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Audio: rbb24 Inforadio | 08.11.2022 | Natascha Gutschmidt | Quelle: dpa/Wolfram Steinberg

Gemeinsame Recherche

Berliner LKA-Beamter hatte Kontakt zu Rechtsextremisten

Ein Berliner LKA-Beamter und ein Rechtsextremer sind in einem Brandenburger Verein organisiert, dessen Mitglieder sich als Kosaken sehen und enge Beziehungen nach Russland unterhalten. Von Andrea Becker und Georg Heil

Ein Beamter des Berliner Landeskriminalamts (LKA) wurde aus der Abteilung für den polizeilichen Staatsschutz versetzt, zudem wurde ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet. Dies ergeben Recherchen das ARD-Politikmagazins Kontraste vom rbb zusammen mit der "Zeit" und dem russischsprachigen Online-Medium "Meduza".

Kontraste-Recherche

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Tipp vom Berliner Verfassungsschutz: Reisen nach Russland und Belarus

Dem Berliner Beamten Michael B. wird vorgeworfen, über Jahre private Reisen nach Russland und Belarus nicht wie vorgeschrieben beim LKA angezeigt zu haben, wozu er gesetzlich verpflichtet gewesen wäre. Zudem steht seine Versetzung offenbar auch mit seinem Kontakt zu einem Rechtsextremisten in Zusammenhang. Auf Anfrage dazu teilte B. Kontraste, "Zeit" und "Meduza" mit, er wolle sich dazu nicht äußern und sagte, "ich melde immer alles".

Mit der Versetzung des Beamten erlosch auch seine erweiterte Sicherheitsüberprüfung, mit der er Zugang zu als "geheim" eingestuften Dokumenten haben durfte. Zuletzt war B. im Staatsschutz offenbar mit der Bereitstellung von Akten zum Attentat vom Breitscheidplatz für die Politik betraut.

Das LKA wurde nach Informationen von Kontraste, "Zeit" und "Meduza" durch den Berliner Verfassungsschutz auf den Vorgang aufmerksam, das Amt übermittelte dem LKA auch ein Foto: es zeigt den Polizisten B. mit Jörg S., einem polizeibekannten Mann, der als rechtsextrem gilt. Jörg S. und der LKA-Beamte sind mindestens zweimal, 2017 und 2020, gemeinsam mit anderen nach Belarus gereist – dies belegen Fotos. Eine weitere Reise führte sie mit anderen nach Russland.

Netzwerk Nordkreuz: Vorbereitungen auf den "Tag X"

Jörg S. gilt als Teil des rechtsextremen "Nordkreuz"-Netzwerks, das 2017 öffentlich bekannt wurde. Darin hatten sich rund 50 Personen, darunter Polizisten und aktive und ehemalige Bundeswehrsoldaten, zusammengeschlossen, um sich auf einen "Tag X", an dem die Ordnung in Deutschland zusammenbrechen werde, vorzubereiten. Einige Nordkreuz-Mitglieder hatten illegale Schießübungen abgehalten und Depots angelegt, in denen auch gestohlene Polizei-Munition gelagert wurde.

Nordkreuz-Mitglieder sollen auch über politische Morde diskutiert haben. Bis heute laufen noch Gerichtsverfahren wegen Waffendelikten, Jörg S. ist jedoch kein Beschuldigter. Inzwischen hat S. allerdings keine Waffenbesitzkarte mehr, mit der er legal Waffen besitzen darf.

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Polizist und Rechtsextremer in Kosaken-Verein aktiv

Die Reisen der beiden Männer haben mit einem in Neuenhagen ansässigen "Verein für Völkerfreundschaft" zu tun, dessen Vorsitzender und Mitbegründer der Polizist Michael B. war. Der Verein setzt sich unter anderem für die Freiheit von Julian Assange ein, besonderes engagiert ist man jedoch im Hinblick auf Russland.

In einem Schreiben an die Mitglieder, unterzeichnet von Michael B., heißt es 2017 über die Kampfhandlungen in der Ostukraine: "Hier wird einem russisch geprägten Volk das Recht auf Souveränität und Eigenbestimmung genommen, es ist und bleibt ein Genozid an der russisch-stämmigen Bevölkerung in der Ostukraine". Der Verein sammle Spenden, "um hier zur Unterstützung beizutragen".

