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Quelle: rbb/Sabine Müller

Corona-Pandemie

Geimpft und trotzdem positiv

Es passiert in Berlin nur selten, dass sich Menschen, die durchgeimpft sind, mit Corona infizieren. 150 Fälle wurden bisher registriert - das zeigen Zahlen, die dem rbb exklusiv vorliegen. Eine der Betroffenen ist die Krankenschwester Marion Haase. Von Sylvia Tiegs und Sabine Müller

Marion Haase bekam ihre Corona-Nachricht Ende März. Es war nicht auf der Arbeit im Krankenhaus Waldfriede in Steglitz-Zehlendorf, wo sich die 61-jährige OP-Schwester routinemäßig zweimal die Woche testen lässt. Ihr Hausarzt hatte darauf bestanden, den Test zu machen, denn Haases Ehemann war an Corona erkrankt. Haase, die zusammen mit ihrem Mann schon in Quarantäne war, wurde vom Test-Ergebnis überrascht. "Ich war mir sicher, dass ich nicht positiv bin", erzählt sie. "Denn ich hatte definitiv gar nichts. Ich war gefühlt kerngesund". Seit Mitte Februar war Marion Haase durchgeimpft, zweimal Biontech/Pfizer.

Solche Fälle sind nicht ungewöhnlich, sagt das Robert-Koch-Institut, RKI. Auf rbb-Anfrage schreibt es: "Bei einer Wirksamkeit der Impfung in der Größenordnung von 80 bis 90 Prozent ist es zu erwarten, dass auch eine Reihe von Menschen trotz Impfung erkranken. Der Verlauf ist dann aber meist milder."

Im Krankenhaus Waldfriede infizierte sich noch ein weiterer durchgeimpfter Kollege. Es war ein leichter Verlauf, sagt der Leiter des Pandemie-Stabs, Prof. Dr. Carsten Büning.

Wenig registrierte Impfdurchbrüche

Mit ihrer Corona-Diagnose nach der Impfung gehört Marion Haase einem recht exklusiven Club an. Bis Mittwoch (21. April) meldeten die Gesundheitsämter dem Landesamt für Gesundheit und Soziales insgesamt 150 Fälle, in denen sich Menschen infizierten, deren Zweitimpfung mindestens 14 Tage zurücklag. Und das bei fast 300.000 zweifach Geimpften in der Stadt. Laut den Zahlen, die dem rbb exklusiv vorliegen, wurde 88 Mal zwar eine Infektion festgestellt, die Menschen hatten aber keinerlei Symptome. In 62 Fällen erkrankten sie, sechs Mal so schwer, dass sie ins Krankenhaus mussten. Auf die Intensivstation kam aber niemand.

Es kann auch anders laufen

Was aus Berlin bisher nicht bekannt ist, sind große Ausbrüche unter Geimpften wie der, von dem der rbb aus einem Heim in Brandenburg erfuhr. Es passierte in einer Wohngruppe eines mittelgroßen Heimträgers, dessen Leitung anonym bleiben möchte. Dort gab es vor kurzem einen Corona-Ausbruch mit 28 positiv getesteten Bewohner*innen, davon hatten 25 seit Anfang Februar die zweite Impfung. 19 Mitarbeiter*innen wurden positiv getestet, davon waren 10 zweifach geimpft. Alle Betroffenen hatten keine oder nur leichte Symptome.

Fallbeispiel Neukölln

Wie häufig kommen Impfdurchbrüche in meinem Bezirk vor? Das wollte Nicolai Savaskan, der Leiter des Gesundheitsamtes Neukölln, wissen. Er und seine Leute machten eine Stichprobe unter 500 Geimpften, zwei Drittel davon Heimbewohner*innen, ein Drittel Pflegepersonal. Nach der ersten Impfung wurden knapp unter zwei Prozent positiv getestet. Bei denjenigen, deren zweite Impfung unter vier Wochen her war, waren es 0,4 Prozent. Und bei denen, deren zweite Impfung mehr als vier Wochen her war, gab es keinen einzigen Fall. Schwere Verläufe gab es nicht.

Infektiös oder nicht?

Eine entscheidende Frage bei solchen Impfdurchbrüchen ist, ob die Betroffenen so stark mit Viren belastet sind, dass sie andere anstecken könnten. Krankenschwester Marion Haase weiß nicht, wie hoch ihre Viruslast zu Beginn ihrer Corona-Infektion war. Weil sie ohnehin schon in Quarantäne war, bestand aber zum Glück auch gar kein Risiko, andere anzustecken.

Haases Chef Carsten Büning beruft sich auf wissenschaftliche Studien, wenn er sagt, Geimpfte, die sich infizierten, hätten eine vierfach geringere Viruslast und könnten wahrscheinlich niemanden mehr anstecken.

Das Robert-Koch-Institut sagt dazu auf Nachfrage, die Viruslast bei Impfdurchbrüchen sei nicht systematisch untersucht. Sie variiere stark, berichtet werde aber meist von deutlich geringeren Viruslasten als bei ungeimpften Infizierten. Im Fall der Neuköllner Untersuchung lagen die Viruslasten der elf positiv Getesteten ganz knapp in dem Bereich, wo das Labor Menschen als "nicht-infektiös" einstuft.

Debatte über Lockerungen für Geimpfte

Betreiber von Pflegeheimen berichten dem rbb, dass sie viel Druck verspüren, jetzt, wo viele geimpft seien, Einschränkungen zu lockern. Bewohner*innen und ihre Familien hätten genug von dauernden Tests und vom Maskentragen und beklagten, es müsse doch vorangehen.

Quelle: rbb/Sabine Müller

Am Krankenhaus Waldfriede lockern sie bisher nicht für Geimpfte. Das geimpfte Personal muss sich genauso an alle Hygienemaßnahmen halten wie die ungeimpften Kolleg*innen. Davon gibt es übrigens etwa 20 Prozent. Und wer zum Besuch ins Krankenhaus kommt, muss vorher einen Corona-Schnelltest machen - egal ob ungeimpft oder geimpft. Chefarzt Carsten Büning sagt, bisher habe es keine Beschwerden gegeben.

Für Krankenschwester Marion Haase kommt die Debatte über Lockerungen zur Unzeit. Solange es für Millionen Menschen noch kein Impfangebot gebe, findet sie, könne man Geimpften nicht mehr Freiheiten geben.

Der Impfdurchbruch als Glücksfall

Weil Marion Haase sich trotz Impfung mit Corona infizierte, musste sie sich sarkastische Bemerkungen von ihrem Bruder anhören. Der ist ein "Anti-Corona-Mensch", wie sie es ausdrückt. Haases Chef beurteilt ihre Infektion ganz anders. Carsten Büning sieht einzelne Impfdurchbrüche in seinem Krankenhaus nicht als Problem, im Gegenteil: Er hat sie quasi freudig erwartet. Denn solche Fälle zeigten, dass man sich vor einer Corona-Infektion zwar nicht zu 100 Prozent schützen könne. Aber wer geimpft sei, habe meist einen leichten Verlauf oder sogar keine Symptome. Das, so Büning, sei die eigentliche Botschaft der Impfdurchbrüche.


Sendung: Inforadio, 22.04.2021, 6:20 Uhr

Die Kommentarfunktion wurde am 22.04.2021 um 15:40 Uhr geschlossen

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Beitrag von Sylvia Tiegs und Sabine Müller

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