Regierungserklärung zu Wahlwiederholung - Giffey: "Es schmerzt, dass Klischees über Berlin bedient wurden"

Do 17.11.22 | 13:05 Uhr
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Franziska Giffey (SPD), Regierende Bürgermeisterin, gibt während der Plenarsitzung des Berliner Abgeordnetenhauses eine Regierungserklärung ab (Quelle: dpa/Wolfgang Krumm)
Audio: rbb24 Inforadio | 17.11.2022 | Jan Menzel | Bild: dpa

Franziska Giffey hat in einer Regierungserklärung bedauert, wie die vergangene Wahl abgelaufen ist und versprochen, dass die neue Berlin-Wahl "reibungslos" verlaufen werde. Bausenator Andreas Geisel muss indes seine Position gegen Kritiker verteidigen.

Die Berliner Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) hat einen reibungslosen Verlauf der vom Landesverfassungsgericht geforderten Wahlwiederholung versprochen. In ihrer Regierungserklärung im Abgeordnetenhaus bekräftigte sie am Donnerstag, dass der Senat die Entscheidung nicht anfechten wird. "Wir werden dieses Urteil respektieren und verantwortungsvoll damit umgehen", sagte Giffey im Berliner Landesparlament.

"Dass Wahlen reibungslos laufen, dürfen die Menschen überall in Berlin erwarten", sagte Giffey. "Es ist ein einschneidendes Erlebnis für unsere Stadt, das berührt auch mich als Berlinerin." Es seien Fehler passiert, die nicht hätten geschehen dürfen. "Es schmerzt auch, dass damit Klischees über Berlin bedient wurden. Wir dürfen es uns jetzt nicht einfach machen, es sind alle gefragt, es besser zu machen. Senat und Bezirke tragen dafür gemeinsame Verantwortung", betonte Giffey.

Giffey skizziert Konsequenzen

Der Senat habe bereits wichtige Schlussfolgerungen auf den Weg gebracht, erklärte Giffey. Bereits Anfang September sei die Taskforce Wahlen gegründet worden, seit dem sei ein detaillierter Zeit- und Maßnahmenplan entwickelt worden. "Wir haben schon Wahlhelfende angeworben, Räume für Wahllokale angemietet, das Personal bei der Landeswahlleitung aufgestockt. Am Donnerstagnachmittag wird für Wahlhelfende auch eine Telefon-Hotline freigeschaltet", so Giffey

Alle Wahlzettel würden nun vor der Wahl geprüft, die Wahllokale würden mit 140 Prozent Wahlzetteln und Urnen ausgestattet. Wahlhelfende könnten bis zu 240 Euro für ihre Mitarbeit erhalten, Landesbedienstete, die bei der Wahl helfen, bekommen zwei Tage Freizeitausgleich, Wahlvorstände erhalten drei Tage.

Fragen und Antworten zur Wiederholungswahl im Video:

Giffey zieht positive Zwischenbilanz ihrer Regierungszeit

"Wir nehmen uns die Zeit, die wir brauchen, um das gut zu machen", sagte Giffey weiter. Gleichzeitig werde der amtierende Senat weiterhin seinen Regierungsauftrag erfüllen. "Gerade in Krisenzeiten wie diesen gibt es wichtige Aufgaben zu lösen. Wir müssen uns um die Menschen in unserer Stadt kümmern, um soziale Einrichtungen, um die Wirtschaft, um die kritische Infrastruktur. Und Berlin braucht eine starke Stimme im Bund", so die SPD-Politikerin.

Giffey betonte in ihrer Rede zugleich, dass der rot-grün-rote Senat in den zurückliegenden Monaten schon viel erreicht habe. Als Beispiele führte sie das Krisenmanagement der Geflüchtetensituation an, die Rückkehr zur Verbeamtung von Lehrkräften, das 29-Euro-Ticket für den öffentlichen Nahverkehr und den sozialen Wohnungsneubau. "Wir haben die klare Bilanz, dass der soziale Wohnungbau in der Stadt läuft", so Giffey.

Giffey stärkt Geisel demonstrativ den Rücken

Unterdessen hat Gifffey ihrem Stadtentwicklungsenator Andreas Geisel (SPD) den Rücken gestärkt. Im rbb24 Inforadio sagte Giffey am Donnerstag, die Verantwortung für die Wahlpannen liege nicht nur auf seinen, sondern auf vielen Schultern. Außerdem habe Geisel als jetziger Bausenator mit den Themen Wohnungsneubau und Mieterschutz eine wichtige Aufgabe für Berlin.

Die CDU im Abgeordnetenhaus hatte Geisel zum Rücktritt aufgefordert. Aus Sicht der Fraktion ist er als damaliger Innnesenator für die Pannen bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen im September 2021 verantwortlich.

Giffey betonte, es gehe jetzt darum, nach vorne zu schauen und eine Wahl zu organisieren, die reibungslos verlaufe. "Wir haben eine neue Landeswahlleitung, eine höhere Ausstattung mit Stimmzetteln. Es wird immer so sein, dass bei einer Wahl in einer 3,7-Millionen-Euro-Stadt Dinge nicht einhundertprozentig laufen, aber wir werden die Bezirke zusätzlich ausstatten und unterstützen."

