Gemeinsame Recherche - Berliner LKA-Beamter hatte Kontakt zu Rechtsextremisten

Di 08.11.22 | 17:05 Uhr | Von Andrea Becker und Georg Heil, Mitarbeit: Henrike Reintjes
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Ein Schild weist auf das Landeskriminalamt der Polizei in Berlin hin. (Quelle: dpa/Wolfram Steinberg)
Audio: rbb24 Inforadio | 08.11.2022 | Natascha Gutschmidt | Bild: dpa/Wolfram Steinberg

Ein Berliner LKA-Beamter und ein Rechtsextremer sind in einem Brandenburger Verein organisiert, dessen Mitglieder sich als Kosaken sehen und enge Beziehungen nach Russland unterhalten. Von Andrea Becker und Georg Heil

Ein Beamter des Berliner Landeskriminalamts (LKA) wurde aus der Abteilung für den polizeilichen Staatsschutz versetzt, zudem wurde ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet. Dies ergeben Recherchen das ARD-Politikmagazins Kontraste vom rbb zusammen mit der "Zeit" und dem russischsprachigen Online-Medium "Meduza".

Tipp vom Berliner Verfassungsschutz: Reisen nach Russland und Belarus

Dem Berliner Beamten Michael B. wird vorgeworfen, über Jahre private Reisen nach Russland und Belarus nicht wie vorgeschrieben beim LKA angezeigt zu haben, wozu er gesetzlich verpflichtet gewesen wäre. Zudem steht seine Versetzung offenbar auch mit seinem Kontakt zu einem Rechtsextremisten in Zusammenhang. Auf Anfrage dazu teilte B. Kontraste, "Zeit" und "Meduza" mit, er wolle sich dazu nicht äußern und sagte, "ich melde immer alles".

Mit der Versetzung des Beamten erlosch auch seine erweiterte Sicherheitsüberprüfung, mit der er Zugang zu als "geheim" eingestuften Dokumenten haben durfte. Zuletzt war B. im Staatsschutz offenbar mit der Bereitstellung von Akten zum Attentat vom Breitscheidplatz für die Politik betraut.

Das LKA wurde nach Informationen von Kontraste, "Zeit" und "Meduza" durch den Berliner Verfassungsschutz auf den Vorgang aufmerksam, das Amt übermittelte dem LKA auch ein Foto: es zeigt den Polizisten B. mit Jörg S., einem polizeibekannten Mann, der als rechtsextrem gilt. Jörg S. und der LKA-Beamte sind mindestens zweimal, 2017 und 2020, gemeinsam mit anderen nach Belarus gereist – dies belegen Fotos. Eine weitere Reise führte sie mit anderen nach Russland.

Netzwerk Nordkreuz: Vorbereitungen auf den "Tag X"

Jörg S. gilt als Teil des rechtsextremen "Nordkreuz"-Netzwerks, das 2017 öffentlich bekannt wurde. Darin hatten sich rund 50 Personen, darunter Polizisten und aktive und ehemalige Bundeswehrsoldaten, zusammengeschlossen, um sich auf einen "Tag X", an dem die Ordnung in Deutschland zusammenbrechen werde, vorzubereiten. Einige Nordkreuz-Mitglieder hatten illegale Schießübungen abgehalten und Depots angelegt, in denen auch gestohlene Polizei-Munition gelagert wurde.

Nordkreuz-Mitglieder sollen auch über politische Morde diskutiert haben. Bis heute laufen noch Gerichtsverfahren wegen Waffendelikten, Jörg S. ist jedoch kein Beschuldigter. Inzwischen hat S. allerdings keine Waffenbesitzkarte mehr, mit der er legal Waffen besitzen darf.

Polizist und Rechtsextremer in Kosaken-Verein aktiv

Die Reisen der beiden Männer haben mit einem in Neuenhagen ansässigen "Verein für Völkerfreundschaft" zu tun, dessen Vorsitzender und Mitbegründer der Polizist Michael B. war. Der Verein setzt sich unter anderem für die Freiheit von Julian Assange ein, besonderes engagiert ist man jedoch im Hinblick auf Russland.

In einem Schreiben an die Mitglieder, unterzeichnet von Michael B., heißt es 2017 über die Kampfhandlungen in der Ostukraine: "Hier wird einem russisch geprägten Volk das Recht auf Souveränität und Eigenbestimmung genommen, es ist und bleibt ein Genozid an der russisch-stämmigen Bevölkerung in der Ostukraine". Der Verein sammle Spenden, "um hier zur Unterstützung beizutragen".

