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Quelle: rbb|24/Mitya

Der Absacker

Friedhof der Pilzkulturen

Weder formschön, noch effizient – aber wohl eine der wenigen Alternativen für die Gastronomie in Herbst und Winter. Heizpilze erleben durch Corona ein Comeback. Aber was wird mit den Dingern nach der Pandemie? Haluka Maier-Borst hat da eine Idee.

Es ist das Jahr 2320 als Siggi Musk, bürgerlich "X Æ A-20 Giga" seine Mission beginnt. Er möchte verstehen, wie sein Vorfahr Elon in Grünheide die Revolution der Mobilität einläutete. Dort, wo die erste Gigafabrik gestanden haben soll, lässt er vorsichtig mit Elektroschaufelradbaggern das Erdreich abtragen. Es ist ein beispielloses Projekt der Industrie-Archäologie. Aber wenn es um verrückte Ideen geht, haben die Musks noch stets die Familientradition erhalten.

Irgendwann macht es aber nur noch "Plong". Und zwar an allen Ecken der Grabungsstätte. Nichts geht mehr. Die Bagger bleiben hängen. Statt Sand treffen die Archäologen auf eine Schicht aus Blech. Unförmige, silbrig-rostige, mannshohe Geräte liegen wild übereinander gestapelt. Wo Siggi den Anfang der Zukunft vermutet hat, eröffnet sich ein Massengrab aus Metall.

Sind das kleine Raketen, die Ur-Ahn Elon in einem geheimen Projekt testete? Sind es Phallus-Symbole, die einem testosteronschwangeren Kult des Größenwahns huldigten? Am ähnlichsten sehen die Metallobjekte zwar pilzförmigen Heizungen aus. Aber, denkt sich Siggi, was soll das für einen Sinn gehabt haben? Wer hätte im 21. Jahrhundert, wo es schon Fußbodenheizungen gab, mit pilzförmigen Öfen geheizt?

1. Was vom Tag bleibt

Im Hier und Jetzt wissen wir dagegen, was es mit den Dingern auf sich hat. Die Heizpilz-Debatte ist im vollen Gange. Erst wollten die Grünen und die FDP noch einen politischen Kuhhandel vorbereiten. Demnach sollten in Berlin coronabedingt diesen Winter Heizpilze erlaubt sein, aber dafür mit autofreien Tagen aufgewogen werden.

Nun ging einigen Berliner Bezirken die Warterei auf die Absprachen zu lange. Charlottenburg-Wilmersdorf und Reinickendorf erlauben schon jetzt die Heizpilze. Und vielleicht bilden sie ja, wie von mir zusammenfantasiert, nächstes Jahr dann im Anschluss eine phallische Kultstätte in Grünheide.

2. Abschalten.

Ich habe mal 300 Jahre in die Zukunft fantasiert. Ziemlich sicher werde ich mit der Vorhersage daneben liegen. Denn selbst 100 Jahre im Rückblick wirken vertraute Orte wie aus einer fremden Dimension. Damit Sie sich davon überzeugen können, haben Kollegen passend zum Jubiläum von 100 Jahren Groß-Berlin einige Archiv-Fotos zusammengesucht. Mit einem Wisch-Tool können Sie interaktiv Orte wie das Rote Rathaus oder auch den Zoologischen Garten als Zeitreise erleben.

Und wenn Sie ganz analog etwas über unsere Vorfahren erfahren wollen, sei Ihnen etwa für das Wochenende die neue Ausstellung zu den Germanen in der frisch eröffneten James-Simon-Galerie [smb.museum] nahegelegt.

 

Wer ich bin

Großstadtchaos statt Alpenpanorama, Brandenburger Seen statt britisches Meer. Haluka Maier-Borst war schon an ein paar Orten und hat immer die falsch-richtige Wahl getroffen. Für Berlin. Jetzt sitzt er im Wedding und gönnt sich hin und wieder einen Absacker mit seinen Kolleginnen und Kollegen – und damit eine kleine Pause von der Nachrichtenlage. Vorerst allerdings nur digital aus dem Homeoffice.

3. Und, wie geht's?

Wir haben sehr nette Leserpost dieser Tage bekommen. Silke schreibt uns, dass trotz wieder aufpoppender Corona-Nachrichten ihr der Absacker ein bisschen beim Runterkommen hilft.

Manchmal ergriff mich nach dem Lesen der neuesten Nachrichten leichte Panik (...). Aber im Absacker schaffen Sie es immer wieder, unbequeme Corona-Themen anzusprechen, ohne die Welt mit Corona enden zu lassen. Das rückt einiges wieder gerade. Stattdessen bieten Sie zwischen den Zeilen oft unglaubliche Zuversicht. Vielen Dank dafür!

Uns beruhigt es auch, dass wir hier anscheinend den richtigen Ton treffen. Aber was fehlt Ihnen? Worüber würden Sie gerne hier mal wieder mehr lesen? Schreiben Sie uns an: absacker@rbb-online.de

4. Ein weites Feld ...

Was wird sonst noch von diesem absurden Jahr übrig bleiben außer Heizpilzen? Ich hoffe, trotz steigender Fallzahlen aktuell, eine erfolgreich überwundene Krise. Das heißt auch, dass nicht nur die Politik die richtigen Entscheidungen trifft. Sondern dass alle für den jeweils anderen mitdenken. Und jeder von uns, auch mal ganz ohne Verordnung, auf Dinge verzichtet, die andere anstecken könnten.

Ganz ohne Pilzkult, aber mit einer freundlichen Verneigung grüßt:

Haluka Maier-Borst

Beitrag von Haluka Maier-Borst

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