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Audio: Inforadio | 11.08.2021 | J. Menzel | Quelle: imago images/R. Kremming

"Querdenker"-Protestspektrum in Berlin

Geisel stellt mehr Gewalt gegen Polizisten auf Anti-Corona-Protesten fest

Aggressivität, tätliche Angriffe: Die Gewaltbereitschaft auf Anti-Corona-Protesten nimmt laut Innensenator Geisel stark zu. Bezüglich der "Querdenker"-Demos am 1. August räumte er allerdings auch mögliches Fehlverhalten der Beamten ein.

Der Berliner Innensenator Andreas Geisel (SPD) hat davor gewarnt, dass sich Gegner der Corona-Maßnahmen weiter radikalisieren könnten. Es gebe bei einem harten Kern der Demonstrierenden eine gestiegene Gewaltbereitschaft, sagte er am Mittwoch im Verfassungsschutzausschuss des Abgeordnetenhauses.

Geisel bezog sich auch auf die jüngsten Proteste der "Querdenker" am 1. August in Berlin. Trotz eines durch Gerichte bestätigten Verbots hätten sich tausende Personen an verschiedenen Orten in der Stadt daran beteiligt. "Das bestätigt die weitere Radikalisierung von Teilen des Corona-Protest-Spektrums", sagte der SPD-Politiker.

Polizei-Bilanz

950 Festnahmen bei "Querdenker"-Protesten - die meisten nicht aus Berlin

Bei den illegalen Protesten der "Querdenker"-Szene am Wochenende in Berlin sind fast 1.000 Menschen vorübergehend festgenommen worden. Laut Polizei kamen die meisten von auswärts. Ein Demonstrant starb an einem Herzinfarkt.

"Zahl der Angriffe gegen Polizisten um 147 Prozent gestiegen"

Geisel verwies auch auf die Aggressivität gegen die Einsatzkräfte. Es habe zahlreiche tätliche Angriffe gegen Polizisten gegeben. 62 Beamte wurden verletzt, mindestens einer von ihnen schwer. Nach seinen Angaben hat die Polizei von 1.000 der 5.000 Teilnehmenden die Personalien aufgenommen. Während bei früheren Kundgebungen eher auf die Beamten "eingeredet" worden sei, werde die Polizei inzwischen auch massiv angegriffen.

Das zeigten auch Zahlen, die sich allerdings nicht nur "Querdenker"-Demos, sondern das Protestspektrum in Berlin insgesamt beziehen: 2020 habe es 5,7 Prozent mehr Demonstrationen im Vergleich zu 2019 gegeben. "Die Zahl der Angriffe auf Polizistinnen und Polizisten in diesem Protestgeschehen ist dabei um 147 Prozent gestiegen", so der Innensenator.

UN-Berichterstatter

Berliner Polizei weist Gewaltvorwürfe nach Demos gegen Corona-Politik zurück

Der Polizeieinsatz bei der zuvor verbotenen "Querdenker"-Demonstrationen vor einer Woche in Berlin hat reichlich nachgehallt. Nun erklärt sich die Polizei ausführlich, auch bezüglich Vorwürfen eines UN-Sonderberichterstatters.

Ermittlungen gegen Beamte wegen möglicher Übergriffe

Vorwürfe, wonach die Polizei mit unverhältnismäßiger Härte gegen Teilnehmer der verbotenen Aufzüge vorgegangen sei, würden untersucht, betonte Geisel. Es seien Ermittlungen gegen Polizisten eingeleitet worden. "Weil auch hier im Raum steht, dass es durchaus unverhältnismäßige Gewalt, unverhältnismäßigen körperlichen Einsatz von Polizisten gegeben haben könnte."

Videoschnipsel, die im Internet oder in sozialen Medien geteilt werden, zeigten aber oft nur einen kleinen Ausschnitt und nicht das ganze Bild. Geisel sprach von einer "bewußten Taktik" der "Querdenker", mit der versucht werde, ein Bild von Polizeigewalt zu zeichnen. "Wir werden mit Strafanzeigen geflutet", so der Innensenator, der von mehreren hundert Anzeigen sprach, die sich oft auf die gleichen Vorgänge beziehen würden.

Geisel sagte, er habe sich mit dem UN-Sonderberichterstatter für Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, Nils Melzer, getroffen und ihm zugesichert, dass dieser alle Informationen erhalten werde.

Melzer untersucht die Vorwürfe übermäßiger Gewalt der Polizei gegen Demonstranten und will die Bundesregierung um Stellungnahme bitten. Er hatte gesagt, bei einer Demonstration mit tausenden Menschen, die angeordnete Maßnahmen ignorierten, aber nicht gewalttätig seien, müsse anders reagiert werden. "Das ist ein Kommunikations-, kein Gewaltproblem. Da ist eine gepanzerte Polizeitruppe vielleicht nicht die richtige Antwort."

CSD und "Querdenker"? - "Nicht zweierlei Maß"

Energisch trat der SPD-Politiker dem Vorwurf der AfD entgegen, dass die Polizei und Behörden die verbotene Demonstration am 1. August und die große Kundgebung zum Christopher Street Day unterschiedlich behandelt hätten. Auch die CDU hatte diesen Vorwurf in den Raum gestellt. "Es gab nicht zweierlei Maß", erklärte Geisel.

Die Anmelder der Anti-Corona-Demonstration hätten schon bei der Anmeldung mitgeteilt, sich nicht an Auflagen wie Abstandsgebot und Maske zu halten. Die Demonstrationen sei auch deshalb nicht genehmigt worden, weil vorige Veranstaltungen aus dem Ruder gelaufen seien. Die Veranstalter des CSD hätten dagegen ein Hygiene-Konzept vorgelegt und die Polizei habe die Einhaltung an vielen Stellen erfolgreich durchgesetzt.

Sendung: Abendschau, 11.08.2021, 19:30 Uhr

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