Kontakte zu russischen Paramilitärs

Die Vereinsmitglieder bezeichnen sich laut interner Unterlagen als "Kosaken" und sehen sich offenbar in der Tradition der russischen Kosaken. Der Verein für Völkerfreundschaft ist nach Informationen von Kontraste, "Zeit" und "Meduza" mit der sogenannten "Großen Don Armee" vernetzt, einer paramilitärischen russischen Kosaken-Gruppierung, die 2014 in der Ukraine kämpfte. Deutsche Sicherheitsbehörden nehmen die Verbindung des Vereins zu den russischen Paramilitärs auch im Hinblick auf mögliche Verbindungen zu russischen Nachrichtendiensten sehr ernst.

In einem inzwischen gelöschten Eintrag auf der Webseite des Vereins heißt es 2018, der Verein arbeitete an einem "Alarmplan", dabei ginge es darum, wie man im Notfall kommunizieren könne. Anfang 2020 gründeten Mitglieder des Vereins einen Schützenverein, Gliederungen des Völkerfreunde-Vereins werden im Militär-Jargon als "Stäbe" bezeichnet. Michael B. wird von belarussischen Kosaken mit dem militärischen Kosaken-Rang "Ataman" bezeichnet.

Der Berliner Polizist Michael B. ist in sozialen Medien sehr aktiv, dort teilte er fremdenfeindliche und islamophobe Inhalte sowie Posts von Pegida, der russischen "Sputnik News" und der AfD. In einer Facebook-Gruppe namens "Putinisten" wetterte er gegen das "Scheindemokratieparlament" der EU. Im Sportverein des deutschen Bundestags leitete der Polizist B. eine Karategruppe.

Treffen in russisch-orthodoxem Kloster in Götschendorf

Vereinsmitglieder trafen sich wiederholt in einem russisch-orthodoxen Kloster in Götschendorf im Landkreis Uckermark, so auch im Oktober 2020 – dort nahmen sie an einer Gedenkveranstaltung für Alexander Schmorell teil, ein deutsch-russischer Widerstandskämpfer gegen Nazi-Deutschland, der in der russisch-orthodoxen Kirche als Heiliger verehrt wird. Bilder von der Veranstaltung zeigen, dass auch Jörg S. anwesend war.

2021 nahm auch der AfD-Politiker Gunnar Lindemann, der den Wahlkreis Marzahn-Hellersdorf im Abgeordnetenhaus vertritt, an einem Treffen in Götschendorf teil. Lindemann, der nach der russischen Annexion der Krim mehrfach öffentlichkeitswirksam auf die ukrainische Halbinsel reiste, wurde vom Verein für Völkerfreundschaft die "Freundschaftsmedaille 2. Klasse" verliehen.

Auf Anfrage von "Zeit", Kontraste und "Meduza" teilte Michael B. mit, zu den Verstrickungen von Jörg S. in das Nordkreuz-Netzwerk könne er nichts sagen, da er Nordkreuz gar nicht kenne. Wie er Jörg S. kennengelernt habe, dazu äußert sich B. nicht. Nach den Anfragen verschwindet die Facebook-Seite des Vereins.

Jörg S. teilt Kontraste, "Zeit" und "Meduza" mit, Kosaken seien für ihn "christlich orthodoxe Soldaten", der Verein für Völkerfreundschaft sei ein Wohltätigkeitsverein, auch Kampfsport sei ein verbindendes Element. Auffällig ist, dass sich in dem Verein mehrere ehemalige DDR-Bürger mit polizeilicher oder militärischer Vergangenheit sammeln. So diente Jörg S. als junger Mann im Stasi-Wachbataillon "Feliks Dzierzynski", Polizist Michael B. begann seine Laufbahn 1984 bei der DDR-Volkspolizei.

Jörg S. erklärte, er selbst gehe davon aus, dass es Kräfte gäbe, die die Gesellschaft destabilisieren wollen und dass dahinter der Feind stehe – wer genau der Feind sei, wollte er nicht sagen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 08.11.2022, 18 Uhr

Beitrag von Andrea Becker und Georg Heil, Mitarbeit: Henrike Reintjes

29 Kommentare

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  1. 29.

