"Ich dachte, das ist ja krass..." - Stellengesuche ungeimpfter Pflegekräfte führen ins Leere

Sa 22.01.22 | 18:05 Uhr
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Andreas Rausch telefoniert im Januar 2022 Stellengesuche eines Bautzener Anzeigenblatts ab. (Quelle: rbb)
Bild: rbb

Gibt es eine Flucht von Ungeimpften aus dem Gesundheitswesen? Andreas Rausch hat mehr als 100 vermeintliche Stellengesuche in einem Bautzener Anzeigenblatt gefunden. Und versucht, die Menschen hinter den Anzeigen zu sprechen. Ohne Erfolg.

Freitagabend in einem beschaulichen Örtchen der sächsischen Oberlausitz, ein Familientreffen in kleinem Kreis, Neuigkeiten werden herumgereicht, irgendwann landet eine Zeitungsseite auf dem Tisch. "Schau dir das mal an", sagt mein Schwiegervater. Als ich das Anzeigenblatt in der Hand halte, denke ich, das ist ja krass! Unter der Rubrik "Stellenmarkt und Bildungsangebote" listet der Oberlausitzer Kurier in der Lokalausgabe Bautzen 126 Stellengesuche auf, komplett aus dem Gesundheitswesen, von der Krankenschwester über den Altenpfleger bis zur Physiotherapeutin.

Impfpflicht im Gesundheits- und Pflegebereich steht bevor

Alle eint vorgeblich die gleiche Not: Sie suchen einen neuen Job, weil ihnen ihr eigener zum 16. März verloren geht. Denn sie sind, das schreiben sie in Teilen in Versalien oder zumindest fett hervorgehoben, ungeimpft. Ich mache ein Foto und veröffentliche das auf Twitter. Es scheint mir einen Trend zu bestätigen, die bevorstehende Impfpflicht im Gesundheits- und Pflegebereich hatte uns in der aktuellen Redaktion Cottbus erst vor ein paar Tagen intensiver beschäftigt. Da ging es um einen teilweisen Aufnahmestopp in der Altenpflege, weil manche Heime schon jetzt unter zu wenig Personal leiden und durch den Exodus der Ungeimpften, deren genaue Zahl niemand kennt zum jetzigen Zeitpunkt, die Pflege und Betreuung der Patienten nicht mehr gewährleistet wäre.

Stellengesuche eines Bautzener Anzeigenblatts am 21.01.2022. (Quelle: rbb/Andreas Rausch)Auszug der Anzeigen. Wir haben alle Nummern unkenntlich gemacht, auch wenn der Autor bei den ausgewählten durchweg nicht bei den vermeintlich Arbeitsuchenden durchkam.

"Ich wähle ihre Nummer und habe eigentlich gar keine Ahnung, was ich sie fragen will"

Kaum ist der Tweet draußen, wird fleißig geteilt und kommentiert. "Fake!" schallt es aus manchem Kommentar. Das seien gezielte Aktionen aus speziellen Telegram-Gruppen, gesteuert, um die Menschen weiter zu verunsichern. Andere sind leiser und äußern sich eher besorgt. Mich lässt das ganze nicht wirklich gut schlafen.

Am Samstagmorgen beschließe ich, dem ganzen etwas auf den Grund zu gehen. Meine Methode ist simpel. Ich will telefonieren. Ich lese mir alle 126 Annoncen durch und streiche mir besonders bemerkenswerte hervor. Entweder, weil sie emotional sind, oder weil dahinter eine Geschichte zu stecken scheint. Journalistische Basisarbeit, nichts besonderes. Ich wundere mich, dass nahezu drei Viertel der Anzeigen mit Handynummern versehen sind, der Rest läuft unter Chiffre, es gibt auch ein paar Festnetzanschlüsse darunter.

Unter einem solchen findet sich eine Fachkrankenschwester für Anästhesie und Intensivmedizin, 37 Berufsjahre hat sie, schreibt sie, davon hätte sie offenbar die letzten beiden auf einer Covid-Station verbracht, wegen "Bewahrung ihres natürlichen Immunsystems" sucht sie einen neuen Job. Ich wähle ihre Nummer und habe eigentlich gar keine Ahnung, was ich sie fragen will. Mal sehen, was passiert. Es passiert...nichts. Es klingelt. Und klingelt. Und klingelt.

Rückruf unmöglich

Ich habe vier weitere Gesuche rausgepickt, allesamt mit Handynummern versehen, alle ungeimpft, alle aus diesem Grund auf der Suche nach Arbeit, eine examierte Krankenschwester mit "40 ungekündigten Berufsjahren" ist auch handwerklich begabt. Ich lasse es klingeln, bis ein Mann ans Telefon geht, der mich fragt, was er für mich tun könne. Bevor ich es rausbringen kann, hat er wieder aufgelegt.

