rbb24
  1. rbb|24
  2. Panorama
Quelle: imago images/Matthias Koch

Der Absacker

Sind wir mal ehrlich, es ist besch...

In Kolumnen flucht und brüllt man nicht. Aber draußen im Grünen sollten wir uns das erlauben. Sei es, weil uns das Home-Schooling fordert. Oder weil es zu allem Überfluss noch von oben durch die Decke tropft. Von Haluka Maier-Borst

Eine neue Woche bricht an und es zeichnet sich ab, dass das hier alles uns noch ganz gewaltig ans Nervenkostüm gehen wird. Zum einen, weil eben selbst das Selbstverständlichste gerade das nicht ist. Zum anderen, weil wir wohl noch eine ganze Weile mit dem Ausnahmezustand leben müssen. Uns bleibt wohl nichts anderes, als uns von Woche zu Woche robben - und sei es fluchend, aber besonnen.

1. Was vom Tag bleibt

Jetzt wissen wir, dass Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) wohl bis nach Ostern mit Ausgangsbeschränkungen plant. Das überrascht nicht, denn auch Berlins Regierender sagte schon, dass er mit Einschränkungen bis nach Ostern rechnet. Aber nun ist es einigermaßen Gewissheit. Und wo wir nun dort sind, sollten wir ehrlich sein. Das ist alles viel. Oft zu viel. Und wir werden in manchen Momenten schlichtweg überfordert sein. Aber das allein mal zu sagen und anderen klar zu machen, dass wir alle kämpfen, hilft schon.

Insofern kann ich nur den Text meiner Kollegin Sabine empfehlen. Sie sagt, wie sehr ihr die blöde Nachbarin auf den Senkel geht. Wie sehr sie das Home-Schooling an die Grenze bringt. Und das man manchmal nicht weiter weiß. Oder wie sie schreibt:

"Scheitern als Chance 2000", so ähnlich hieß es mal bei Schlingensief. Wir leben die Version 2020. Auf die Chance warten wir noch."

2. Abschalten.

"Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß", sagte einst der große Fußballphilosoph Andreas Brehme. "Haste Corona vor der Tür und Schnee an den Scheiben, trieft dir noch das Wasser aus der Decke", sage ich Ihnen heute als minderbegabter Fußballer, profaner Denker und stark genervter Mieter. Das vermaledeite undichte Dach. Verdammte... Sie wissen schon.

Immerhin konnte mein früherer Mitbewohner dem Ganzen ein wenig Trost abgewinnen: "Du, manche kaufen sich für teuer Geld eine Regenwasserdusche. Du hast jetzt eine in der Küche, wo ja eh schon alles gefliest ist."

Ich kann Ihnen entsprechend sagen, was ich machen werde, wenn ich mit dieser Kolumne fertig bin: Ich werde also kurz in der Küche duschen und dann rausgehen, irgendwo ins Grüne, seelenruhig spazieren gehen. Und wenn gerade keiner da ist, losbrüllen, gerne auch mit Flüchen. Brandenburger auf dem Land sind da natürlich im Vorteil, aber das geht zum Glück im Wedding auch. Zum einen, weil es genügend Parks hat und zum anderen irgendwie immer auch ein paar Irre, mit denen der Rest schulterzuckend umgeht. Da fällt man dann nicht auf. So oder so, ich verspreche Ihnen eins: Das befreit ungemein. Wieso ich das weiß? Nun, ich mache einen Kampfsport, bei dem sich

- erwachsene Menschen anschreien

- mit Bambusstöcken gegenseitig auf den Kopf hauen (wir haben natürlich einen Schutzhelm an) 

- und am Ende trotzdem davon reden, dass Sie versuchen mit sich selbst in Einklang zu kommen.

Klingt bekloppt, ist es irgendwie auch, nennt sich aber Kendo. Und es hat mir in 25 meiner 30 Jahre irgendwie durch den Alltag geholfen.

Wenn Sie jedoch der frustrationstolerantere Typ sind oder gerade eher Harmonie brauchen, kann ich Ihnen die Aktion der Berliner Philharmoniker empfehlen, die gerade 600 Aufnahmen von sich für umsonst zur Verfügung stellen.

3. Und, wie geht's?

Heute sind wir dran und entsprechend lasse ich mal den Kollegen Jonas Bürgener erklären, wie das gerade so ist, unsere Social Media Kanäle von rbb|24 zu betreuen und selbst manchmal überwältigt zu sein.

Wer ich bin

Großstadtchaos statt Alpenpanorama, Brandenburger Seen statt britisches Meer. Haluka Maier-Borst war schon an ein paar Orten und hat immer die falsch-richtige Wahl getroffen. Für Berlin. Jetzt sitzt er im Wedding - und mehr oder weniger fest. Denn nach einer Reise in die Schweiz war er zunächst für zwei Wochen in Heimquarantäne. Und jetzt hält er sich natürlich auch an das Kontaktverbot. Jeden Tag gegen acht genehmigt er sich einen Absacker und eine kleine Pause von der Nachrichtenlage.

Ich erlebe in den Kommentaren auf der Homepage Verzweiflung, Verunsicherung, Ärger, aber auch Verständnis und Unterstützung. Ich glaube, die derzeitige Stimmungslage in Deutschland spiegelt sich da ganz gut wieder. Es gibt natürlich Menschen, die sich über das Handeln der Politik und der Behörden (gerade in der IBB-Thematik) beschweren. Es gibt aber auch aufbauende Kommentare, die die Politik - gerade im internationalen Vergleich - loben, zu Zusammenhalt aufrufen und Mut machen wollen.

Ich habe allgemein - also nicht nur bei den Kommentaren, aber auch - das Gefühl, dass mich die ganze Corona-Thematik schon mitnimmt und runterzieht. Ich brauche nach der Arbeit ein bisschen, um wieder auf andere Gedanken zu kommen. Ich gucke dann eine lustige Serie oder lese ein Buch, um wirklich gar nichts mehr mit der Nachrichtenlage zu tun zu haben - Twitter und Co. bleiben also erstmal aus. Dann geht es aber wieder und ich finde es am nächsten Tag spannend, mich mit einer so noch nie dagewesenen Situation auseinander zu setzen.

Wenn Sie auch uns sagen wollen, wie Sie mit der Situation jetzt umgehen. Oder wenn Sie ein Video von sich haben, wo Sie auch brüllen, dann schreiben Sie mir doch an haluka.maier-borst@rbb-online.de. Ich stell dann auch eins von mir beim Brüllen rein, versprochen.

4. Ein weites Feld...

Wie gesagt, sehen Sie es mir nach, aber die tropfende Decke hat mir heute den Rest gegeben. Aber wenn Sie mich gleich da draußen brüllen hören, erschrecken Sie nicht. Eigentlich bin ich ein ganz Netter.

Bis morgen, bleiben Sie drinnen und Prost, sagt

Haluka Maier-Borst

Artikel im mobilen Angebot lesen