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Video: Abendschau | 24.01.2022 | Philipp Höpner | Quelle: dpa/K. Schmitt

Verwirrung um Kontaktpersonen

Klare Quarantäne-Regeln für Berliner Kitas und Schulen gesucht

Die Infektionszahlen an Berliner Schulen und Kitas steigen erheblich an. Doch gerade jetzt lockern die Amtsärzte die Quarantäne-Regeln für Kontaktpersonen. Der Senat reagiert unkoordiniert und Die Linke ist schockiert.Von Jan Menzel

In der letzten Woche vor Beginn der Winterferien herrscht Unklarheit über die aktuellen Quarantäne-Regelungen für Kontaktpersonen an den Berliner Schulen und Kitas.

Die Amtsärzte der zwölf Berliner Bezirke haben bereits in der vergangenen Woche beschlossen, dass Kinder und Jugendliche, die in der Klasse Kontakt mit positiv getesteten Mitschülerinnen und Mitschülern hatten, nicht mehr in Quarantäne gehen müssen. Das wurde am Wochenende bekannt. Stattdessen sollen täglich Schnelltests in diesen Klassen durchgeführt werden. In den Kitas soll nach dem gleichen Muster verfahren werden.

Testpflicht

Berliner Kitas sollen bis 31. Januar mit Lolli-Tests versorgt sein

Die Verteilung von Lolli-Schnelltests an Berliner Kitas ist am Freitag angelaufen, spätestens in einer Woche sollen alle Einrichtungen damit beliefert sein. Sobald die Tests da sind, gilt für alle Kinder ab einem Jahr die Pflicht für drei Tests pro Woche.

Gesundheitsämter können Nachverfolgung nicht mehr leisten

Kritik an diesem Ansatz kommt aus der Bildungsverwaltung. Auch die Gesundheitsverwaltung reagiert skeptisch. Offenbar wird die neue Vorgabe zum Wochenstart auch nicht an allen Schulen umgesetzt, obwohl die Amtsärzte den Quarantäne-Verzicht für Kontaktpersonen berlinweit als Standard etablieren wollen.

Ein Grund für die Entscheidung ist, dass die Gesundheitsämter die Kontaktnachverfolgung und die Anordnung von Quarantäne personell nicht mehr leisten können. Allein in Spandau gingen täglich bis zu 1.500 neue Fall-Meldungen ein, so die Amtsärztin des Bezirks Gudrun Widders gegenüber dem rbb. "Wenn jetzt in dieser Phase der Pandemie noch angenommen wird, dass man mit einer umfassenden Kontaktnachverfolgung alle Infektionsketten unterbrechen könnte, dann ist das eigentlich Augenwischerei." Die Ämter würden nur unnötig viele Datensätze produzieren, ohne etwas zu bewirken. Sinnvoller als Kontakte im Schul- und Kita-Bereich in Quarantäne zu schicken, sei es, dort zu testen.

SPD: Bildungssenatorin steht hinter Neuregelung

Mit deutlicher Kritik reagierte der Staatssekretär für Jugend, Familie und Schuldigitalisierung Aziz Bozkurt (SPD) auf das Vorgehen der Amtsärzte. "Da fehlt mir jedes Verständnis. In meiner Welt gehören auch Kinder zu vulnerablen Gruppen", schrieb Bozkurt auf Twitter. Fraglich ist, ob Bozkurt sich hier öffentlich gegen seine Vorgesetzte, Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse, stellt. Busse äußerte sich am Sonntag nicht.

Aus Kreisen der SPD wurde aber angedeutet, dass die Bildungssenatorin hinter der Quarantäne-Neuregelung stehe. Aus der Gesundheitsverwaltung hieß es, dass das Abschaffen der Quarantäne für Kontaktpersonen in Schule und Kita nicht durch die geltende Corona-Verordnung gedeckt sei. Dort ist nach wie vor eine Quarantäne vorgesehen, mit der Option sich nach fünf Tagen frei zu testen.

Berliner Gesundheitssenatorin

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Amtsarzt von Neukölln verwundert

Der Amtsarzt von Neukölln, Nicolai Savaskan, zeigte sich gegenüber dem rbb verwundert über die Kritik. Die Amtsärzte hätten sich sowohl mit der Gesundheitsverwaltung als mit der Bildungsverwaltung eng abgestimmt, betonte er. Savaskan sagte auch, die vergangenen Monate hätten gezeigt, dass Schule vielfach der Ort sei, an dem eine Infektion festgestellt werde. "Leider wird oft verwechselt, dass ein Feststellungsort nicht gleichbedeutend mit einem Infektionsort ist".

Die Infektionen fänden vor allem im Privat- und Freizeitbereich statt. Die Amtsärzte berufen sich bei ihrem Beschluss auf die Vorgaben des Robert-Koch-Instituts (RKI). Dort heißt es, Ausnahmen von der Quarantäne für Kontaktpersonen seien möglich, "wenn ein Test-to-Stay-Ansatz (tägliche Testung und Maskenpflicht) in der Einrichtung etabliert wurde". Genau das ist in den Berliner Schulen die Praxis. In den Kitas tragen die deutlich kleineren Kinder allerdings keine Maske.

Testen um in der Schule zu bleiben

Einige Schulen weisen schon explizit darauf hin, dass nun "Test-to-Stay", also das Testen um in der Schule bleiben zu können, angewendet wird. Das Wald-Gymnasium in Charlottenburg-Wilmersdorf hat auf seiner Website das entsprechende Schreiben des bezirklichen Gesundheitsamtes veröffentlicht. Darin heißt es: "Bei positivem Testergebnis isoliert sich nur das positive Kind. Enge Kontaktpersonen, also v.a. Sitznachbarn (bzw. Nachbarn beim Essen), werden dann für 5 Tage täglich in der Schule getestet."

In Klassen oder Lerngruppen mit zwei oder mehr positiven Fällen sollen alle Kinder und Jugendlichen eine Woche lang getestet werden. Andere Schulen praktizieren wohl zunächst noch die alte Regelung. Eine Grundschule im Bezirk Mitte kündigt per Elternbrief an, dass sie die direkten Sitznachbarn von bestätigten Positiv-Fällen weiter in Quarantäne schicken wird.

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Linke: "Russisch Roulette" mit Gesundheit von Kindern

Umstritten ist der Ansatz der Amtsärzte auch in der rot-grün-roten Koalition. Angesichts der sich weiter aufbauenden Omikron-Welle den Schulbetrieb einfach so weiterlaufen zu lassen, bezeichnete der Fraktionsvorsitzende der Linken im Abgeordnetenhaus, Carsten Schatz, gegenüber dem rbb als "Russisch Roulette".

Das Aussetzen der Quarantäne für Kontaktpersonen in den Schulen sei nicht das Mittel der Wahl, so der Linken-Politiker. Er erneuerte die Forderung seiner Fraktion, die Winterferien um eine Woche zu verlängern und Schulen zu erlauben, in Eigenregie in den Wechselunterricht zu gehen. Als ersten Schritt verlangte Schatz, die Präsenzpflicht an den Schulen aufzuheben.

Sendung: Abendschau, 23.01.2022, 19:30 Uhr

Beitrag von Jan Menzel

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