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Analyse | Schulöffnungen in Berlin

Ende der Zwangspause

Der Senat hat beschlossen, dass auch die Schülerinnen und Schüler der 7. bis 9. Klassen wieder an die Schulen zurückkehren können. Auch für sie soll das Wechselmodell gelten. Der Schritt hin zu mehr Präsenzunterricht ist umstritten. Von Agnes Sundermeyer

Vier Monate ohne Lehrer, ohne Tafel oder Whiteboard und nicht zuletzt ohne Schulfreundinnen und Schulfreunde: So lange dauerte die Zwangspause vom Präsenzunterricht für die Mittelstufe. Die Entscheidung, die 13- bis 15-Jährigen nun ab dem 19. April auch in den Wechselunterricht gehen zu lassen, war für Schulsenatorin Sandra Scheeres (SPD) ein Abwägungsprozess. Bei den Waagschalen Sicherheit versus Wohl der Kinderpsyche wog letztere am Ende schwerer.

Testpflicht ab 19. April

"Wir bekommen das ja mit, wie problematisch die Situation für die Kinder und Jugendlichen in den vergangenen Monaten war, sowohl was Psyche aber auch was die Lernrückstände angeht", so Scheeres. Ein weiterer Faktor, der für mehr Öffnungen spräche, sei auch, dass die Abiturientinnen und Abiturienten nun ja keinen Unterricht mehr hätten. Deshalb könne man die Gruppe der Mittelstufe jetzt dazuholen, so die Senatorin.

Mit dem Unterricht einhergehen soll eine Testpflicht an den Schulen, die ab dem 19. April gelten soll und für die Schülerinnen und Schüler bedeutet, dass sie sich zweimal pro Woche in der Schule testen lassen müssen. Außerdem herrscht weiter Maskenpflicht und es gibt Abstands- und Hygieneregeln.

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Linke knirscht mit den Zähnen

Doch selbst in der Koalition ist der Schritt hin zu mehr Präsenzunterricht umstritten. Während die Fraktionschefin der Grünen, Antje Kapek, sich der Senatorin anschließt und die Öffnung für die Mittelstufe eine "wichtige Perspektive für diese sensible Alterstufe" nennt, knirscht die Linke mit den Zähnen. Ihr Fraktionschef Carsten Schatz macht unmissverständlich deutlich, dass für ihn bei anhaltend hohen Infektionszahlen die Waagschale Sicherheit tiefer hängt. Er halte den Schritt für "deutlich verfrüht, angesichts dessen, dass Intensivmediziner warnen, die Intensivbettenbelegung steigt und die Charité Hilferufe schickt." Für seine Fraktion sei es nach wie vor der richtige Weg, in den nächsten Wochen vollständig auf digitales Lernen zu setzen.

GEW erhöht Druck auf den Senat

Geradezu verärgert zeigt sich die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) vom Kurs des Senats. Auch für sie wiegt die Waagschale Sicherheit schwerer - allerdings die Sicherheit der Lehrerinnen und Lehrer. Ihr Sprecher Tom Erdmann fordert erneut, diese nur dann in die Klassen zu schicken, wenn sie geimpft sind. Nur dann seien weitere Klassenöffnungen zu verantworten. Die Testpflicht sei zwar sinnvoll, viele praktische Fragen, etwa was mit Kindern passiere, die positiv getestet werden, seien aber noch offen. Damit erhöht der Interessenverband der Pädagoginnen und Pädagogen den Druck auf den Senat. Bisher haben nur die Lehrkräfte an den Grundschulen ein Impfangebot bekommen.

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Prominente SPD-Schützenhilfe vom Bund

Die Position der Gewerkschaft kann die Berliner SPD-Landesvorsitzende nach ihrer Aussage nicht nachvollziehen. Bildungs- und Chancengerechtigkeit sind erklärte Kernthemen von Bundesfamilienministerin und SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey, schon zu ihrer Zeit als Bürgermeisterin von Neukölln war das so. Die Schulen hätten umfangreiche Konzepte, um die Risiken zu minimieren, betont Giffey. Dazu zählt die Ministerin das Einhalten der A-H-A-Regeln aber auch konsequente Tests und Luftfilteranlagen.

Nur geimpfte Lehrer unterrichten zu lassen, sei für sie zudem schwer vermittelbar. Wenn man so diskutiere, sagt Giffey, frage sie sich, was "eigentlich gerade die Verkäuferinnen an der Supermarktkasse machen, die seit Monaten ungeimpft ihrer Arbeit nachgehen".

"Aufpassen, dass die Schule kein Hotspot wird"

Die, um deren Psyche und deren Chancengleichheit es in dieser Debatte geht, sehen die Entscheidung des Senats mit gemischten Gefühlen: Schülerin Luisa Regel, Sprecherin des Landeschülerausschusses Berlin, findet die Entscheidung zwar richtig, die 7. und 9. Klassen wieder zu öffnen. Auch dass Schnelltests vor Ort und nicht wie in Brandenburg zu Hause gemacht werden müssen, findet sie richtig. Luisa Regel bleibt aber skeptisch: "Für die Tests muss man in der Schule auch die Zeit und die Kapazitäten haben. Aber wenn viele Schülerinnen und Schüler kommen, eventuell die Masken absetzen und nicht jeder Raum dann desinfiziert wird, muss man dringend aufpassen, dass die Schule kein Hotspot wird und die Schülerinnen und Schüler dort sicher sind." Es ist ein dringender Appell an den Senat und zugleich Aufforderung, die Waagschale Sicherheit nicht aus den Augen zu lassen.

Sendung: Abenschau, 08.04.2021, 19.30 Uhr

Beitrag von Agnes Sundermeyer

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