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Audio: rbb24 Abendschau | 12.11.2022 | Dorit Knieling + Gespräch mit Franziska Giffey (SPD) | Quelle: Jörg Carstensen/dpa

Landesparteitag der Berliner SPD

Ab in die Mitte

Noch hat der Landesverfassungsgerichtshof nicht entschieden. Aber die Berliner Parteien stellen sich auf eine Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl ein. Die SPD bringt sich mit ihrem Landesparteitag in Position - mit Eigenlob und Watschn. Von Jan Menzel

Die Hälfte ihrer Redezeit ist vorbei, da holt Franziska Giffey den Waschlappen heraus. "Wir machen keine Waschlappen-Politik", ruft die Regierende Bürgermeisterin und SPD-Landesvorsitzende in den Saal und Applaus brandet auf. Dazu muss man wissen: Lieber waschen als duschen, war der Ratschlag eines grünen Spitzenpolitikers in der Energiekrise. Für Giffey ist dieser Tipp jedoch keine Hilfe, sondern Hohn. Es gebe schließlich sehr viele Menschen, die würden sich die ganze Zeit überlegen, wie und wo sie sparen könnten.

Der Waschlappen ist in dieser Rede nicht das Einzige, was Giffey den Grünen um die Ohren haut. Auch die grüne Verkehrssenatorin Bettina Jarasch bekommt in Sachen autofreie Friedrichstraße einen mit. Modellprojekte, die nicht funktionierten, passten nicht in eine Metropole, lässt Giffey die mögliche Konkurrentin im Kampf um das Rote Rathaus wissen, ohne sie beim Namen zu nennen. "Wer steht für Blütenträume und wer steht für pragmatische Politik?", fragt sie und markiert die Linie, entlang der die SPD in diesen Wahlkampf ziehen will.

Fragen und Antworten

Das sollten Sie zu den Wahlwiederholungen in Berlin wissen

Die Pannen-Wahl von 2021 soll wiederholt werden. Mitte Februar wählen Berlinerinnen und Berliner erneut das Abgeordnetenhaus, die Bundestagswahl wird später wiederholt. rbb|24 klärt die wichtigsten Fragen.

Giffey steht mittendrin

Die Ausgangslage bei diesem lange vorbereiteten Parteitag ist für die SPD und ihre Spitzenfrau etwas tricky. Die Regierende Bürgermeisterin noch einmal offiziell zur Spitzenkandidatin küren und den Wahlkampf mit Pauken und Trompeten einläuten, verbietet sich. Denn noch hat das oberste Berliner Gericht seine Entscheidung nicht verkündet. Gleichwohl stellen sich alle im politischen Berlin darauf ein, dass die Richter am Mittwoch verfügen: Die Abgeordnetenhauswahl muss wiederholt werden.

Aber wohin die Reise geht, soll natürlich schon klar werden. Dafür hat die Parteitagsregie auch am Bühnenbild gearbeitet. In der Kongresshalle des Neuköllner Estrel-Hotels sind alle Stuhlreihen um die runde Bühne in der Mitte herum gruppiert. Franziska Giffey steht, mit Headset und im blauen Kostüm, wo sie am liebsten steht: mittendrin. Und sie sagt einen Satz, den sie in den Wochen bis zur wahrscheinlichen Wahl noch öfter sagen wird: "Wir stehen für die ganze Stadt." Während die anderen eher Politik für ihr jeweiliges Wählerklientel machen würden, so die Implikation.

Finanzmittel eingeplant

Berliner 29-Euro-Ticket geht in die Verlängerung

Das bundesweite Neun-Euro-Ticket soll eigentlich einen Nachfolger bekommen - doch Bund und Länder streiten über die Kosten. Der Berliner Senat hat angekündigt, dass daher die lokale Übergangsvariante für 29 Euro noch einmal verlängert wird.

SPD will mit 29-Euro-Ticket punkten

Programmatisch setzt die SPD dabei ganz auf die Senatspolitik der Regierenden Bürgermeisterin. Der im breiten Konsens erarbeitet Leitantrag liest sich streckenweise wie ein Best-of aus den Senatspressekonferenzen der jüngsten Zeit. Da ist das Neustart-Programm, mit dem die Berliner Wirtschaft nach der Corona-Zeit wieder auf Kurs gebracht wurde. Giffey zählt auf, dass Polizisten eingestellt werden, der Wohnungsneubau weitergehen soll und die Schulbauoffensive Fahrt aufnehme. Gerade erst hat sie die Sanierung der völlig maroden Pankower Schule am Europasportpark zur Chefinnensache gemacht.

