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Video: rbb|24 | 17.02.2021 | Material: Abendschau | Quelle: Fotostand / K. Schmitt

Bildung im Lockdown

Experten warnen vor großen Lernrückständen bei Schülern

Schule am heimischen Computer, Mama und Papa als Ersatz-Lehrkräfte: Mit den aktuellen Schulschließungen fragen sich viele Eltern, wie groß die Lerndefizite bei ihren Kindern sein werden. Experten fordern bereits Kürzungen beim Curriculum. Von Stefanie Brockhausen

Das erste Schuljahr hatte sich Mandy Hoffmann für ihre Tochter Charlotte anders vorgestellt. Statt in ihrer Klasse sitzt die Siebenjährige oft bei ihr im Büro, erzählt die junge Mutter. Charlotte lernt mit ihren Eltern lesen, schreiben und rechnen.

Die Erwachsenen geben zwar ihr Bestes, aber sie stoßen dennoch oft an Grenzen. "Was bei uns ein Problem ist, ist Deutsch. Sie hat einfach keine Lust, die Motivation fehlt komplett. Wir versuchen zwar alles, aber wir sind eben keine Lehrer", sagt Mandy Hoffmann fast entschuldigend. "Da wäre Charlotte bei ihrer Lehrerin besser aufgehoben. Die könnte sie mit ihren pädagogischen Methoden viel besser fördern."

Interview

Interview | Bildungsforscher Kai Maaz zu Lernrückständen

"Ich würde nie von einer verlorenen Generation sprechen"

Es liegt nicht am Engagement der Lehrerinnen und Lehrer

Charlotte geht auf eine Grundschule im Berliner Speckgürtel. Auf die Schule lassen die Eltern nichts kommen: Die Klassenlehrerin sei jung und engagiert. "Unser Glück", sagt die Mutter. Es gebe Struktur durch feste Wochenpläne und feste Abgabefristen, auch der Online-Unterricht klappe gut.

Trotzdem sind die Eltern verunsichert. Ob das, was sie vermitteln konnten, auch reicht? Wenn schon die Grundlagen lückenhaft sind, wohin soll das führen? "Die Lehrerin sagt, sie kann die Kinder nicht mehr einschätzen. Die Einschätzungsbögen, die wir haben, beziehen sich auf den letzten Schultag vor Weihnachten."

So wie den Hoffmanns dürfte es in der Pandemie vielen Eltern gehen. Selbst wenn die Sorgen im konkreten Einzelfall unberechtigt wären: Studien aus Belgien, den Niederlanden und der Schweiz zeigen, dass sich durch die Schulschließungen im vergangenen Jahr tatsächlich Lernrückstände bei Kindern und Jugendlichen entwickelt haben.

Bei leistungsschwachen Schülerinnen und Schülern und bei sozial benachteiligten Familien sind die Rückstände größer. "Wenn die Ergebnisse der Studien auch auf Deutschland zutreffen - und ich wüsste nicht, warum das nicht so sein sollte - dann wird sich die Leistungsheterogenität in den Schulklassen und in den Lerngruppen nach der Pandemie vergrößern", sagt der Bildungsforscher Kai Maaz. Eventuelle Lernrückstände lassen sich aus seiner Sicht zwar aufholen, aber dafür sei schnelles Handeln erforderlich. "Die einzelnen Schulen müssen Kenntnis über die individuellen Lernstände der Schülerinnen und Schüler erhalten."

Kommentar

Meinung | Berliner Schüler ohne Perspektive

Lernrückstände sind längst nicht mehr unser Problem

Bildungsexperte: Langfristige Defizite sind kostspieliger

Defizite könnten in Brandenburg vor allem im Bereich Mathematik liegen. Das geht bereits aus der landesweiten Lernstandserhebung vom August 2020 hervor. Damals meldeten 14,2 Prozent der Schulen in den Jahrgangsstufen 9 und 10 einen Unterstützungsbedarf in Mathematik an. Das dürfte zwar nicht allein Corona geschuldet sein. Gleichzeitig gibt es aber auch kaum Gründe anzunehmen, dass der Unterstützungsbedarf nun, nach der zweiten Schulschließung im aktuellen Lockdown, geringer sein dürfte.

Von einigen Schulen ist zu hören, dass nach der Lernstandserhebung im August nicht viel passiert sei. Dabei fordern Bildungsexperten wie Kai Maaz genau das: An die Diagnose müsse sich die Förderung anschließen. Dafür könnte man auf Materialien der Landesinstitute zurückgreifen oder auch die außerschulischen Bildungsträger miteinbeziehen, so Maaz. "Natürlich braucht es dafür Ressourcen. Aber es wird noch mehr Geld kosten, wenn wir die Defizite nicht angehen."

GEW fordert Kürzungen im Lehrplan

"Ressourcen" ist auch für Günther Fuchs ein entscheidendes Stichwort: Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft fordert immer wieder mehr Personal in den Schulen - jetzt tut er das mit besonderer Vehemenz. Defizite zu erkennen sei das eine, so Fuchs. "Entscheidender ist, dass die Schulen die Zeit bekommen, die Förderung auch leisten zu können."

Fuchs geht auch noch einen Schritt weiter: Freiräume für die Förderung könne man an den Schulen nur schaffen, wenn der Kernlehrplan reduziert werde, wenn die Stundenpläne eingekürzt würden. "Und das ist eine bildungspolitische Entscheidung, das kann man nicht den einzelnen Schulen überlassen."

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