Eine Hebamme ist mein nächstes Ziel, deren Nummer, sagt eine freundliche Stimme, ist leider nicht vergeben. Unvollständig wiederum ist die Nummer einer Physiotherapeutin, 34 Jahre. Schade, denke ich. Und sehe, dass eine Spalte weiter ein Rettungssanitäter, ebenfalls 34-jährig, die exakt selbe Nummer zu besitzen scheint, ebenso unvollständig.

Eine Krankenpflegerin, die ein neues Betätigungsfeld sucht, inseriert unter der schönen Telefonnummer 0160-1234567890. Wow, denke ich, das ist ja cool. Uncool allerdings, dass diese Nummer gar nicht vergeben ist. Rückruf also unmöglich. Gleiches widerfährt mir mit der Krankenschwester, die "mit Herz und Verstand" aber nicht vergebener Telefonnummer auf der Suche nach einem neuen Job ist. Auch ein Krankenpflegehelfer, der gleich mit zwei Handys ausgestattet zu sein scheint, hätte gern Nach-Impfpflicht-Perspektive. Auch er - nicht erreichbar.

Artikel "In der Sorge vereint" eines Bautzener Anzeigenblatts am 21.01.2022. (Quelle: rbb/Andreas Rausch)

Titelseite würdigt Demonstration in Bautzen

Ein paar Anrufe schaffe ich dann doch noch, allerdings folgt auf Dauertuten entweder ein Besetztton oder eine Mobilbox-Ansage - die allerdings konsequent anonym, ohne Namen oder persönlichen Hinweis. Am Ende habe ich eine knappe dreiviertel Stunde telefoniert. Oder es versucht. Gern hätte ich mit jemandem über seine Ängste gesprochen, seine Motivation. Aber es ist mir nicht geglückt.

18 Annoncen habe ich stichprobenhaft durchtelefoniert, möglicherweise sind unter den anderen noch reale Fälle mit ernsten Nöten und Sorgen, ich habe leider unter denen, die ich willkürlich herausgepickt habe, kein Glück gehabt.

Als ich die Zeitung zuklappe, sehe ich auf der Titelseite einen Artikel mit der Überschrift "In der Sorge vereint" über die letzte Bautzener Demonstration, die nach Autorenmeinung eine Stimmung wie 1989 verströmt hätte und bei der, jetzt staune ich wirklich, zahlreiche Beschäftigte der Gesundheits- und Pflegebranche gewesen sein sollen, die da für den Erhalt ihrer Jobs demonstriert hätten.

Merkwürdiger Zusammenhang, wenn man nach Umschlagen der Titelseite vor der Wand von Inseraten steht. Ich kann mir schon vorstellen, dass dies den Leser in der Oberlausitz verunsichert und besorgt macht. Mich hat es auch geflasht. Jetzt denke ich, wie beruhigend das gute alte Telefonieren doch sein kann.

Was die Impfpflicht im Gesundheitswesen wirklich bewirkt, werden wir wohl erst Mitte März genauer wissen. Nach dem Studium von Anzeigenblättchen sicher nicht.

Sendung: Brandenburg aktuell, 23.01.2022, 19:30 Uhr

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134 Kommentare

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  1. 134.

    Das war ja mal ein angenehmer Meinungsaustausch - sachlich und sehr informativ - ohne Gemecker über Politiker und -innen, ohne Gezänk und Besserwisserei. Geht also, wenn ma sich Mühe gibt.
    Wünsche allen einen guten Start in die neue Woche ...

  2. 133.

    für mich ist diese Show einfach nur nervender kranker Leerdenker-Sch*iß

  3. 132.

    Danke für den Link. Also kein Einzelfall. Ich kann mir aber kaum vorstellen, dass sich die MPen und die Gesundheitsminis von dieser Fake-Kampagne beeindrucken lassen.
    Wer weiß denn, ob hinter diesen Telegram-Gruppen tatsächlich Pflege- und Krankenhauspersonal steckt, und nicht irgendweiche Reichsbürger und/oder Aluhut-Träger? Und wird nicht auch von Russland aus auf diesem Messenger-Dienst gegen Impfkampagnen und sogar gegen Sputnik V gehetzt?

  4. 131.

    Möglicherweise verstehen Sie Kritik falsch.
    Es geht nicht bloß darum ein paar Durchgeknallten falsche Stellengesuche als Kavaliersdelikt nachzuweisen. Das ist in sich und auch formaljuristisch nur auf diesen Sachverhalt eingegrenzt kaum von belang.

