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Audio: Inforadio | 26.07.2021 | Birgit Raddatz | Quelle: imago images/Seeliger

Debatte um Impfmüdigkeit

Berliner und Brandenburger Politiker sind gegen Einschränkungen für Ungeimpfte

Soll es künftig für Ungeimpfte Einschränkungen bei Restaurant- oder Kino-Besuchen geben? Diese Debatte hat Kanzleramtsminister Braun am Wochenende aufgeworfen. Die Reaktionen aus der Berliner und Brandenburger Politik zum Thema sind einstimmig.

Berliner und Brandenburger Politikerinnen und Politiker sprechen sich für Einschränkungen von Ungeimpften nur als letztes Mittel der Wahl aus. Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Linke) sagte am Montag dem rbb, er halte die Debatte darüber für verfrüht. "Die wichtigste Aufgabe ist jetzt: aufklären, informieren und werben für die Spritze." Es sei noch nicht so lange her, dass den meisten Berlinerinnen und Berlinern überhaupt ein Impfangebot gemacht wurde.

Erste Bilanz zu Spontan-Impfungen

Andrang im Lichtenberger Impf-Drive-in hat sich eingepegelt

Damit sich mehr Menschen impfen lassen, gibt es in Berlin seit kurzem die Möglichkeit sich spontan ohne Termin impfen zu lassen. Tausende Impfungen wurden seit voriger Woche durchgeführt. Der Andrang hat jedoch nachgelassen, vor allem abends.

Auch die Brandenburger Linke spricht sich gegen Sanktionen aus. Es müssten eher "Impfanreize geschaffen werden, wie beispielsweise verbilligten oder kostenlosen Eintritt in Museen oder Konzertveranstaltungen", sagte der gesundheitspolitische Sprecher Ronny Kretschmer am Montag im rbb.

Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) hatte die Debatte um mögliche Einschränkungen von Ungeimpften am Wochenende erneut in Gang gebracht. Der "Bild am Sonntag" sagte er, sollten die Neuinfektionen weiter steigen, könnten erneut Kontakte eingeschränkt werden. Das könne bedeuten, dass gewisse Angebote wie Restaurant-, Kino- und Stadionbesuche selbst für getestete Ungeimpfte nicht mehr möglich wären, weil das Restrisiko zu hoch sei.

Geimpfte sollen Rechte zurückbekommen

Lederer sagte auch, irgendwann komme der Punkt, an dem man sich ernsthaft fragen müsse, ob Grundrechtseinschränkungen weiter aufrecht erhalten bleiben könnten, wenn Geimpfte und Genesene kaum eine Gefahr bei der Verbreitung der Viren darstellten. "Es geht ja nicht um Einschränkungen für Ungeimpfte, es geht darum, dass die Geimpften wieder alle Rechte erhalten", sagte der Berliner Kultursenator.

Wegner: Impfstoff muss zu den Menschen in die Kieze

Ähnlich äußerte sich der CDU-Spitzenkandidat für die Abgeordnetenhauswahl, Kai Wegner. Sich impfen zu lassen, schaffe Sicherheit für alle. Er forderte, niedrigschwellige Angebote weiter auszubauen. "Dazu müssen wir aber den Impfstoff zu den Menschen in die Kieze bringen und auch über das Impfen noch intensiver aufklären." Bei allen Bemühungen um die Erhöhung der Impfquote gehe es darum, ein erneutes Herunterfahren von wirtschaftlichen Bereichen zu verhindern. "Bei der Abwägung zwischen 'Alles dicht mit Lockdown für alle' und 'Geschützte Sicherung des öffentlichen Lebens für geimpfte Menschen' bin ich für die größtmögliche Freiheit für Geimpfte, beispielsweise bei einem Restaurant- oder Kinobesuch", so der CDU-Landesvorsitzende.

Der Brandenburger CDU-Fraktionschef Jan Redmann sagte am Montag, bevor man über Druck nachdenke, müsse man den Menschen erstmal klarmachen, wie wichtig die Impfung sei. Angesichts steigender Infektionszahlen gehe jeder, der sich nicht impfen lasse, ein hohes Risiko ein, so Redmann.

Steigende Inzidenzen

Müller und Woidke fordern kurzfristige Bund-Länder-Konferenz zu Corona-Entwicklung

Das Ende der Sommerferien naht in Berlin und Brandenburg und die Regierungschefs beider Länder sehen der Rückreisewelle mit Sorge entgegen. Denn immer mehr Länder werden zu Corona-Hochrisiko-Gebieten erklärt.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hatte schon am Samstag der dpa mitgeteilt, das Impfen müsse unkomplizierter werden. Zugleich müssten Ungeimpfte wieder umfassender mit negativen Tests nachweisen, dass sie nicht ansteckend sind, wenn sie irgendwo Zugang haben wollten.

AfD lehnt kostenpflichtige Schnelltests ab

Die Berliner AfD lehnt Beschränkungen von Ungeimpften gegenüber Geimpften grundsätzlich ab. Der gesundheitspolitische Sprecher der Fraktion, Herbert Mohr, sagte, niemand dürfe in seinen Grundrechten eingeschränkt werden, weil er sich gegen das Impfen entschieden habe. Auch die Schnelltests wieder kostenpflichtig zu machen, lehnt die Partei ab. "Das alles sind unlautere Methoden zur indirekten Durchsetzung eines Impfzwangs. Derartige politische Taschenspielertricks zu Lasten der Bürger und ihrer Freiheit lehnen wir ab", so Mohr.

FDP: Impfzwang durch die Hintertür

Der FDP-Fraktionsvorsitzende im Abgeordnetenhaus, Sebastian Czaja, erklärte am Montag: "Solange keine besondere Gefahr von Geimpften, Genesenen und negativ Getesteten ausgeht, dürfen diese auch nicht anders behandelt werden." Das sei keine politische Frage, sondern eine logische Folge aus unseren Grund- und Freiheitsrechten, so Czaja.

Impfdurchbrüche in Berlin und Brandenburg

So viele Menschen haben sich trotz vollständiger Impfung mit Corona infiziert

Unwahrscheinlich, aber möglich: Vollständig Geimpfte können sich mit Corona infizieren. In Berlin und Brandenburg ist das bislang mehr als 1.000 Menschen passiert. Umgerechnet sind das weniger als 0,1 Prozent der Menschen mit vollem Impfschutz.

"Während es kurz vor Ferienende in Berlin noch immer Lehrerinnen und Lehrer gibt, die nicht vollständig geimpft sind, obwohl sie sich impfen lassen wollen, wird von der CDU ernsthaft über einen Impfzwang durch die Hintertür nachgedacht", sagte Czaja. "Das ist vollkommen inakzeptabel."

Grüne: Impfquote weiter steigern

Die grüne Spitzenkandidatin für die Abgeordnetenhauswahl, Bettina Jarasch, hält die von Braun angestoßene Debatte ebenfalls für nicht angebracht. "Wir müssen die Impfquote so schnell wie möglich weiter hochbringen", sagte sie der "Berliner Morgenpost". "Jetzt ist aber nicht der Zeitpunkt für Drohungen, sondern für niedrigschwellige Angebote wie mobile Impfteams vor Ort." Jarasch schlug vor, das solle flächendeckend in den Schulen geschehen, aber auch an möglichst vielen anderen Orten, wo Menschen sich aufhielten.

Sendung: Abendschau, 26.07.2021, 19:30 Uhr

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