Kontakte zu russischen Paramilitärs

Die Vereinsmitglieder bezeichnen sich laut interner Unterlagen als "Kosaken" und sehen sich offenbar in der Tradition der russischen Kosaken. Der Verein für Völkerfreundschaft ist nach Informationen von Kontraste, "Zeit" und "Meduza" mit der sogenannten "Großen Don Armee" vernetzt, einer paramilitärischen russischen Kosaken-Gruppierung, die 2014 in der Ukraine kämpfte. Deutsche Sicherheitsbehörden nehmen die Verbindung des Vereins zu den russischen Paramilitärs auch im Hinblick auf mögliche Verbindungen zu russischen Nachrichtendiensten sehr ernst.

In einem inzwischen gelöschten Eintrag auf der Webseite des Vereins heißt es 2018, der Verein arbeitete an einem "Alarmplan", dabei ginge es darum, wie man im Notfall kommunizieren könne. Anfang 2020 gründeten Mitglieder des Vereins einen Schützenverein, Gliederungen des Völkerfreunde-Vereins werden im Militär-Jargon als "Stäbe" bezeichnet. Michael B. wird von belarussischen Kosaken mit dem militärischen Kosaken-Rang "Ataman" bezeichnet.

Der Berliner Polizist Michael B. ist in sozialen Medien sehr aktiv, dort teilte er fremdenfeindliche und islamophobe Inhalte sowie Posts von Pegida, der russischen "Sputnik News" und der AfD. In einer Facebook-Gruppe namens "Putinisten" wetterte er gegen das "Scheindemokratieparlament" der EU. Im Sportverein des deutschen Bundestags leitete der Polizist B. eine Karategruppe.

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Treffen in russisch-orthodoxem Kloster in Götschendorf

Vereinsmitglieder trafen sich wiederholt in einem russisch-orthodoxen Kloster in Götschendorf im Landkreis Uckermark, so auch im Oktober 2020 – dort nahmen sie an einer Gedenkveranstaltung für Alexander Schmorell teil, ein deutsch-russischer Widerstandskämpfer gegen Nazi-Deutschland, der in der russisch-orthodoxen Kirche als Heiliger verehrt wird. Bilder von der Veranstaltung zeigen, dass auch Jörg S. anwesend war.

2021 nahm auch der AfD-Politiker Gunnar Lindemann, der den Wahlkreis Marzahn-Hellersdorf im Abgeordnetenhaus vertritt, an einem Treffen in Götschendorf teil. Lindemann, der nach der russischen Annexion der Krim mehrfach öffentlichkeitswirksam auf die ukrainische Halbinsel reiste, wurde vom Verein für Völkerfreundschaft die "Freundschaftsmedaille 2. Klasse" verliehen.

Auf Anfrage von "Zeit", Kontraste und "Meduza" teilte Michael B. mit, zu den Verstrickungen von Jörg S. in das Nordkreuz-Netzwerk könne er nichts sagen, da er Nordkreuz gar nicht kenne. Wie er Jörg S. kennengelernt habe, dazu äußert sich B. nicht. Nach den Anfragen verschwindet die Facebook-Seite des Vereins.

Jörg S. teilt Kontraste, "Zeit" und "Meduza" mit, Kosaken seien für ihn "christlich orthodoxe Soldaten", der Verein für Völkerfreundschaft sei ein Wohltätigkeitsverein, auch Kampfsport sei ein verbindendes Element. Auffällig ist, dass sich in dem Verein mehrere ehemalige DDR-Bürger mit polizeilicher oder militärischer Vergangenheit sammeln. So diente Jörg S. als junger Mann im Stasi-Wachbataillon "Feliks Dzierzynski", Polizist Michael B. begann seine Laufbahn 1984 bei der DDR-Volkspolizei.

Jörg S. erklärte, er selbst gehe davon aus, dass es Kräfte gäbe, die die Gesellschaft destabilisieren wollen und dass dahinter der Feind stehe – wer genau der Feind sei, wollte er nicht sagen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 08.11.2022, 18 Uhr

Beitrag von Andrea Becker und Georg Heil, Mitarbeit: Henrike Reintjes

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