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Quelle: dpa/Arne Dedert

NRW-Verfassungsschutz erhebt Vorwürfe gegen Berlin

Berliner LKA teilte Ende der Amri-Überwachung wohl nicht mit

Das Berliner Landeskriminalamt hat offenbar die Beobachtung des späteren Terroristen Anis Amri eingestellt, ohne die anderen Sicherheitsbehörden zu informieren. Dies kritisiert nun der Verfassungsschutzchef von Nordrhein-Westfalen. Von Jo Goll und Susanne Opalka

"Wir wussten zu keinem Zeitpunkt, dass das Berliner Landeskriminalamt die Observationsmaßnahmen gegen Anis Amri eingestellt hat. Hier muss zukünftig mehr Klarheit und Verbindlichkeit in den Absprachen her." Mit diesen Sätzen überraschte Burkhard Freier, Leiter des Verfassungsschutzes NRW, am Mittwoch die Abgeordneten im Amri-Untersuchungsausschuss des Düsseldorfer Landtags.

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Sicherheitsbehörden haben Amri teils falsch eingeschätzt

Der Bericht ist 102 Seiten lang und als geheim eingestuft: Das Parlamentarische Kontrollgremium kommt zu dem Ergebnis, dass die Gefahr durch Anis Amri nicht immer richtig bewertet wurde. Vor allem hätten weitere Behörden mit einbezogen werden sollen.

"Berlin deutete Ende der Observation nur an"

Freier berichtete darüber, wie man sich am 15. Juni 2016 in einer Sitzung des Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrums GTAZ von Bund und Ländern mit den Vertretern des Berliner Landeskriminalamtes über Amri ausgetauscht habe. "Die Berliner Kollegen haben dort lediglich angedeutet, dass sie überlegen, die Überwachung von Amri einzustellen. Das haben wir so aber nie verbindlich erfahren", sagte Freier.

Mit Blick nach Berlin fügte der Verfassungsschutzchef von Nordrhein-Westfalen hinzu: "Das muss besser werden, es muss verbindlich und nachhaltig erklärt werden: Mach' ich was oder mach' ich nichts."

Freier räumt falsche Beurteilung Amris ein

Zuvor drückte Freier sein Bedauern über den Anschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz kurz vor Weihnachten aus. Man sei sich des Leids der Hinterbliebenen bewußt und versuche nun alles, um in der Bewertung sogenannter Gefährder besser zu werden.

Klar sei, dass in der Bewertung der Person Anis Amri Fehler gemacht wurden. Seine Behörde habe sich mit Amri regelmäßig beschäftigt. In einem so genannten Jour fixe habe das LKA Nordrhein-Westfalen seinen Mitarbeitern und ihm regelmäßig über Amri berichtet. "Alle Informationen flossen eins zu eins auch zu uns, doch die Polizei war bezüglich Amri klar in der A-Position. Wir haben uns mit eigenen Maßnahmen zurückgehalten", sagte Freier.

Den operativen Teil habe man daher weitgehend den Ermittlern des LKA überlassen. Nach Warnhinweisen des marokkanischen Geheimdienstes im  Oktober 2016 habe sein Amt eine technische Ortung von Amri vorgenommen, um zu erfahren, wo er sich aufhalte. Klar sei, dass man bei der Vielzahl islamistischer Gefährder immer wieder priorisieren und die Gefahrenlage ständig neu bewerten müsse.

Keine Behörde übernahm Koordination

Strafrechtlich habe man bei Amri nie einen richtigen "Anpack" gefunden. "Er hat immer nur geredet, aber nie gehandelt. Dann nimmt man andere Personen in Visier, die man für gefährlicher hält", so Freier weiter.

Insgesamt bedauerte Freier, dass im Fall Amri keine Behörde von sich aus zum Ende des Jahres 2016 an Amri dran geblieben sei und damit eine koordinierende Funktion übernommen habe. Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln habe diese Aufgabe nicht an sich gezogen. "Das ist eine Holschuld, keine Bringschuld", stellte Freier fest.

Auf die Frage, ob Amri ein V-Mann des Verfassungsschutzes gewesen sei, entgegnete Freier mit einem klaren Nein. "Es gibt eine klare Regel: Wir sprechen keine Gefährder an, auch nicht Leute, gegen die ein Strafverfahren läuft."

Sendung: Abendschau, 29.03.2017, 19.40 Uhr

Beitrag von Jo Goll, Susanne Opalka

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