Besonders energisch reklamiert die SPD-Landesvorsitzende das 29-Euro-Ticket für sich und ihre Partei. "Das war unsere Idee", ruft Giffey in den Saal und weckt Hoffnungen, dass es dieses günstige Ticket nicht nur bis Ende März sondern für länger geben könnte. Ein Schelm, wer dabei nicht schon an den nächsten Wahlkampfschlager denkt. Passend dazu trudelt just zur gleichen Zeit die Pressemitteilung ein, dass die rot-grüne-rote Koalition den geplanten Nachtragshaushalt aufstocken wird. Rund drei Milliarden Euro stark soll dieser Etat nun sein. Das sind 400 Millionen Euro mehr als zuletzt geplant und das vergrößert den finanziellen Spielraum für die kommenden Jahre.

Berliner Abgeordnetenhaus muss noch zustimmen

Rot-Grün-Rot erweitert Nachtragshaushalt auf drei Milliarden Euro

Der Senat will den Berlinerinnen und Berlinern durch die Energiekrise helfen. Das Gesamtvolumen für die geplanten Entlastungen ist noch einmal deutlich gestiegen. Nun muss das Abgeordnetenhaus am Montag über die Mittel abstimmen.

Fraktionschef Raed Saleh hatte am Samstag im rbb24 Inforadio gesagt, es gehe darum, dass Berlin für alle Menschen bezahlbar bleibe. Er wolle nicht, dass Menschen auswandern müssten. Auch wolle er keine weitere Gentrifizierung in Berlin, so Saleh. Es sei wichtig, dass Berlin in seiner Vielfalt erhalten bleibe. Deshalb müssten die Menschen weiter entlastet werden. Kein anderes Bundesland nehme dazu so viel Geld in die Hand wie Berlin.

"Klammer zwischen Spandau bis Hellersdorf"

Fast noch wichtiger als Geld und Programmatik ist für Giffey, dass dieser Parteitag ein Debakel wettmacht. Im Juni hatte die Regierende Bürgermeisterin bei ihrer Wiederwahl als Landesvorsitzende mit nicht einmal 60 Prozent einen veritablen Denkzettel verpasst bekommen. Gemessen am Applaus nach ihrer Rede und der 100-prozentigen Zustimmung zum Leitantrag "Berlin packt das" sind diese parteiinternen Differenzen im Angesicht der Wahl hintenangestellt. Selbst die Parteilinke und der Parteinachwuchs Jusos geben sich handzahm.

Als Gastredner hatte SPD-Bundesarbeitsminister Hubertus Heil für diese Geschlossenheit geworben, die Parteiseele gestreichelt und eine Lobeshymne auf die Regierende Bürgermeisterin angestimmt, die in dem Satz gipfelte: "Es gibt keine Bessere." Vor allem dürften die Parteifreunde eines nicht vergessen, gab ihnen der Niedersachse Heil mit auf den Weg: "Die Berliner SPD ist die Klammer zwischen Spandau und Hellersdorf, zwischen Reinickendorf und Britz. Ihr seid die Berlin-Partei."

 

BerlinTrend

SPD nur noch drittstärkste Kraft in Berlin - Grüne weiter vorn

Die schwindende Wählergunst der SPD macht sich auch in der Hauptstadt bemerkbar: Laut aktuellem BerlinTrend rutschen die Sozialdemokraten auf den dritten Platz - hinter die CDU. Die Grünen würden weiterhin die meisten Stimmen bekommen.

In den jüngsten Umfragen war die SPD von diesem Anspruch aber noch relativ weit entfernt. "Platz eins ist gut, da wollen wir hin, oder?", scherzt Franziska Giffey in ihrer Rede. Der Spitzenplatz bezog sich aber auf ein aktuelles Städte-Ranking. Darin kommt Berlin im Vergleich mit mehreren Metropolen auf einen beachtlichen zweiten Platz. Siegerstadt wurde Barcelona. Dorthin wolle sie im Frühjahr reisen und sich anschauen, was sich von den Katalanen lernen lässt, kündigt die Regierende Bürgermeisterin an. Vorher muss sie aber wohl noch eine Wahl gewinnen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 12.11.2022, 18:00 Uhr

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Beitrag von Jan Menzel

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