Europawahl - Die Hauptstadt schaltet auf Grün
Ein politisches Erdbeben in der Hauptstadt: Die Grünen haben bei der Europawahl die anderen großen Parteien deutlich abgehängt und acht Bezirke erobert. Die SPD ist nirgendwo mehr stärkste Kraft. Auch CDU und Linke verlieren viele Stimmen.
Die Grünen gehen als großer Gewinner aus der Europawahl in Berlin. Sie kommen nach Auszählung aller Stimmbezirke auf 27,8 Prozent - ein Zuwachs von 8,8 Prozentpunkten und die stärksten Zugewinne aller Parteien in der Hauptstadt.
Die CDU folgt auf dem zweiten Rang mit 15,2 Prozent, verliert aber deutlich an Zuspruch (-4,8 Prozentpunkte). Die Berliner Sozialdemokraten erleben ein Desaster: 14,0 Prozent für die SPD bedeuten ein deutliches Minus von 10,0 Prozentpunkten.
Es folgen Linke mit 11,9 (-4,3) und AfD mit 9,9 Prozent (+2,0). Die FDP legt ebenfalls um zwei Prozentpunkte zu (auf 4,7 Prozent), rangiert aber überraschend hinter der der Satirepartei Die Partei (4,8 Prozent).
Zudem stimmten knapp 30.000 Menschen für die Tierschutzpartei, was für 2,0 Prozent reichte.
Fast eine halbe Million Berliner Wahlberechtigte hatten bereits per Briefwahl abgestimmt, so viele wie nie zuvor. Briefwahl war besonders bei Anhängern von SPD, CDU und FDP beliebt, für die AfD und sonstige Parteien entschieden sich ein höherer Anteil an der Wahlurne.
Mit 60,6 Prozent der Stimmen lag die Wahlbeteiligung deutlich höher als 2014 (46,7 Prozent). Die höchste Wahlbeteiligung gab es Steglitz Zehlendorf (69 Prozent), am niedrigsten war sie in Marzahn-Hellersdorf (49,4 Prozent).
Aus der Europawahl 2014 war in Berlin noch die SPD mit 24 Prozent als Sieger hervorgegangen. Es folgten damals die CDU mit 20 Prozent, Grüne mit 19,1 Prozent und Linke mit 16,2 Prozent. Die AfD trat damals zum ersten Mal an und kam auf 7,9 Prozent, die FDP auf 2,8 Prozent.
So stimmten die Bezirke ab
In Berlin gab es gleich eine ganze Reihe durchaus ungewöhnlicher Wahlergebnisse, etwa im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Zwar wurden die Grünen wie erwartet stärkste Kraft. Mit 40,3 Prozent war das Ergebnis aber überraschend stark. Mit 8,9 Prozent der Stimmen wurde die Satirepartei Die Partei viertstärkste Kraft, vor CDU, AfD und FDP.
Die SPD wurde in keinem Bezirk stärkste Kraft. In Treptow-Köpenick reichten den Grünen - die insgesamt acht Bezirke gewannen - 20,1 Prozent um stärkste Kraft zu werden. Auch in Marzahn-Hellersdorf (Linke), Lichtenberg (Linke) und Spandau (CDU) genügten vergleichsweise niedrige Ergebnisse, um das beste Ergebnis zu erzielen.
Für die SPD ein "Alarmsignal"
Der Berliner Grünen-Vorsitzende Werner Graf hat das Abschneiden seiner Partei bei der Europawahl als fantastisch bezeichnet. "Das Wahlergebnis zeigt deutlich, dass die Menschen sich eine andere Politik wünschen, besonders beim Thema Klimaschutz", sagte er der Nachrichtenagentur DPA.
Berlins Regierungschef Michael Müller (SPD) wertet den SPD-Absturz bei der Europawahl als "Alarmsignal". "Natürlich kann man ein Ergebnis unter 20 Prozent nicht schönreden", erklärte er am Sonntag. "Ökologie und Soziales gehören zusammen. Diese Botschaft der Wählerinnen und Wähler müssen wir ernst nehmen." Gleichwohl sei die Wahl, auch durch die gute Wahlbeteiligung, eine für Europa gewesen. "Den Europakritikern wurde ein Stoppschild gesetzt."
CDU-Fraktionschef Burkard Dregger nannte das Ergebnis der Union unbefriedigend. Kritisch äußerte sich Dregger zu den Grünen: "Den Grünen ist das Geschäft mit der Angst am besten gelungen. Sie haben die Angst vor dem Klimawandel in Zustimmung ummünzen können", erklärte er. "Diese Ängste haben gerade im Endspurt des Wahlkampfes die Ängste vor Terror und Kriminalität übertroffen."
Enttäuscht war Katina Schubert, Berliner Landesvorsitzende der Linken. "Natürlich bin ich nicht zufrieden, da hätte ich mir mehr gewünscht", sagte sie der DPA. Vielen Menschen habe offenbar die genaue "Zweckbestimmung" der Wahl zum Europaparlament gefehlt. Sie hätten wohl nicht gewusst, wofür sie die Linke wählen sollten.
Der Berliner AfD-Landes- und Fraktionschef Georg Pazderski hat sich erfreut gezeigt über das Abschneiden seiner Partei bei der Europawahl. "Nun ist die AfD in allen wichtigen Parlamenten stark vertreten und wird dort als einzige echte deutsche Oppositionspartei arbeiten und wirken", erklärte Pazdersk.
So hat Berlin gewählt
Alle Informationen zur Europawahl in Berlin und Brandenburg hier.
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Sendung: Abendschau, 26.05.2019, 19.30 Uhr