    Selbstverständlich kann man auch als Privatperson bei der verantwortlichen Redaktion /Geschäftsführung des Anzeigenblatts nachrecherchieren. Aber das erfordert zum einen Mut und zum anderen hat man als Privatperson weder Struktur, noch Ausbildung, die einem Rückendeckung bieten kann.
    Immerhin handeln jene die aus solch kleinteilig-aufwändigen Lügenaktionen Nutzen ziehen und ziehen wollen, mit erheblicher krimineller Energie. Man will sich nicht vorstellen, wozu die bereit sind, geht es um wesentlich mehr als "nur" bisschen Stimmung und Propaganda gegen eine Impfkampagne.
    Was ich hier lese (und selber meine): Lieber RBB24 - bleibt dran und erzählt uns, ob Bewerber um öffentliche Wahlämter verwickelt sind.

  5. 130.

    Der Presserat sagt doch auch nur "Du, du"...

    Soll ja Ex Bild Chefredakteure geben, die noch mehr Rügen vom Presserat sammeln, als Höschen von Praktikantinnen...

  6. 129.

    Danke für den Hinweis.
    Aber genau so was hätte ich gerne...ausrecherchiert.
    Was sagt denn dieser Geschäftsführer des Anzeigenblattes dazu? Verantwortlich im Sinne des Pressegesetzes.
    Es ist mühsam. Aber genau sowas muss da lokal in der Lokalpolitik zum Thema gemacht werden. So viel Aufreger hat die Lokalpolitik ja nun wirklich nicht zu bieten. Ist aber worüber man so spricht im Ort.
    Die schalten sogar offenbar gefakte Anzeigen, während sie "Lügenpresse" rufen.
    Deshalb also. Die anderen lügen angeblich immer, also ist das offenbar..."Widerstand" Seit 5:45 Uhr wird jetzt zurückgelogen....

    Allein die öffentliche Diskussion darüber, ob, wer, was da vielleicht strafbar ist hätte schon gute Wirkung.
    Muss ja nicht immer jemand in den Knast, damit wir alle uns mal auf Standards in Diskurs, Entscheidungsfindung und Kompromissbereitschaft einigen.

  7. 128.

    https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/corona-stellenanzeigen-ungeimpfte-pflegepersonal-102.html#xtor=CS5-62

  8. 127.

    Das dieser RBB Bericht so eingeschlagen hat, indem bis 19:42 bereits 118 Kommentare zu verzeichnen sind, dass kann dem Verfasser eigentlich nur erfreuen. War wirklich interessant diese zu lesen, egal in welche Richtung. Ich bin froh, dass es Impfungen gibt, aktuell gegen Covid19 ! Als Kind hätte ich mir gerne eine Impfung gegen die Polio gewünscht, gab es aber leider damals noch nicht. Wünsche jedenfalls allen, bleibt gesund!

  9. 126.

    Leider arbeiten einige wenige einigermaßen erfolgreich daran, mit falschen Behauptungen Ängste zu schüren. Und leider ist ein erheblicher Teil derjeniger, die diese Lügen glauben, für Sachargumente kaum oder schon gar nicht mehr zugänglich. Das macht leider einen sachlichen Dialog mittlerweile schwierig bis gefühlt unmöglich.

  10. 125.

    Ich schreibe es gerne noch einmal an alle Kritiker*, die die b Recherche des rbb24-Reporters gnadenlos kritisieren: BESSER MACHEN ! Noch besser; Sie bieten dem rbb24-Team Ihre sooo hochgepriesenen Erfahrungen dem rbb24-Team an und liefern daher seriöse und vorzeigbare Recherchen und Ergebnissen sowohl dem rbb24-Team als auch den geneigten Lesern/ Leserinnen dieses Forums an . Alle Gewerke brauchen Menschen, die alles können und alles (besser ?) wissen ! AUF GEHT'S !
    JETZT ! SOFORT ! ! !
    Danke

  11. 124.

    https://www.alles-lausitz.de/ich-bin-fuer-das-impfen-aber-gegen-die-impfpflicht.html

    Insgesamt ein eher Impfkritisches Medium. Ein Arzt der mit den Sinusvenenthrombosen um die Ecke kommt, obwohl diese bei den aktuellen verwendeten mRNA Impfstoffen überhaupt keine Rolle spielen. Naja...nicht die einzige fachliche "Ungenauigkeit"...

    Wer sind denn die Partner?

  12. 122.

