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Quelle: rbb

Deutschland ohne Impfregister

Wer soll eine allgemeine Impfpflicht umsetzen?

Bereits im März könnte es eine allgemeine Impfpflicht geben. Ein Impfregister, wie in Österreich, will die Bundesregierung aber nicht. Welche Aufgaben damit auf die Gesundheitsämter zukämen, zeigt schon die Masern-Impfpflicht. Von E. Angeloudis, D. Donath und M. Pohl

Angesichts steigender Infektionszahlen wird die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht gegen Covid-19 immer vehementer gefordert. Geht es nach Bundeskanzler Olaf Scholz [br.de], gibt es sie spätestens Anfang März.

Am Gesundheitsamt Berlin-Mitte wird die Impfpflicht schon kontrolliert – allerdings nicht für Corona, sondern für die Masern. Seit März 2020 müssen Schulen und Kitas ungeimpfte Kinder an das Amt melden. 500 Verstöße gegen die Masern-Impfpflicht wurden bis jetzt gemeldet - darunter auch Erzieher:innen oder Lehrer:innen. Bußgeldbescheide stellen sie hier noch nicht aus - noch versucht man es mit Beratungsgesprächen.

Mitarbeiter, wie die Kinderärztin Elina Melnikowa, rufen dann die Eltern an. "Hier spricht Frau Dr. Melnikova, Gesundheitsamt Berlin-Mitte. Es geht darum, dass ich eine Meldung von der Schule bekommen habe, dass Ihr Sohn gegen Masern nicht geimpft ist." Ein Dutzend solcher Gespräche führt sie am Tag.

Vierte Corona-Welle

Debatte über Impfpflicht nimmt Fahrt auf

Ungeimpfte Corona-Patienten füllen die Intensivstationen, immer neue Infektionen kommen dazu, Kontaktbeschränkungen werden ausgeweitet: Die pandemische Lage spitzt sich wieder zu, und die Rufe nach einer Impfpflicht werden lauter.

Masern-Impfung als Vorbild

Amtsleiter Lukas Murajda kann bei hartnäckigen Verweigerern sogar ein Bußgeld aussprechen, bis zu 2.500 Euro. Die meisten zeigten sich aber einsichtig, sagt er. "Unsere Erfahrung ist es, dass Leute sich impfen lassen wollen", schildert er dem ARD-Magazin Kontraste seine Erfahrungen. "Nur vielleicht wussten sie nicht wie, wo oder dass sie überhaupt geimpft werden sollen."

Ähnlich könnte es nun auch bei Covid-19 laufen. In der Bevölkerung ist die Zustimmung zu einer Corona-Impfpflicht in letzter Zeit auch gewachsen: Inzwischen befürworten 67 Prozent eine allgemeine Impfpflicht - 43 Prozent waren es noch vor einem halben Jahr.

Eine Impfpflicht könnte zudem, laut Cornelia Betsch, Professorin für Gesundheitskommunikation an der Universität Erfurt, für viele eine Entscheidungshilfe sein. "Wir sehen, dass unter den Ungeimpften so ungefähr die Hälfte und ein bisschen mehr nicht impfbereitbereit ist", sagt sie Kontraste. Die anderen könne man noch erreichen. Für einige wäre es auch eine Entscheidungshilfe. "Ohne Gesichtsverlust lässt man sich impfen, ärgert sich kurz, dass man muss, aber am Ende sind dann doch mehr geimpft und wir kommen besser aus dieser pandemischen Situation raus."

Impfpflicht nur über 60?

Doch eine schnelle Entscheidung im Bundestag ist aus mehreren Gründen fraglich. Denn erst einmal heißt es: abwarten. Zuerst soll der Ethikrat bis Ende des Jahres eine Stellungnahme abgeben. Dort aber läuft die Diskussion noch; einzelne Mitglieder fordern, eine Impfpflicht nur auf die Gruppe der besonders Gefährdeten über 60 Jahren zu beschränken.

Eine Einschränkung, die Immunologe Carsten Watzl kritisch sieht. "Das Risiko für den Unter-60-Jährigen ist ja nicht null", sagt der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie. Auch unter 60 Jahren könnten Leute auf der Intensivstation landen. Dieses Risiko sei immer noch da und werde durch Omikron nicht kleiner, sondern größer. "Und von daher wäre es meiner Meinung nach sinnvoller, dann eine allgemeine Impfpflicht zu machen, als dass dann nur wieder auf die Über-60-Jährigen einzuschränken."

Impfregister auch in Deutschland rechtlich möglich

Unabhängig vom Alter stellt sich ein weiteres grundsätzliches Problem: In Deutschland gibt es anders als in Österreich kein Impfregister. Alle Ungeimpften sind den Behörden in Österreich bekannt. So können Ungeimpfte gezielt kontaktiert werden.

In Deutschland wurde kein Impfregister wie in Österreich aufgebaut - so weiß erstmal niemand, wer nicht geimpft ist. Alternativ könnte eine Impfpflicht durch Stichproben der Polizei kontrolliert werden. Das ist aber unpopulär, extrem aufwändig, unpraktikabel.

Dennoch hadert Olaf Scholz damit, ein Impfregister einzuführen. Der neue Bundeskanzler hat bereits klargemacht, dass er von der Schaffung eines Impfregisters zur Durchsetzung der Pflicht wenig hält [taz.de].

Dabei sagen Datenschützer, dass ein Impfregister, sehr wohl auch in Deutschland möglich wäre. "Aus Datenschutzsicht ist die Etablierung einer Impfpflicht und zur Durchsetzung dieser Impfpflicht, die Etablierung eines Registers, gar kein Problem", sagt Thilo Weichert von der Deutschen Vereinigung für Datenschutz. Die Verwaltung sollte aus seiner Sicht bei den Gesundheitsämtern des Landes liegen, damit die Vertraulichkeit dieser Daten gewahrt und so auch die Akzeptanz der Bevölkerung sichergestellt werde.

Gesundheitsämter mit Quarantäne-Bescheiden überlastet

In den Gesundheitsämtern, wie in Berlin-Mitte, winkt man ab. Schon jetzt sei man ausgelastet mit den vielen Quarantäne-Bescheiden wegen Corona. 390 solcher Quarantäne-Bescheide liegen nur an diesem Tag vor. Die Vorgaben verlangen, dass fast alles über den Postweg abgewickelt werden muss.

Eine Mitarbeiterin kommt bereits um 6 Uhr morgens, um die Bescheide bis halb acht in die Briefumschläge einzulegen, zu frankieren und selber in den nächstgelegenen Postbriefkasten zu werfen. Über den dienstlichen Briefweg würde das sonst sieben Tage dauern - zu lange für eine Quarantäne, die zehn Tage dauert.

Dazu auch noch die Kontrolle und Sanktion der Corona-Impfpflicht? "Wir sind derzeit absolut überlastet und können somit keine neue Aufgabe übernehmen", sagt Amtsleiter Murajda.

Sendung: Kontraste, 16.12.2021, 21:45 Uhr

Beitrag von Efthymis Angeloudis, Daniel Donath und Markus Pohl

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