abrechnungsfähigkeit der in Rede stehenden Abendessen, da der dienstliche Anlass der Essen nicht entsprechend den Vorgaben der DA [Dienstanweisung, Anm.d.R.] Bewirtung dokumentiert wurde und anhand der Belege nicht prüfbar ist. Teilweise wurde das Abrechnungsverfahren nicht innerhalb der vorgesehenen Zweimonatsfrist eingeleitet."

Ob die Essen darüber hinaus eher dienstlich oder privat waren, so der Zwischenbericht, ließ sich nur in einem Fall klären: Es geht um das Essen, an dem Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik teilnahm. Sie war von einer rein privaten Veranstaltung ausgegangen. Bei den anderen Essen hätte dies nur durch Gespräche mit den Teilnehmern "festgestellt werden können. Solche Gespräche bzw. Interviews waren für uns", so der Zwischenbericht, aufgrund der Aufforderung "durch die Generalstaatsanwaltschaft Berlin, die in diesem Zusammenhang strafrechtlich ermittelt" nicht möglich.

Aber: In den Verträgen sei auch gar nicht vorgesehen gewesen, dass die Intendantin sich an die Bewirtungskostenregeln zu halten hätte. Letztlich sei es jedoch eine Kulturfrage, Dinge seien als normal hingenommen worden, die von außen betrachtet nicht normal sind, so das Fazit der Anwälte in der anschließenden Pressekonferenz.

Zwischenbericht zum rbb-Skandal

Verträge mit Ex-Intendantin Schlesinger laut interner Prüfung unwirksam

Die Dienstverträge der ehemaligen rbb-Intendantin Patricia Schlesinger sind wohl unwirksam. Zu diesem Schluss kommen Anwälte, die vom rbb mit einer internen Prüfung beauftragt wurden. Sie fanden auch eine falsch abgerechnete Privatreise.

Reise nach London "pflichtwidrig" abgerechnet

September 2021: Schlesinger, ihr Mann und einige Bekannte reisen nach London zum Sheriffs Ball. Für die Begleiter eine private Reise zu einer Charity-Veranstaltung, für Ex-Intendantin Schlesinger offenbar ein dienstlicher Anlass. Sie hatte dem rbb Reisekosten in Rechnung gestellt.

Einschätzung der Anwälte: "Die Reise nach London, die Frau Schlesinger zusammen mit ihrem Ehemann, Herrn Dr. Spörl, im September 2021 durchgeführt hat und deren Kosten vom rbb erstattet bzw. getragen wurden, war unserer Einschätzung nach insgesamt nicht dienstlich veranlasst." Anders als bei den Bewirtungskostenregelungen, an die die Ex-Intendantin nicht gebunden war, musste sie sich bei der Abrechnung von Reisen jedoch an das halten, was für alle rbb-Mitarbeiter gilt. Welche Konsequenzen das hat, dazu äußerten sich die Anwälte eher zurückhaltend. Eine strafrechtliche Begutachtung der Vorgänge sei nicht Auftrag der Kanzlei gewesen.

In Bezug auf die in den vergangenen Monaten erhobenen Vorwürfe wegen des Verdachts der Bereicherung bestätigt der Zwischenbericht viele Medienberichte. Vorwürfe in Bezug auf die private Nutzung des Dienstwagens samt Massagesitzen, den Schlesinger auch ordnungsgemäß zum Listenpreis versteuerte, hingegen erwiesen sich als unbegründet.

Dienstverträge fehlerhaft

Wirklich spannend wurde es dann bei einem Punkt, der bislang keine Rolle spielte, überschrieben mit "Rechtmäßigkeit der an Frau Schlesinger geleisteten Gehaltszahlungen". Insgesamt gab es drei sogenannte "Dienstverträge", abgeschlossen in den Jahren 2016, 2018 und 2021. Den ersten beiden Verträge, so der Zwischenbericht, mangelte es jedoch an einem "wirksamen Verwaltungsratsbeschluss". In diesen Fällen hier wurden Formalia nicht eingehalten mit dem Ergebnis: Die Verträge sind fehlerhaft.

Aber auch beim dritten Vertrag gab es aus juristischer Sicht "sowohl Verfahrens- als auch Inhaltsmängel". Für die Vergangenheit hat dies keine Konsequenzen, wohl aber für die Zukunft, wenn es um weitere Zahlungen und die Erfüllung des Vertrages geht. Ein fehlerhafter Vertrag muss nicht unbedingt erfüllt werden, so die laienhafte Übersetzung.

Gemeinsames Abendessen

Berlins Polizeipräsidentin Slowik belastet Ex-Intendantin Schlesinger

Die Berliner Polizeipräsidentin hat sich gegenüber dem rbb zu ihrem gemeinsamen Abendessen mit der ehemaligen Intendantin Patricia Schlesinger geäußert. Für sie habe es "keine Anhaltspunkte" gegeben, dass es sich um ein berufliches Treffen handelte.

Zwischenbericht gibt auch Handlungsempfehlungen

Verantwortlich dafür war letztlich der ehemalige Verwaltungsratsvorsitzende Wolf-Dieter Wolf. Seine Amtsführung war wohl vor allem davon geprägt, dass er Verwaltungsratsmitglieder Informationen vorenthielt und seine Vorstellungen durchsetzte. Dorette König, die amtierende Verwaltungsratsvorsitzende, fasste das Problem mit Sicht auf die Zukunft folgendermaßen zusammen: "Beschlüsse dürfen nie wieder auf Basis von Informationen eines einzelnen Mitglieds fallen."

Von außen betrachtet eine Selbstverständlichkeit. Doch wie im rbb wurde wohl auch in den Aufsichtsgremien vieles als normal hingenommen, was schlicht nicht normal war. Der Zwischenbericht enthält auch Handlungsempfehlungen, die dringend notwendig sind: Obergrenzen und klare Regelungen bei Bewirtungen mit dienstlichem Anlass; eine unabhängige Prüfung von Abrechnungen; und Änderungen bei der Arbeit des Verwaltungsrats.

Im Dezember wollen die Anwälte ihre Erkenntnisse zu den Abläufen beim inzwischen gestoppten Digitalen Medienhaus vorlegen. Wer zum Schluss auch materiell für das systematische Versagen auf mehreren Ebenen zur Verantwortung gezogen werden kann, diese Frage wurde Donnerstag noch nicht abschließend beantwortet.

*Das rbb-Rechercheteam bestellt aktuell aus René Althammer und Jo Goll.

Sendung: rbb24 Abendschau, 20.10.2022, 19.30 Uhr

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