    Zu Ihrer unrichtigen Behauptung " Fake News " von Rechts : Das Verbotsverfahren scheiterte im März 2003, da das Gericht nicht mehr trennen konnte, welche Aktivitäten von der Partei selbst und welche vom Verfassungsschutz initiiert worden waren. Damals war jeder 7. Funktionsträger in der NPD-Leitungsebene Informant eines Verfassungsschutzamtes. Den Rest können Sie sicherlich selbst nachlesen.

  2. 28.

    Ja ist klar "Verunglimpfung" - die alte Leier.

    Ihnen zur Kenntnis: Das LKA, die Polizei hat überhaupt keinen Anspruch auf der Bürger. Das muss verdient und immer wieder bestätigt werden. Alles andere ist obrigkeitsstaatlicher Anspruch, der in Kritik, Aufdeckung von Missständen und Missbrauch, einen Angriff auf seine Autorität wittert. Das System, die Struktur verteidigt selbstverständlich sich selbst. Aber das ist in einer Demokratie natürlich alltagspolitisch und als konkretes Bürgerrecht zu durchbrechen.
    Solange es keine polizeiunabhängige Ermittlungs- und Beschwerdebehörde nach britischem Vorbild gibt, werden deutsche Polizeibehörden niemals "das Vertrauen" einfordern können. Sie verweigern ja die dafür notwendigen Strukturen.
    Die Einrichtung einer solchen Institution sollte eigentlich Forderung von Polizeigewerkschaften sein. Zum Schutz ihrer meist ordentlichen Mitglieder. Aber offenbar ist der Schutz der schwarzen Schafe wichtiger. Merkwürdige Gewerkschaftspolitik.

  3. 27.

    "Es wurde doch ein Disziplinarverfahren auf Basis von Infos den VS eingeleitet, nachdem er aufgefallen ist. Lediglich das wurde hier aufgedeckt. Bitte nochmal genauer lesen, bevor hier wieder die großen Verschwörungstheorien gesponnen werden."

    "Das LKA wurde nach Informationen von Kontraste, "Zeit" und "Meduza" durch den Berliner Verfassungsschutz auf den Vorgang aufmerksam, das Amt übermittelte dem LKA auch ein Foto: es zeigt den Polizisten B. mit Jörg S., einem polizeibekannten Mann, der als rechtsextrem gilt. Jörg S. und der LKA-Beamte sind mindestens zweimal, 2017 und 2020, gemeinsam mit anderen nach Belarus gereist – dies belegen Fotos. "

    Aber Rechtsextremisten und deren Sympathisante hier haben grundsätzliche Probleme mit Tatsachen und verdrehen diese deshalb sehr gerne.

  4. 26.

    Fake news von rechts. das erste Verbotsverfahren wurde 2003 wegen Verfahrensfehlern eingestellt, das zweite weil die Richter es als erwiesen ansahen, dass die Partei eine verfassungsfeindliche Gesinnung habe, sie habe aber nicht das „Potenzial“, die Demokratie in Deutschland zu beseitigen.

    Überhaupt bemüht man sich hier sehr von rechts alles zu verfrehen und seine Gesinnungsgenossen und deren Taten zu verharmlosen.

  5. 25.

    Waren nicht auch schon mal Teile der Führung der NPD seinerzeit vom Verfassungsschutz gestellt und auch gelenkt ? Daran ist dann wohl letztendlich auch das Verbot gescheitert, weil der " Verfassungs-Feind " künstlich aufgebaut und eine Unter-Abteilung des Staates war.

  6. 24.

    Sie sagen es: Es "ist nichts Gerichtsverwertbares dabei."
    Das trifft übrigens auch auf Ihre Verunglimpfung des LKA zu.

  7. 23.

    Was für eine Aufregung. Ein Beamter des LKA als V-Mann in Rechten Vereinen und Kreisen.
    Ich möchte nicht wissen, mit wieviel Personen das LKA Rechte Netzwerken infiltriert.
    Das gehört zur Arbeit des LKA.
    Wünschenswert wäre ein solche Engagement in linken Kreisen.
    Wie Aktuell das ist, zeigen die täglichen Beriche von Straßenblockaden u.a.

  8. 22.

    Polizisten sind von Natur aus eher konservativ, weil sie unser Land ja schützen und bewahren sollen. Viele (z.B. alle die ich kenne) stehen rechts der Mitte. Das ist ja auch OK so. Wenn allerdings Rassismus, übertriebener Nazionalismus oder sonstige verfassungsfeindlichen Ideen ins Spiel kommen, da hört der Spaß auf. Da muss meines Erachtens ständig geschult werden. Unbelehrbare müssen zeitig aussortiert werden. Wir brauchen eine Polizei bei der _ jeder_ sagen kann: Die Polizei, dein Freund und Helfer.

