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Quelle: imago-images.de/Omer Messinger

Der Absacker

Zuhören, lernen, besser machen

"Wenn man nicht aufpasst, hat man aus Versehen 'ne Meinung", sagte einmal eine Berliner Rap-Combo. Doch nach einem turbulenten Pfingstwochenende will Haluka Maier-Borst gar nicht viel meinen. Sondern möglichst viel zuhören.

Anderthalb Wochen hatte ich Absacker-Pause und ich habe mich gefreut, wieder zu schreiben. Über vermeintlich Banales und Lustiges aus meinem Alltag und auch die allmählich bessere Lage in Sachen Corona. Dann passierte das Wochenende. Und nach wie vor versuche ich, das zu verarbeiten.

1. Was vom Tag bleibt

Wieder gibt es Lockerungen, dieses Mal geht es um Kneipen, Bars, Freiluftkinos und Fitnessstudios. Das gerät aber schon fast in den Hintergrund, weil nach wie vor die Party-Demo auf dem Landwehrkanal vom Wochenende ein Reizthema bleibt.

Ich hatte selbst gesehen, dass das besagte DJ-Kollektiv bei Instagram darauf hinwies und fand die Ankündigung einer kleinen Bootsdemo nicht verwerflich, als ich in meinem Feed kurz drüber swipte. Was aber am Sonntag sich Bahn brach, hat mir die Sprache verschlagen.

Und ich ärgere mich auch über mich. Klar, ich bin nicht der Veranstalter, ich war nicht einmal auf der Demo, ich habe nur gedankenlos über den Post gewischt. Aber dass mir nicht sofort in den Sinn kam, wie dumm diese Idee war, zeigt mir, wie ich Dinge verdränge. Sei es das Virus. Oder auch dass es Wichtigeres gibt als Clubkultur.

2. Abschalten

Ich habe zwar einen ausländischen Vornamen und für deutsche Verhältnisse etwas zu markante Augenbrauen. Aber bis auf alle paar Monate mal einen dummen Spruch ("Was du bist Halb-Japaner!? Hast ja Glück gehabt, dass man das nicht so sieht.") habe ich wenig Rassismus zu spüren bekommen. Umso mehr merke ich gerade dieser Tage, was für eine Bildungslücke ich bei diesem Thema habe. Der Fall "George Floyd" mag in den USA spielen, aber auch wir haben hier in Deutschland ein Rassismus-Problem.

Und wenngleich ich auf mancher Demo war und versucht habe, das Thema zu verfolgen: Wenn Sie mich jetzt fragen, was ich im letzten Jahr aktiv gegen Rassismus in der Gesellschaft unternommen habe, fällt mir wenig ein. Vielleicht ein "Hey, lass das" in der U-Bahn, wenn man einen rassistischen Spruch mitbekommt. Das war's. Das ist zu wenig. Das absolute Mindestmaß an "Was Nicht-Schwarze tun können" hat die Journalistin Anna Dushime hier aufgeschrieben [twitter.com].

Ansonsten werde ich mich mit Lesen bemühen, meine Bildungslücke ein wenig zu schließen. Ich werde meinen Beitrag dazu leisten, dass man mehr denen zuhört, die gezwungenermaßen Experten bei diesem Thema sind so wie zum Beispiel Alice Hasters [twitter.com]. Und vor allem werde ich die Schnauze halten und zuhören.

Wer ich bin

Großstadtchaos statt Alpenpanorama, Brandenburger Seen statt britisches Meer. Haluka Maier-Borst war schon an ein paar Orten und hat immer die falsch-richtige Wahl getroffen. Für Berlin. Jetzt sitzt er im Wedding - und mehr oder weniger fest. Denn nach einer Reise in die Schweiz war er zunächst für zwei Wochen in Heimquarantäne. Und jetzt hält er sich natürlich auch an das Kontaktverbot. Jeden Abend genehmigen er und seine Kollegen sich einen Absacker und gönnen sich eine kleine Pause von der Nachrichtenlage.

3. Und, wie geht's?

Heute schreibt hier uns Ute über ihren Alltag.

Es fühlt sich falsch an, dass ich fünf Mal in der Woche Personen aus zehn Haushalten treffe. Ohne Abstand. Diese Personen tragen keine Masken. Sie niesen und husten mich auch ab und zu an. Manchmal muss ich sie umarmen, weil sie weinen oder sich verletzt haben. Denn ich arbeite in einer Kita. Und darum mache ich mir Sorgen, um mich und meine Kollegen. 

Ich habe darum auch lange darauf verzichtet, Freundinnen zu sehen, obwohl wir uns unter freiem Himmel, mit Maske, Abstand und ohne Anfassen treffen wollten. Langsam traue ich mich aber, mich mit ihnen zu treffen.

Ich habe keine bessere Idee, was die Öffnung der Kitas angeht, aber so, mit dieser Sorge, fühlt es sich nicht richtig an. Gleichzeitig bin ich aber auch dankbar, dass ich ansonsten ein normales Leben habe. Daher fällt mir das Jammern etwas schwer und so fühlt sich auch das falsch an. 

Worüber machen Sie sich derzeit Gedanken? Was finden Sie ungerecht? Oder gibt es welche Nachteile für sich, die Sie gerade in Kauf nehmen? Schreiben Sie uns doch bitte ihre Erlebnisse an absacker@rbb-online.de.  

4. Ein weites Feld...

Ich hatte ja gesagt, dass ich heute vor allem zuhören und nachdenken will. Von daher:

Passen Sie auf sich auf und bis morgen sagt

Haluka Maier-Borst

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