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Video: rbb|24 | 28.01.2022 | Material: Abendschau | Quelle: dpa/Matthias Tödt

Nur Nichtinfizierte in Notunterkünften

Obdachlosenhilfe gerät wegen Omikron-Welle an ihre Grenzen

Wohnungslose Menschen, die sich mit Corona infizieren, bekommen keinen Einlass mehr in einer Notunterkunft. Doch die für sie geschaffenen Quarantänestationen sind überfüllt und viele Mitarbeitende der Einrichtungen selbst erkrankt. Von Jenny Barke

Der Januar hat für Tanja Schmidt nicht gut angefangen. An einem Tag meldeten sich zwei Mitarbeitende krank, weil sie Corona haben. Für die 14 Tage ihrer Quarantäne fielen 21 Schichten aus. Nur mit viel Organisation und Umdisponierung konnte die Leiterin der Notunterkunft des Straßenfeger e.V. für die Tage andere Mitarbeitende finden, sonst hätte sie die Einrichtung in Pankow schließen müssen.

Doch die Sorge bleibt: Fast täglich erreichen sie seitdem neue Meldungen von positiv getestetem Personal, meist ehrenamtliche Freiwillige. Wenn sie keinen Ersatz für die Krankgemeldeten findet, können 28 Gäste dann nicht mehr in der Notunterkunft übernachten. "Die Situation ist im Moment kaum noch zu bewältigen."

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Täglich positiv getestete Gäste

Nach Angaben der Koordinierungsstelle der Berliner Kältehilfe musste wegen der Omikron-Welle erst einmal dieses Jahr eine Unterkunft über Nacht schließen, ansonsten konnte bei allen Trägern der Betrieb aufrechtgehalten werden. Doch viele Einrichtungen arbeiten wie der Straßenfeger e.V. an der Belastungsgrenze.

Nicht nur beim Personal, auch unter den wohnungslosen Menschen breitet sich Omikron rapide aus. Um zu verhindern, dass sie Corona-positiv in den Notunterkünften übernachten, sind die Testkapazitäten aufgestockt worden. Seit vergangener Woche testet die Kältehilfe der Berliner Stadtmission ihre Gäste täglich, statt wie zuvor nur zwei Mal die Woche. Meist ist eine positiv getestete Person dabei, sagt Sprecherin Barbara Breuer. Zunächst werden sie isoliert, bis ein PCR-Testergebnis vorliegt. Dann werden sie zu einer der Quarantänestationen geschickt, die für diesen Fall geschaffen worden sind.

Quarantänestationen teils überlastet

Insgesamt 130 Quarantänebetten stehen inzwischen in Berlin zur Verfügung - für schätzungsweise 7.000 bis 9.000 Wohnungslose. Die größte und einzige Quarantänestation mit medizinisch geschultem Personal befindet sich in der Lietzenburger Straße. Nicht an allen Abenden gelingt es Breuers Team von der Kältehilfe der Stadtmission, die infizierten Gäste an die Quarantänestationen zu vermitteln: "Ich weiß, dass es punktuell schon einmal zu Engpässen gekommen ist, dass da Kolleginnen und Kollegen von Notübernachtungen die Rückmeldung bekommen haben: 'Tut uns leid, wir können keine weiteren Patienten aufnehmen, wir sind voll'."

Tanja Schmidt vom Straßenfeger e.V. erreichte teilweise die Beschäftigten der Quarantänestationen nicht einmal, oftmals sei die Telefonleitung überlastet gewesen. Zudem sei die Kommunikation schwierig: "Da heißt es erst, ein Platz wird reserviert. Dann ist der plötzlich nicht mehr reserviert." Manchmal falle auch der Kältebus aus, der die Corona-infizierten Obdachlosen zu den Quarantänestationen fährt.

Neue Quarantänestation ohne Substitutionsangebot

Damit erkrankte Wohnungslose nicht in der Kälte übernachten müssen, will Berlin demnächst die Zahl der Quarantänebetten mindestens auf 300 Plätze verdoppeln. Kai-Gerrit Venske von der Caritas Wohnungslosenhilfe hofft, dass die neue Station auch eine Betreuung für alkohol- und drogenabhängige Infizierte anbietet. Dafür braucht es medizinisch geschultes Personal. Das gab es bei der bisherigen Isolier- und Quarantänestation der Berliner Stadtmission. Doch der Senat entschied sich für eine Neuausschreibung. Der neue Betreiber der Quarantänestation an der Lietzenburger Straße sei in der Wohnungs- und Obdachlosenhilfe bisher ein Unbekannter, sagt Venske.

"Der neue Betreiber stellt nicht dasselbe Portfolio sicher, wie der alte, etablierte Betreiber es getan hat. Zum Beispiel können dort keine heroinabhängigen Obdachlosen aufgenommen und substituiert werden." Venske fordert, dass dies dringend geändert wird. Die Folge: suchtmittelabhängige Corona-Infizierte würden aus Angst vor einem Entzug nicht in Quarantäne gehen.

Wunsch nach unbürokratischer und vorausschauender Hilfe

Um auf die dynamische Omikron-Lage besser eingehen zu können, fordern die drei Expertinnen und Experten der Wohnungslosenhilfe, dass der Senat noch schneller, vorausschauender und unbürokratischer hilft. "Ich habe bis dato noch nicht gehört, dass mehr Hotels angemietet werden, um mehr Quarantänebetten bereitzustellen", sagt Tanja Schmidt vom Straßenfeger e.V.

Barbara Breuer von der Berliner Stadtmission hat allerdings auch positive Erfahrungen gemacht. Das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf habe im vergangenen Winter innerhalb von wenigen Stunden 18 Menschen in Hostels und Hotels untergebracht. "Es muss also nicht immer eine Katastrophe ausbrechen, wenn eine Unterkunft geschlossen wird", so Breuer. Außerdem macht ihr in der schwierigen Omikron-Lage eines Hoffnung: Unter den Wohnungslosen sind ihren Angaben nach viele geimpft, so seien viele vor schweren Covid-Verläufen geschützt.

Sendung: Inforadio, 27.01.2022, 15:31 Uhr

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