  9. 21.

    nur die spitze des eisbergs! und immernoch werden rechte strukturen als „einzelfälle“ abgetan. den brauen sumpf entgültig trockenlegen!

  10. 20.

    Wie erkenne ich denn als politischer Laie einen linksextremen Polizisten oder Beamten ? Die muss es doch auch geben. Gibt es da irgendwelche Abzeichen, Symbole, Codewörter u.ä. ?

  11. 19.

    Ob Rechts oder links oder was weiß ich hat alles nichts im öffentlichen Dienst zu suchen.
    Aber diese in diesem Fall aus rechter Ideologie geführten Listen gibt es auch auf der linksideologischen Seite genauso, dort fast frei einsehbar im Internet.
    Also wenn man „aufräumt“ dann alle Richtungen und nicht nur die politisch ins Bild passt. Denn sonst wird das nichts mit vertrauen und Neutralität.

  12. 18.

    Ja das ist echt voll krass schlimm. Wie hier auf Polizeibeamten rumgehackt wird, die im rechtsmilitanten Milieu abhängen. Dabei organisiert dieses Milieu doch nur mit Feindes- und Verhaftungslisten die extralegalen Kräfte, organisiert Bewaffnung und Struktur, falls "der Aufstand" kommt und die ganzen "Volksfeinde"..."festgesetzt" werden müssen.
    Ja das ist wirklich voll krass übelst. Das man da als Beamter eines demokratischen Rechtsstaats belangt wird.
    Überall hat der Linksradikalismus schon die Macht übernommen. Wenn man jetzt nicht mal mehr innerhalb des Staatsapparats Freikorpsstrukturen gründen darf...

    Ich finde eigentlich, Sie sollten sich auf eine Bühne auf dem Alexanderplatz stellen und Ihre Haltung öffentlich verbreiten.

  13. 17.

    Da von Linksextrememisten zur Polizei traditionell ein schlechtes Verhältnis gepflegt wird, kommt es wohl nicht in Frage diese zu unterwandern, da gibt es andere Institutionen zum unterwandern, die als atraktiver und effizienter angesehen werden.

  14. 16.

    Warum? Es wurde doch ein Disziplinarverfahren auf Basis von Infos den VS eingeleitet, nachdem er aufgefallen ist. Lediglich das wurde hier aufgedeckt. Bitte nochmal genauer lesen, bevor hier wieder die großen Verschwörungstheorien gesponnen werden.

  15. 15.

    Ach Martina! Wieder der übliche Beißreflex, gefolgt von allerlei pauschalen, unbelegten Vorwürfen von Straftaten. Welche davon hat der Beamte genau begangen? Wir leben hier in einem Rechtsstaat und so lange keine relevanten persönlichen Taten nachgewiesen werden können, gilt man als unschuldig. Richtig ist lediglich, dass aus Sicherheitsgründen eine Versetzung unumgänglich war. Den Rest überlassen Sie doch besser mal den Ermittlern, auf Sie kann die Allgemeinheit da nicht bauen,

  16. 14.

    Dieser Vorwurf rechtfertigt eine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis nicht. Es sind mildere Mittel, wie Verweis oder Geldbuße anzuwenden.

    Und schon wieder wird auf Polizeibeamte rumgehackt. Sehr verwunderlich, dass überhaupt noch ein Polizeibeamter seinen Dienst versieht. Bundesweit die geringste Besoldung und ständige Angriffe auf Beamte...

  17. 12.

    Die ermittelnden langjährigen Kollegen werden sicher nix strafrechtlich relevantes bei so einem Einzelfall finden.

  18. 11.

    Ich empfehle Ihnen ein Blick in das Landesbeamtengesetz. Eine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis ist nicht ohne weiteres möglich.

  19. 10.

    Nö - ist nichts Gerichtsverwertbares dabei.
    Alles gut. LKA-Beamte die sich in Freikorps-Milieus rumtreiben mit Verhaftungslisten, falls die national-konservative Revolution wieder die Keller in SA-Sturmlokalen eröffnet.
    Nö. Ist normal.
    Kein Sorge.
    Nichts Gerichtsverwertbares in Sicht. Das LKA halt. Kennt man ja. Alles gut.

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