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Video: rbb|24 | 23.11.2022 | Material: Miriam Keuter, rbb24 Abendschau | Quelle: dpa/Carsten Koall

Umwidmung der Friedrichstraße

"Da geht Qualität vor Schnelligkeit"

Auf der Berliner Friedrichstraße sind die Autos zurück. Allerdings soll das nicht lange so bleiben - Senatorin Jarasch will den Bereich "bis Jahresende" in eine dauerhafte Fußgängerzone umwandeln. Ist der Zeitplan überhaupt zu halten? Von Sabine Müller

Die Debatte über die Zukunft der Berliner Friedrichstraße ist bekannt dafür, dass sie sehr hitzig geführt wird. Aber der nächste Schritt in der Sache, nach der Wiederöffnung für den Straßenverkehr in der Nacht auf Mittwoch, wird die knochentrockene Nummer eines Verwaltungsakts tragen.

Verkehrsfreigabe in Berlin-Mitte

Auf der kompletten Friedrichstraße fahren wieder Autos

Zwei Jahre lang war die Friedrichstraße für Autos teils gesperrt - auch für eine bessere Aufenthaltsqualität. Ein Gericht kippte die Pläne schließlich genau deshalb. Seit dem späten Dienstagabend rollt nun der Verkehr wieder - zumindest vorerst.

Das zuständige Bezirksamt Mitte arbeitet gerade mit Hochdruck an einer Verfügung, die auf "Bau 1 115 TE 636/21-Mi" vom 23. September 2022 im Amtsblatt Nummer 38 folgen soll. Damals bekräftigte der Bezirk seine Absicht einer "Teileinziehung von öffentlichem Straßenland" für "die Friedrichstraße zwischen Französische Straße und Leipziger Straße". Nun geht es darum, von der Absicht zur tatsächlichen Umsetzung zu kommen.

Basteln am Wording

Jetzt geht es um jedes Wort. Die Verantwortung dafür liegt bei Almut Neumann, der grünen Verkehrsstadträtin im Bezirk Mitte. Vordringliche Aufgabe für sie und ihre Mitarbeitenden ist es gerade, die geplante Umwidmung der Friedrichstraße so zu formulieren, dass sie juristisch möglichst unangreifbar ist. Im Interview mit rbb|24 sagt Neumann: "Es geht darum, die Begründung der Umwidmung ganz umfassend vorzunehmen und rechtssicher und gerichtsfest zu machen. Das ist das oberste Ziel.“"

Sprich: Die Gegnerinnen und Gegner der Umwidmung sollen sich die Zähne ausbeißen am Text und möglichst wenig Angriffspunkte finden, um vor Gericht gegen eine dauerhafte Fußgängerzone in der Friedrichstraße vorzugehen.

Damit keine Facette unbedacht bleibt, wurden beziehungsweise werden die bisherigen Einwände gegen die Teileinziehung von den Behörden in Mitte nochmal durchgegangen. Verkehrsstadträtin Neumann betont, man nehme die Einwände ernst und berücksichtige sie auch teilweise, so habe man etwa schon die Regeln für den Lieferverkehr gelockert.

Umbau der Friedrichstraße zur Fußgängerzone

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Zeit nehmen in Wahlkampfzeiten

Der Prüf- und Formulierungsprozess ist so zeitaufwändig, wie er klingt. Trotzdem hält Almut Neumann am Zeitplan fest, den Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) vorgegeben hat: Ziel sei es weiterhin, die Umwidmung bis Ende des Jahres im Amtsblatt zu veröffentlichen. Die grüne Verkehrsstadträtin schiebt allerdings eine Einschränkung hinterher: "Da geht Qualität vor Schnelligkeit. Wenn wir merken, wir brauchen doch noch ein bisschen länger, dann würden wir uns auch die Zeit nehmen, weil das einfach wichtiger ist."

Bei aller Betonung, dass sie sich die nötige Zeit nehmen werde – ein klein wenig Druck dürfte schon da sein, sicherzustellen, dass die grüne Parteifreundin Bettina Jarasch ihr Zeitplan-Versprechen einhalten kann. Erst recht jetzt in Wahlkampfzeiten. Liefe alles nach Zeitplan, wäre die Friedrichstraße rechtzeitig zum offiziellen Auftakt des Straßenwahlkampfs wieder autofrei.

"Es gibt keinen Plan, kein Konzept"

Mit Veröffentlichung der Umwidmung im Amtsblatt beginnt die Widerspruchsfrist zu laufen. Einen Monat lang haben Gegnerinnen und Gegner Zeit, ihre Bedenken einzureichen. Anja Schröder vom Aktionsbündnis "Rettet die Friedrichstraße" kündigte schon an, dass ihr Verein handeln werde - wie genau, werde aktuell noch beraten.

"Wir sind noch nicht ganz fertig mit der Prüfung der Rechtsmittel, aber behalten uns vor, den Schritt einer Klage zu gehen", so Schröder. “Wir werden nicht einfach zuschauen, wie die Friedrichstraße wieder geschlossen wird.

Für Radfahrer gesperrt

Berliner Friedrichstraße soll italienischer Piazza gleichen

"Verkehrsstadträtin Almut Neumann stellt klar, dass die Verwaltung während der einmonatigen Widerspruchszeit nicht die Füße stillhalten müsse: "Wir werden die Umwidmung sofort vollziehbar machen, so dass ein Widerspruch keine aufschiebende Wirkung hätte. Sprich: Die Fußgängerzone kann trotzdem kommen, ohne dass ein langes Widerspruchsverfahren oder ein jahrelanges Klageverfahren abgewartet werden muss."

Ob der Bezirk mit dieser Rechtsauslegung durchkommt, wird sich zeigen. Das Aktionsbündnis will die Zeit der offenen Friedrichstraße nutzen, um auszuwerten, wie sich die Kunden-Frequentierung nicht nur in diesem einen Abschnitt ändert, sondern auch in angrenzenden Straßen. Ob die Geschäfte in den Läden besser laufen, wenn der Autoverkehr wieder rollt. Das soll neue Argumente für eine gerichtliche Auseinandersetzung liefern.

Anja Schröder sieht den Schwachpunkt der Umwidmung zur Fußgängerzone anderswo, wie sie erläutert:"Man kann Straßen zwar entwidmen, aber nicht ohne Sinn und Verstand. Man braucht ein Konzept für die Umgebung, aber es gibt ja noch gar keinen Plan und kein Konzept."Solche Kritik will Almut Neumann mit ihrem Umwidmungstext entkräften, sie verspricht ein „gutes Gesamtkonzept“.

Unabhängig davon, ob die Umwidmung der Friedrichstraße nun noch im Dezember oder irgendwann im Januar vollzogen sein wird, ist eins klar: Besonders ansprechend wird die Fußgängerzone erstmal nicht aussehen, denn mitten im Winter wird die Gestaltung mit Bäumen und Co. noch warten müssen.

Sendung: rbb24 Abendschau, 22.11.2022, 19:30 Uhr

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Beitrag von Sabine Müller

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