rbb24
  1. rbb|24
  2. Panorama
Quelle: Eventpress Porikys

Der Absacker

Das Richtige tun, ohne das Wichtige zu lassen

Demonstrationen gehören zur Demokratie. In einer Pandemie aber werden sie zu potentiellen Infektionsherden. Sollten wir also darauf verzichten, für unsere Ideale auf die Straße zu gehen, um andere zu schützen? Schwierige Fragen, die den Absacker bewegen. Von Sebastian Schöbel

Als "Speckgürtler" in Oberhavel habe ich mich neulich ziemlich über folgende Meldung gefreut: Mein Landkreis ist laut einer neuen Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft [iwkoeln.de] eine der dynamischsten Regionen in ganz Deutschland.

Aber wie bei fast allen guten Nachrichten gibt es ein großes "Aber..." dabei. Denn sogleich meldeten sich diverse Unternehmen aus eben dieser dynamischen Region zu Wort und sprachen eines ihrer größten Probleme an: sehr langsamen Internet.

1. Was vom Tag bleibt

Genauso läuft es derzeit bei den zum Teil überwältigenden Protesten gegen Rassismus unter dem Slogan #Blacklivesmatter: Erst gab es Lob, nun folgt die Kritik, und zwar die berechtigte.

Denn auch eine Demo gegen Diskriminierung und Gewalt muss im Rahmen der geltenden Corona-Eindämmungsregeln stattfinden. Doch der "Silent Protest" am Samstag sah anders aus: 15.000 Menschen drängten sich dicht an dicht und oft ohne Mundschutz auf dem Alexanderplatz. Der Senat meldete sich heute mit mahnenden Worten: Gesundheitssenatorin Kalayci und Innensenator Geisel wagten den Spagat erinnerten daran, dass wir noch immer in einer Pandemie leben. "Die Grundrechte auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit sind elementar. Trotzdem müssen sich die Menschen - zum Schutz für sich selbst und für andere - bewusst sein, dass auch immer das Abstandsgebot einzuhalten ist", so Geisel.

Derweil erleben einige Wirtschaftszweige, wie langfristig sich die Coronakrise auswirken könnte. Vermieter von Büroflächen zum Beispiel: Die müssen sich darauf einstellen, dass Verbindungen über VPN-Tunnel zwischen Küchentisch und Arbeitsplatz ihre Geschäftsmodelle grundlegend verändern müssen. Mein Kollege Markus Streim hat sich in der Branche mal umgehört.

2. Abschalten

Abschalten kann man auch durch Einschalten: Bei einer guten Reportage zum Beispiel.

Eine besonders gute haben die beiden rbb-Autorinnen Agata Horbacz und Katharina Zabrzynski abgeliefert. In "Ohne Polen läuft hier nix! 24 Stunden Putzen, Singen, Lehren" beleuchten sie einen Aspekt, den meiner Meinung nach zu viele Deutsche im Alltag vergessen: Unsere Abhängigkeit von Arbeitsmigranten. Das Thema mag für manche Leute unbequem und belastend sein, aber die Frage, wer auf unseren Gemüsefeldern steht oder unsere Klos putzt, sollte sich jeder mal stellen.

Für den Film haben die beiden Autorinnen jetzt auch den Tadeusz-Mazowiecki-Journalistenpreis bekommen.

Sie finden den Film auch hier in der ARD Mediathek.

3. Und, wie geht's?

Mein Kollege Johannes Mohren hat im gestrigen Absacker über seinen Zwiespalt nach dem großen #BlackLivesMatter-Protest in Berlin geschrieben. "Weil er Sachen gegeneinander aufwiegt, die eigentlich nicht gegeneinander aufzuwiegen sind." Dass 15.000 Menschen gegen Rassismus auf die Straßen gehen, ist gut. Dass sie es größtenteils ohne Schutzmaske und eng gedrängt tun, nicht.

Absacker-Leser triebt das Thema offenbar auch um, wie folgende Zuschriften zeigen.

Gabi X. schreibt uns, der Absacker beschreibt "ganz genau das, was ich bei diesen Bildern empfinde":

Der Protest ist so wichtig, aber wir stecken immer noch in der Pandemie. Auch mich begleiten große Sorgen, wenn ich den Umgang meiner Mitmenschen mit den Abstandsregeln und der Maskenpflicht beobachte. Ich sehe leider viel zu oft, dass sich immer mehr Menschen in Lokalen, Geschäften und im Alltag unbedacht verhalten. Ich wohne in Kreuzberg im Bergmannkiez und hier scheinen die Menschen zum großen Zeil das Thema „Corona“ verdrängt zu haben. Mir macht das Angst.

Wer ich bin

Geboren in Oranienburg, aufgewachsen in Dresden, zwischendurch in der Weltgeschichte unterwegs gewesen, jetzt wieder Brandenburger: Seit 2012 ist Sebastian Schöbel beim rbb als Onlineredakteur und Radioreporter aktiv. Er wohnt im Berliner Speckgürtel und versucht in seiner Freizeit, dem märkischen Sand so etwas wie einen Garten abzutrotzen.

Auche Heidemarie F. bedankte sich für den nachdenklichen Absacker und teilte eine sehr persönliche Betrachtung mit uns:

Mein Mann liegt seit vier Wochen im Krankenhaus. Sehr krank. Mit einer schriftlichen Besuchserlaubnis darf ich ihn jeden Tag für eine Stunde besuchen. Es wird am Eingang streng kontrolliert. Gerne würde ich ihn mit meiner Tochter gemeinsam besuchen, geht aber nicht. Nur jeweils eine Person ist erlaubt.

Trotzdem wünsche ich mir, dass die Demos nachhaltig etwas bewirken.

Was beschäftigt Sie in diesen Tagen der Corona-Lockerungen: Haben wir die Krise überstanden? Oder sollten die Lockerungen wieder zurückgenommen werden? Schreiben Sie uns: absacker@rbb-online.de.

4. Ein weites Feld...

Gegen Unrecht auf die Straße gehen und dafür mehr Corona-Infektionen riskieren?

Oder zu Hause bleiben und sich mit Untätigkeit Sicherheit erkaufen?

Wenn ich über solche großen Themen nachdenke, ende ich am Ende immer bei Rainald Grebe. Weil er irgendwie immer den richtigen Song zu jedem gesellschaftlichen Problem hat. Songs wie "Es gibt kein richtiges Leben im falschen" (siehe unten).

Einen guten Start in die neue Woche wünscht

Sebastian Schöbel

Beitrag von Sebastian Schöbel

Artikel im mobilen Angebot lesen