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Quelle: imago images/K. Schmitt

Schlechte Kommunikation und Gerüchte

Wieso viele Frauen unnötig vor der Corona-Impfung verunsichert werden

Moderna-Arm, Astrazeneca-Fieber – viel ist über Impfreaktionen gesprochen worden. Doch welchen Effekt die Impfung auf den weiblichen Zyklus hat, wurde lange ebenso schlecht kommuniziert wie die Studienlage zur Sicherheit des Impfstoffs für Schwangere. Von Haluka Maier-Borst

Jung, schwanger, ungeimpft – und dann auf der Covid-Intensivstation. Immer wieder musste man über diese Fälle lesen [zeit.de/Bezahlinhalt] oder Berichte sehen [youtube.com]. Und auch wenn Omikron milder zu verlaufen scheint, macht die niedrige Impfquote unter Schwangeren Expertinnen und Experten Sorgen.

Sie sehen vor allem zwei Gründe für die Zweifel bei jungen Frauen gegenüber dem Pieks. Zum einen sei vor allem zum Anfang der Impfkampagnen die Datenlage unklar gewesen. Zum anderen habe man über die seltenen Komplikationen extrem schlecht kommuniziert, sagt die britische Immunologin Victoria Male vom Imperial College in London. "Monate später höre ich immer noch, dass die Impfstoffe der weiblichen Fruchtbarkeit schaden würden, obwohl wir genau wissen, dass das nicht so ist."

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Wie aus einer Vorsichtsmaßnahme ein Gerücht wurde

Zurückführen lässt sich wohl ein großer Teil der Verunsicherung auf eine reine Vorsichtsmaßnahme rund um die Impfstoffe. Wie auch bei anderen Medikamenten wurden anfänglich Schwangere aus den Zulassungsstudien ausgeschlossen. Und das führte zu der sich hartnäckig haltenden, falschen Behauptung, dass die Impfungen unfruchtbar machen oder Schwangeren schaden könnten. Aber schon die Zulassungsstudien zeigten, dass dem nicht so ist.

In der Gruppe von geimpften Probandinnen und Probanden und in der Kontrollgruppe, die lediglich ein Placebo bekommen hatten, traten bei den Frauen etwa gleich häufig ungeplante Schwangerschaften auf [nature.com]. Seitdem haben zahlreiche Studien mit speziellem Fokus auf Schwangere bestätigt, dass die Impfstoffe sicher für Schwangere sind.

Eine davon zum Beispiel erschien im Juni 2021 im renommierten "New England Journal of Medicine" [nejm.com]. Sie zeigte, dass bei mehreren tausend geimpften Schwangeren es nicht häufiger zu Komplikationen kam als es auch sonst der Fall gewesen wäre. Und doch führte der anfängliche Mangel an Daten unter anderem dazu, dass die Ständige Impfkommission (Stiko) des Robert-Koch-Instituts noch bis Anfang September wartete, um Impfungen für Schwangere zu empfehlen.

Impfung kann sogar Ungeborenes schützen

Rückblickend könne man laut Forscherin Victoria Male zwei Sachen aus den Fehlern lernen. Zum einen sei es wichtig, bei einem gesellschaftlich-medizinischen Notfall wie der Pandemie von Anfang an auch Schwangere bewusst in die Studien aufzunehmen. "Wir haben dafür etablierte, ethische Richtlinien, die wir bei Ebola-Medikamenten zum Beispiel genutzt haben", sagt sie.

Zum anderen sei es wichtig, dass man eben bei der Impfkampagne sich gut überlege, wie man die Risiken kommuniziert und abwägt. "Dass man in Großbritannien anfangs von offizieller Seite einfach gesagt hat, wenn du schwanger bist, dann lass dich nicht impfen – das schadet uns bis heute", sagt Male. Und das obwohl wissenschaftlich untermauert ist, dass Schwangere durch eine Covid-19-Infektion ein erhöhtes Risiko tragen [thelancet.com] und inzwischen Studien sogar darauf hindeuten, dass geimpfte Schwangere ihr ungeborenes Kind gleich mitschützen, weil sie Antikörper über die Nabelschnur weitergeben [medrxiv.org].

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Wie der weibliche Zyklus beeinflusst wird

Aktuell wiederholt sich aber in gewisser Weise das Daten- und Kommunikationsproblem ein weiteres Mal – nämlich wenn es um die Auswirkungen der Impfung auf den weiblichen Zyklus geht. So gibt es immer wieder Berichte darüber [riffreporter.de], dass bei Frauen kurz nach der Impfung die Periode aussetzt. Die tatsächliche Datenlage dazu ist aber zwischen den Ländern höchst unterschiedlich.

Während in Großbritannien über 36.000 geimpfte Frauen über Beschwerden bei der Menstruation klagten [bmj.com], nachdem etwa 48 Millionen Menschen vollständig geimpft waren, sind es in Deutschland deutlich weniger. Das deutsche Paul-Ehrlich-Institut wies im Sommer in einer Sonderauswertung nur 135 solcher Zwischenfälle aus bei etwa 31 Millionen vollständig geimpften Menschen [pei.de].

EMA will Einfluss der Impfung auf Menstruation prüfen

Die Immunologin Male sieht in den weit auseinander klaffenden Zahlen einen Beweis dafür, dass Überinterpretation und Untererfassung aktuell das Bild verzerren. Überinterpretation mitunter, weil auch Unregelmäßigkeiten in der Peiode erfasst würden, die es auch ohne die Impfung gegeben hätte. Und teilweise massive Untererfassung, weil nicht spezifisch genug bei Frauen nach dieser Art von Nebenwirkungen gefragt werde. Das könnte die deutlich niedrigeren Zahlen speziell in Deutschland erklären. Und auch wenn die Zyklusstörungen nach zwei Monaten wieder aufhören, würde dies nach Males Ansicht weiter zur Verunsicherung beitragen.

Immerhin: Der europäische Ausschuss für Risikobewertung, ein Tell der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA), hat erst am 11. Februar verkündet, dass man sich dieses Problems annehmen wolle [ema.europa.eu]. Man wolle sich genauer anschauen, wie oft es im Zusammenhang mit den Impfungen zu Menstruationsbeschwerden komme. Dafür sollten alle erhältlichen Studiendaten und Meldungen aus nationalen Registern eingesammelt werden. Auch das deutsche Paul-Ehrlich-Institut wird an diesen Nachforschungen beteiligt sein, wie es auf Anfrage von rbb|24 erklärte.

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Beitrag von Haluka Maier-Borst

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