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Quelle: imago/S.Zeitz

A100-Verlängerung, Enteignungen und Wahlen

Welche Ausfahrt nimmt die Berliner SPD?

Die Berliner SPD wählt an diesem Sonntag ihr Führungsteam neu. Zittern müssen die beiden Landesvorsitzenden Franziska Giffey und Raed Saleh nicht. Beim Reizthema A100 könnte die Partei dem Führungsduo aber in die Parade fahren. Von Jan Menzel

Die A100 ist für die Berliner SPD ein Parteitagsklassiker. Natürlich ging und geht es dabei um moderne Verkehrspolitik und das "Auto" als liebstes Kind der Deutschen, aber auch ein bisschen um Macht. Es gab sogar mal einen Regierenden Bürgermeister, Klaus Wowereit, der sein ganzes Gewicht in die Waagschale werfen musste, um seine Partei auf Autobahnkurs zu bringen. 2010 war das und zwölf Jahre später sieht sich Wowereits Nach-Nachfolgerin Franziska Giffey wieder mit dem starken Wunsch ihrer Partei konfrontiert, eine weitere Verlängerung der A100 ein für alle Mal zu den Akten zu legen.

Giffeys Haltung zur A100 für viele Genossen zu halbherzig

Doch Giffey vermeidet - anders als Wowereit - klare Kante und legt sich nicht auf ein eindeutiges "Ja" oder "Nein" in der Autobahn-Frage fest. Stattdessen verweist sie darauf, was die SPD bei ihrem letzten Parteitag beschlossen hat. "Wir wollen zu dieser Frage noch mal in die Bürgerbeteiligung gehen und wir wollen die Stadtgesellschaft dazu befragen." In der nächsten Zeit stehe ohnehin keine Entscheidung an. Schließlich sehe der Koalitionsvertrag vor, dass Berlin in dieser Legislaturperiode nichts unternehme, um die A100 gen Friedrichshain zu verlängern.

Dem Parteinachwuchs Jusos ist das zu halbherzig und viele Sozialdemokarten besonders in der Innenstadt wollen da auch nicht mehr mitgehen. So stellen die Genossen aus Friedrichshain-Kreuzberg einen Antrag mit dem Titel "Keine weitere Planung für 17. Bauabschnitt der A 100" zur Abstimmung. Andere wie Mathias Schulz, stellvertretender SPD-Kreischef in Mitte, haben die zahlreichen Beispiele für Stau und Verkehrsprobleme vor Augen. "Der Bezirk Mitte kennt das Ende von Autobahnen", sagt Schulz mit Blick auf die A100, die mehr oder minder abrupt in der Seestraße endet. Diese Erfahrung zeige, dass "mehr Straßen nicht zu weniger sondern zu mehr Autoverkehr führen und keine Entlastung bringen".

Antrag soll auf Parteitag beschlossen werden

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A100 nicht das einzige Streitthema

Die Debatte um die A100 dürfte auch deshalb etwas robuster ausfallen, weil es nicht das einzige Verkehrsthema ist, bei dem Parteispitze und Basis in verschiedene Richtungen unterwegs sind. Die SPD in Mitte setzt sich aktuell dafür ein, testweise autofreie Kieze im Bezirk einzurichten. Darauf angesprochen rollt die Regierende Bürgermeisterin und SPD-Landesvorsitzende die Augen: "Es reicht nicht zu sagen, den einen Kiez machen wir schön und was drumherum passiert, ist dann Kollateralschaden." Man müsse auch darauf achten, welche Auswirkungen das auf die Umgebung der autofreien Kieze habe, gibt Giffey zu bedenken. Dort lebten schließlich auch Menschen.

Ein anderes potentiell konfliktträchtiges Thema konnte die Parteitagsregie dagegen gerade noch rechtzeitig entschärfen. Die Jusos hatten zunächst ein sehr klares Bekenntnis zum Volksentscheid und zur Enteignung großer Wohnungsbaukonzerne gefordert. Es gehe bei der Arbeit der dafür eingesetzten Senats-Kommission "nicht mehr um das Ob der Umsetzung, sondern um das Wie", so die Formulierung in einem Antrag des Parteinachwuchses. Der Mutterpartei SPD hielten die Jusos vor, den Volksentscheid zu verschleppen und damit dem Willen der Wählerinnen und Wähler nicht nachzukommen. "Das können wir so nicht akzeptieren und rügen die Landesregierung, und insbesondere die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus."

Wunsch nach Zusammenhalt

In der überarbeiteten Fassung der Antragskommission des Parteitags sind nun allerdings weder die harschen Worte an Senat und Fraktion noch überbordende Solidaritätsadressen in Richtung der Immobilien-Enteigner zu finden. Der neue Antrag fordert nur noch "eine transparente und verfassungskonforme Prüfung" des Volksentscheids. Das ähnelt dann noch schon sehr dem Wording der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey.

Dennoch wissen Giffey und Saleh sehr genau um die Stimmung in der Partei. Dort gibt es einige, die sich eine ausgeprägtere linke Politik wünschen. Die Kritiker von Giffey und Saleh haben auch zur Kenntnis genommen, dass sie von den Landesvorsitzenden ausgebootet worden sind. Die Landesvorsitzenden haben ein neues Team aus Stellvertretern und einem Landeskassierer zusammengestellt, das ausschließlich aus Vertrauten und Getreuen besteht.

"Die SPD tritt sehr geschlossen auf", beschreibt Co-Landesvorsitzender Raed Saleh die Ausgangslage vor dem Parteitag. Franziska Giffey spricht von einem Zusammenspiel in der SPD wie "aus einem Guss." Der echte Stimmungstest steht dem Führungsduo mit ihrer Wiederwahl als Landesvorsitzende aber noch bevor. Auch wenn Giffey und Saleh keine Gegenkandidaten haben, werden die Ergebnisse wohl nicht so gut wie vor anderthalb Jahren ausfallen. Damals erhielt Franziska Giffey fast 90 Prozent der Stimmen. Ihr Co-Landesvorsitzender Raed Saleh kam auf knapp 69 Prozent.

Sendung: rbb24 Abendschau, 18.06.22, 19:30 Uhr

Beitrag von Jan Menzel

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