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Video: Abendschau | 10.11.2017 | Norbert Siegmund | Quelle: dpa/Britta Pedersen

Sonderermittler zu Amri-Überwachung

"Ein wacheres Auge wäre angebracht gewesen"

Falsche Entscheidungen und mangelhafte Koordination: Laut Sonderermittler Bruno Jost ist im Vorfeld des Berliner Anschlages vieles bei der Polizei schief gelaufen. Der frühere Staatssekretär Bernd Krömern dagegen bestreitet strukturelle Probleme.

Bei der Überwachung des Terroristen Anis Amri im Sommer 2016 wusste bei der Berliner Polizei nach Einschätzung von Sonderermittler Bruno Jost die rechte Hand nicht, was die linke macht. Observation und Telefonüberwachung seien nicht abgestimmt gewesen, sagte Jost am Freitag im Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses zum Terroranschlag auf dem Berliner Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche. Zudem seien die Mitarbeiter, die ihn observiert hatten, nie Samstags oder Sonntags unterwegs gewesen. Amri habe sie zudem auch abgeschüttelt.

Drogenhandel hätte zu Festnahme führen können

Der frühere Bundesanwalt Jost (66) war vom Senat eingesetzt worden und hatte seinen Abschlussbericht bereits im Oktober öffentlich vorgestellt. Aus der Telefonüberwachung Amris in Berlin ergaben sich laut Jost immer mehr Hinweise auf gewerbsmäßigen Drogenhandel. Doch die bis Mitte Oktober 2016 mögliche Observierung - zunächst wegen eines anderen Verdachts - habe die Polizei schon am 15. Juni eingestellt. "Warum, ist mir nicht klar geworden", so Jost. Auch wer es anordnete, sei offen geblieben.

Es wäre nach Einschätzung von Jost möglich gewesen, den Verdacht des gewerbsmäßigen Drogenhandels zu untermauern. "Das hätte zu einer Festnahme führen können." Die Generalstaatsanwaltschaft trage eine Mitverantwortung. Sie sei zwar erst später über die eingestellte Observierung informiert worden, habe aber in dem Verfahren nicht bei der Polizei nachgefragt. "Ein wacheres Auge wäre angebracht gewesen", sagte Jost.

Staatsekretär Krömer: "Sehe keine strukturellen Probleme"

So kritisch Jost mit der Berliner Polizei auch ins Gericht ging - der frühere Innenstaatssekretär Bernd Krömer ließ sich davon nicht beeindrucken. Im LKA 5 habe es in den vergangenen Jahren "erhebliche Personalverstärkung gegeben", sagte Krömer. "Strukturelle Probleme sehe ich nicht." Im Herbst 2015 seien Menschen unkontrolliert ins Land geströmt und die Zahl der Gefährder seitdem sprunghaft angestiegen, sagte Krömer. "Man hätte vermutlich gar nicht so schnell Personal akquirieren können, dass es der Vielzahl an Gefährdern entsprochen hätte.

Die vorgezogene Einstellung von Amris Observierung bezeichnete Krömer als "schwierig". Er selbst habe aber vor dem Attentat vom 19. Dezember nie von Amri gehört.

Krömer war im September schon einmal vor den Untersuchungsausschuss geladen gewesen, hatte sich aber krank gemeldet. Für Diskussionen hatte gesorgt, dass er zwei Tage später beim Berlin-Marathon mitgelaufen war.

Anschlag jährt sich am 19. Dezember

Der islamistische Attentäter war am 19. Dezember 2016 mit einem gekaperten Laster auf den Berliner Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz gerast. Zwölf Menschen starben. Amri war der Polizei lange zuvor als Drogenhändler und potenzieller Islamist bekannt und auch mehrfach festgenommen worden. Durch eine Reihe von Behördenpannen in mehreren Bundesländern wurde Amin weder in U-Haft genommen noch ausgewiesen.

Sendung: Inforadio, 10.11.2017, 12.00 Uhr

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