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Angebliche Gesuche von Pflegekräften

Was hinter den Stellenanzeigen von Ungeimpften stecken könnte

Eine rbb-Recherche zeigt: In einem kostenlosen Anzeigenblatt im Raum Bautzen stehen dutzende Stellenanzeigen von angeblich ungeimpften Pflegekräften mit gefälschten Daten. Stehen echte Schicksale dahinter - oder ist es Stimmungsmache?

Glaubt man den Stellengesuchen in einem kleinen Bautzener Anzeigenblatt vom Samstag, ist die Flucht der Ungeimpften aus dem Gesundheitswesen bereits Realität. 126 Anzeigen sind dort aufgegeben worden, allesamt offenbar von Klinik-Mitarbeitern, von Physiotherapeuten, Krankenschwestern oder -pflegern. Alle Anzeigen haben eine Gemeinsamkeit: Sie sind angeblich von Ungeimpften aufgegeben worden, die mit der kommenden Impfpflicht für Mitarbeiter des Gesundheitswesens ab Mitte März um ihren Job fürchten. Eine weitere Gemeinsamkeit: Viele Anzeigen sind offenbar gefälscht.

Eine rbb-Recherche hatte ergeben, dass einige der angegebenen Telefonnummern nicht vergeben oder ausgedacht sind. Lediglich eine Krankenschwester meldete sich, um zu sagen, dass es sich bei den Anzeigen um eine konzertierte Protestaktion handele. Ein Ehepaar, das ebenfalls Inserate geschaltet hatte, erklärte dem rbb, man stehe vorerst nicht zu einem Interview bereit. Man wolle sich in der Gruppe, die ihren Angaben zufolge aus medizinischem Personal bestehe, zunächst besprechen. Die Gruppe plane allerdings weitere, medienwirksame Aktionen. Ob es sich wirklich um Mitarbeiter des Gesundheitswesens handelt, lässt sich nicht überprüfen.

"Ich dachte, das ist ja krass..."

Stellengesuche ungeimpfter Pflegekräfte führen ins Leere

Gibt es eine Flucht von Ungeimpften aus dem Gesundheitswesen? Andreas Rausch hat mehr als 100 vermeintliche Stellengesuche in einem Bautzener Anzeigenblatt gefunden. Und versucht, die Menschen hinter den Anzeigen zu sprechen. Ohne Erfolg.

Verlag: Anzeigen sind echt

In einer Stellungnahme verurteilt der herausgebende Verlag das Fälschen von Telefonnummern in den Stellenanzeigen. In der Erklärung heißt es aber auch, dass sämtliche Anzeigen von Privatpersonen aus dem Verbreitungsgebiet der Zeitung stammten. Die meisten Inserate seien über ein Online-Portal aufgegeben und per Lastschrift bezahlt worden. Es habe allerdings auch persönliche Aufträge gegeben, die bar bezahlt worden seien. Die Anzeigen seien alle geprüft worden, es habe keine Verstöße gegen die Richtlinien des Verlages gegeben. Einige Stellengesuche hätten eindeutige politische Botschaften enthalten, diese seien nicht veröffentlicht worden.

Am Montag hätten sich zahlreiche Menschen beim Verlag gemeldet, die die Inserate angeblich aufgegeben haben. Sie hätten, so der Verlag, Angst vor ihren Arbeitgebern und daher die Kontaktangaben verfälscht. Sie alle hätten dem Verlag aber versichert, tatsächlich im Gesundheitswesen zu arbeiten.

Der Verlag weist Anschuldigungen zurück, er habe die Anzeigen selbst eingebracht. Diese waren aufgekommen, weil auf der Titelseite der betreffenden Zeitung wohlwollend über Proteste gegen die Corona-Regeln berichtet worden war.

"Stellen ohne Spritze"

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Mit der nahenden Impfpflicht für Beschäftigte in Gesundheitsberufen wächst der Druck auf Ungeimpfte. Explizit für sie entstehen jetzt Jobbörsen im Netz. Dort inserieren auch Berliner Arbeitgeber - sogar Pflegeheime und Arztpraxen sind dabei. Von Marcel Trocoli Castro und Jenny Barke

Brandenburg: 84 Prozent der Mitarbeitenden geimpft

Droht dem Gesundheitswesen nun also wirklich eine Abwanderungswelle von Mitarbeitern, die ungeimpft sind und Angst vor ihren Arbeitgebern haben? rbb-Nachfragen bei verschiedenen Arbeitsagenturen bestätigen das bislang nicht. Dort gibt es keine verstärkten Meldungen von Gesundheitsmitarbeitern. Das bestätigt auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft auf Nachfrage.

Nach Angaben des Brandenburger Gesundheitsministeriums ist der überwiegende Teil der Mitarbeiter im Gesundheitswesen geimpft. So haben nach aktuellem Stand rund 84 Prozent der Mitarbeiter einen vollständigen Impfschutz. Eine Massenabwanderung wegen der Impfpflicht ist demnach unwahrscheinlich.

Auch die Gewerkschaft Verdi sieht keine große Verunsicherung bei den Beschäftigten im Gesundheitswesen - unter anderem auch wegen der hohen Impfquote. Das sagte Gewerkschaftssekretär Ralf Franke dem rbb. Ein kleiner Teil der Mitarbeiter trete allerdings auch an die Gewerkschaft heran, die nicht nur ungeimpft seien, sondern auch Meinungen verbreiteten, die nicht wissenschaftlich belegt seien. Das seien allerdings Einzelfälle. Verdi sehe eine Impfpflicht durchaus kritisch, so Franke, obwohl bei den Mitgliedern für die Corona-Schutzimpfung geworben werde.

#Wiegehtesuns? | Sozialarbeiterin in Berlin

"Etwa die Hälfte meiner Kollegen im Sozialamt ist ungeimpft"

Elisabeth S. arbeitet beim Sozialamt und betreut Klienten, die zu den vulnerablen Gruppen gehören. Viele leben in präkerer Situation und sind ungeimpft. Letzteres gilt auch für viele von Elisabeths Kollegen - die zudem Verschwörungsmythen verbreiten. Ein Gesprächsprotokoll.

Nonnemacher: "gezielte Kampagne"

Die Brandenburger Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) zeigte sich am Montag erschüttert über die "offenbar gezielte Kampagne". "Ich will nicht verkennen, dass es offenbar Pflegekräfte gibt, die sich nach einer neuen Arbeit umgucken, aber es ist doch sehr ungewöhnlich, dass man dann inseriert, in irgendwelchen Anzeigenblättchen, komischerweise in den Regionen, die Hochburgen der Impfgegner und Corona-Leugner sind", so Nonnemacher.

Sorgen bereiteten die Inserate auch Markus Klein vom Brandenburgischen Institut für Gemeinwesenberatung, Demos. Für ihn sei es ein Versuch, die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Man könne davon ausgehen, dass diese Anzeigen ganz bewusst gesetzt worden sind. "Ich vermute eine Kampagne dahinter, denn es braucht schon ein paar Überlegungen im Vorfeld", so Klein.

Sendung: Antenne Brandenburg, 24.01.2022, 16:10 Uhr

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