    Danke für den Link - lese ich mir morgen ausführlich durch.
    Das war's, worauf ich noch getestet wiurde: Polyethylenglykol (PEG)!
    Also, Testergebnis: Histamin positiv (6 mm Pustel), Comirnaty positiv (2 mm), sechs verschiedene PEGs negativ und Spicvax auch negativ. Impfempfehlung: zweimal 0,25 ml mit 30-minütigem Abstand unter ärztlicher Notfallbereitschaft.
    Jetzt bin ich gespannt, ob die 2. Boosterimpfung dann mit Novavax möglich ist.

  13. 121.

    Gerne ,Fakten:
    Sämtliche Maßnahmen und Einschränkungen dien(t)en von Anfang an dem Zweck eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern. Hierzu ist es relativ egal wie viele sich infizieren, sondern wie viele schwer erkranken. Die Impfung schützt in erster Linie vor schwerer Erkrankung, und erst in zweiter Linie vor Infektion( wie z.b. ein Motorradhelm auch nicht davor schützen soll das man stürzt, sondern dass man sich beim Sturz schwer verletzt).
    Inzwischen sind grob drei Viertel der Bevölkerung geimpft. Auf den Covid-Intensivstationen machen aber die ungeimpften rund drei Viertel der Patienten aus.
    Hätten diese Ungeimpften sich also Impfen lassen, hätten wir noch nicht einmal halb so viele Intensivpatienten, wären meilenweit von einer Überlastung entfernt, und hätten somit schon längst sämtliche Maßnahmen zur Eindämmung beenden können!

  14. 120.

    Also, ich hab nur soviel herausbekommen, weil ich eine Apothekerin, die Zugang zu Fachinformationen der Hersteller hatte, konsultiert habe:
    Die COVID-19-Vakzine und das Taxol aus Paclitaxel für die Chemotherapie bei Karzinomen sind nicht wasserlöslich. Damit sie aber als Injektion verabreicht werden können, braucht es ein Lösungsmittel. Und da wird bei BioNTech und bei Moderna eben dieses Macrogol...tralala verwendet.
    Welches PET (irgendwas mit Polyethylen) AstraZeneca als Lösungsmittel verwendet, weiß ich nicht. Mir hat die federführende Ärztin bei meinem ersten Termin im Vorgespräch erklärt, mit ner Anaphylaxie auf Paclitaxel/Macrogolglycerolricinoleat darf ich nur mit Vaxzevria von AstraZeneca geimpft werden.

  15. 119.

    Kann ausgeschlossen werden, dass der Verlag erfundene Anzeigen veröffentlicht hat?

  16. 118.

    Hahaha, Sie haben die Ironie nicht bemerkt, Touche.
    Aber schön, alles gleich wieder mit Ihrem neuen Lieblingswort abzutun. Steht das überhaupt im Duden oder ist der Ursprung dessen im Osten?

  17. 117.

    https://www.pei.de/DE/newsroom/positionen/covid-19-impfstoffe/stellungnahme-allergiker.html

    Auf jeden Fall keine Kontraindikation. Die LNPs in Comirnaty ähneln auch nur den bekannten. Wirklich viel eingesetzt sind die nicht, außer bei Krebstherapien, um bestehenden Allergien aus dem Weg zu gehen. Die Massenanwendung in Comirnaty hat eigentlich keine massenweise allergischen Schocks verursacht.

    Ich hab selbst starke Pollenallergien, aber die sind sowieso irrelevant. Zusätzlich habe ich in den letzten Jahren beruflich bedingt einige klassische Sensibilisierungen auf klassische Allergieauslöser wie CIT oder BIT bekommen.

  18. 116.

    Ich bin leider nicht weiter gekommen, als dass Focus und tag24 über die rbb-Reportage berichteten:
    https://www.tag24.de/thema/coronavirus/fake-aktion-suchen-etliche-pflegekraefte-wegen-impfpflicht-eine-neue-stelle-2299657
    Und dieses Käseblatt ist voll auf den Zug aufgesprungen:
    https://www.bautzenerbote.de/jobsuche-im-gesundheitswesen-in-der-oberlausitz/
    Der Oberlausitzer Kurier, der Bautzener Bote und die AfD, Landtag Sachsen und Landkreis Bautzen, müssen irgendwie verbandelt sein. Wäre schön, wenn die rbb-Redaktion da dran bleiben würde.

  19. 115.

    Die LNP in den mRNA Impfstoffen sind doch ganz anders aufgebaut als Macrogolglycerolricinoleat (ein Polyalkylenglycolether). Soll es da Kreuzallergien geben oder wie?

    Eigentlich sind die LNPs doch auch in der Krebstherapie DIE Alternative für Allergiker, als Ersatz für das Macrogolglycerolricinoleat.

    Aber dann schau ich mal weiter...