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Audio: rbb24 Inforadio | 17.11.2022 | Andreas Geisel | Quelle: picture alliance/sulupress.de

Kommentar | Berlin nach dem Wahl-Urteil

"It Wasn't Me" - Berlin macht den Shaggy

"It Wasn't Me", beteuert Sänger Shaggy in einem seiner Hits. Und beschreibt damit ziemlich gut die Lage in Berlin nach dem Urteil des Verfassungsgerichts Denn aktuell macht sich hier so mancher einen schlanken Shaggy-Fuß - kommentiert Sabine Müller.

"Ich war's nicht" – sagt Andreas Geisel, der Mann, der vor einem Jahr als Innensenator politisch für die Organisation der Pannenwahl verantwortlich war und jetzt Bausenator ist.

Ich war's nicht, zumindest nicht alleine, argumentiert Geisel, denn schuld an den Wahlpannen sei keine einzelne Person gewesen. Deshalb weist er alle Forderungen, Verantwortung zu übernehmen und zurückzutreten, vehement zurück. Nun ist es in der Politik sehr häufig so, dass nicht Einzelpersonen die Schuld an einem Versagen tragen, aber die politisch Verantwortlichen trotzdem personelle Konsequenzen ziehen. Das scheint Geisel aber nicht zu interessieren. Den Druck halte ich aus, sagt der Senator trotzig.

Regierungserklärung zu Wahlwiederholung

Giffey: "Es schmerzt, dass Klischees über Berlin bedient wurden"

Franziska Giffey hat in einer Regierungserklärung bedauert, wie die vergangene Wahl abgelaufen ist und versprochen, dass die neue Berlin-Wahl "reibungslos" verlaufen werde. Bausenator Andreas Geisel muss indes seine Position gegen Kritiker verteidigen.

Giffey: War damals nicht in Verantwortung

Das stimmt wahrscheinlich, solange Franziska Giffey ihre schützende Hand über den SPD-Parteifreund hält und ihn nicht als zu große Belastung im Wahlkampf empfindet. Zumal die Regierende Bürgermeisterin selbst durchaus Sympathien für ein beherztes "Ich war's nicht" hat, wie ihre erste Reaktion auf das Urteil des Verfassungsgerichts zeigte. Gleich zu Anfang kam da die Kernbotschaft: Ich bin zwar heute in Verantwortung, aber war es damals, bei der Pannenwahl, nicht.

Vom Druck der Opposition auf Geisel wird sich Franziska Giffey vermutlich nicht beeindrucken lassen. Aber was ist mit dem Druck aus Reihen der rot-grün-roten Koalition selbst? Der grüne Fraktionschef Werner Graf wagte sich ziemlich vor, als er in der Abgeordnetenhaus-Debatte zu Giffeys Regierungserklärung kaum verklausuliert den Rücktritt des Senators forderte.

Landesverfassungsgericht

Berlin-Wahl muss komplett wiederholt werden

Zum ersten Mal in der Geschichte muss eine Berliner Wahl wiederholt werden. Das hat das Landesverfassungsgericht am Mittwoch entschieden. Grund sind die zahlreichen Pannen bei der Wahl 2021. Nun muss Anfang 2023 erneut gewählt werden.

Nur noch peinlich

Andererseits: Wie ernst kann man eine solche Forderung nehmen, wenn sich ebendieser Politiker gleichzeitig selbst als begnadeter "Ich war's nicht" präsentiert? In seiner Rede beschrieb und kritisierte Werner Graf ein weitgehend dysfunktionales Berlin, das vom Kopf auf die Füße gestellt werden müsse und endlich ein Update ins neue Jahrtausend brauche. Ganz so, als hätten seine Grünen, die in der Hauptstadt seit sechs Jahren mitregieren, rein gar nichts mit der aktuellen Lage zu tun. Wahlkampfrhetorik in allen Ehren, Herr Graf – aber ein derart übertriebenes "Ich war's nicht" beziehungsweise "Wir waren's nicht" ist einfach nur peinlich.

Das geneigte Publikum tut aber sicher gut daran, sich schonmal auf die Berliner Shaggys einzugrooven, denn "It Wasn't Me" – "Ich war's nicht" – werden wir in den nächsten Monaten im Wahlkampf noch oft genug hören. Außer natürlich bei den Gelegenheiten, wo es Lorbeeren zu ernten gibt und alle schreien "Ich war's!"

Sendung: rbb24 Inforadio, 17.11.2022, Andreas Geisel

Beitrag von Sabine Müller

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