Zuvor hatte Geisel selbst Rücktrittsforderungen erneut zurückgewiesen. Es sei keine Frage, die an einer einzelnen Person hänge, führte er im Abgeordnetenhaus aus - die rechtlichen Voraussetzungen in Berlin, um eine so komplexe Wahl zu bewältigen, hätten offenbar nicht ausgereicht. Geisel sprach von einem Zusammenspiel vor allem von Senats- und Bezirkswahlleitungen. In Richtung der Opposition sagte Geisel, ihre Hoffnung, die Schuld an einer Person abzuladen, gehe so nicht auf.

CDU verlangt Rücktritt von Geisel

CDU-Landeschef Kai Wegner kritisierte zunächst Giffeys Regierungserklärung. "Ich hätte mehr Demut erwartet. Den Berlinern sind Sie eine klare Entschuldigung schuldig geblieben", so Wegner. "Die Berliner wollen einfach nur stolz sein auf eine funktionierende Stadt, und das können sie nicht sein."

Für das Wahlchaos trage die SPD "die allergrößte Verantwortung", so Wegner. Das Urteil des Landesverfassungsgerichts sei ein "beispielloser Vorgang, eine historische Schlappe", weshalb Geisel unbedingt zurücktreten müsse. "Es ist höchste Zeit für Verantwortliche, jetzt auch Verantwortung zu übernehmen. Herr Geisel, treten Sie zurück!", forderte Wegner.

Wahl soll am 12. Februar 2023 wiederholt werden

Die Opposition hatte schon Ende September nach der mündlichen Verhandlung des Verfassungsgerichts eine Regierungserklärung gefordert. Giffey hatte das damals abgelehnt, aber angekündigt, Stellung zu beziehen, sobald das Urteil gesprochen ist.

Mit der Entscheidung für eine komplette Wahlwiederholung wegen zahlreicher Pannen im Jahr 2021 kommen auf den rot-grün-roten Senat mehrere Herausforderungen zu. Zum einen müssen alle Parteien erneut einen Wahlkampf organisieren, für dessen Vorbereitung wenig Zeit bleibt, als Wahltermin gilt der 12. Februar. Zum anderen sieht sich der rot-grün-rote Senat damit konfrontiert, dass es danach andere Mehrheitsverhältnisse oder sogar eine ganz neue Landesregierung geben könnte.

Linken-Fraktionschefin Anne Helm nannte das Urteil eine "gerichtliche Klatsche". Sie entschuldigte sich insbesondere bei den betroffenen Wahlhelfern für die zahlreichen Pannen an dem Wahlsonntag. Grünen-Fraktionschef Werner Graf forderte unter anderem zur Verhinderung künftiger Wahlpannen eine klarere Aufgabenverteilung zwischen Bezirken und Senat.

Die Berliner FDP forderte eine Kehrtwende in der Landespolitik. Mit seiner Entscheidung setze das Gericht Berlin ein Denkmal der Dysfunktionalität, teilte der FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja am Mittwoch nach der Urteilsverkündung mit.

Die Berliner AfD hat das Urteil zur Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl begrüßt. "Berlin hat eine zweite Chance bekommen", teilte die AfD-Landesvorsitzende Kristin Brinker am Mittwoch mit.

Sendung: rbb24 Abendschau, 17.11.2022, 19:30 Uhr

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75 Kommentare

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  1. 75.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Berliner_Bankenskandal#Auswirkungen_auf_die_Finanzlage_des_Landes_Berlin
    Immer noch frustriert, dass ich Sie vor Jahren und unzähligen Nick-Wechseln mit Ihrem eigenen Link überführt hatte, weil Sie den wie gerade auch erst zum Thema PV-Anlagen nicht richtig gelesen hatten?

  2. 74.

    Och, ich werde ganz einfach wie gehabt meine Kreuzchen aufs Papier an die hoffentlich richtigen Stellen setzen. Und das per Briefwahl.

  3. 73.

    Herr Graf (Grüne) und Frau Helm (Linke) haben es in ihren Beiträgen bestens verdeutlicht. Sie lösen keine Probleme, sondern schaffen allenfalls neue. Diese Realiätsferne ist erschütternd.

  4. 72.

    Da die erste Wahl ungültig ist gibt es auch keine korrekt gewählten Vertreter und somit auch keine Ungerechtigkeit.

  5. 71.

    Ich fand die Rede sehr gut, vor allem aber auch deswegen, weil sie keinen ihrer „Mitbewerber“ beleidigt und angeschissen hat!

  6. 70.

    Es schmerzt mich, dass der Berliner Bevölkerung überhaupt Neuwahlen zugemutet werden. Hier werden keine Klischees bedient. Die Verantwortlichen im Berliner Senat sollten sich schämen. Sie selbst bedienen ihre über Jahrzehnte herangewachsene Unfähigkeit ohne Einsicht munter weiter. Jeder dort schiebt es auf den Anderen. So läuft das hier in dieser herunter gekommenen Stadt. Profis heranziehen? Bloß nicht! Es könnte ja noch mehr aufgedeckt werden ..,.

  7. 68.

    Giffey: "Es schmerzt auch, dass damit Klischees über Berlin bedient wurden"
    Wie entsteht ein Klischee? Indem es immer wieder aufs Neue bestätigt wird. Leider. Hier und anderswo.

  8. 66.

    Es schmerzt, dass die meisten Berlin-Klischees leider durch die Realität mittlerweile eingeholt wurden.

  9. 65.

    Ich bin immer „sehr beeindruckt“, wie sehr Sie sich hier ins Zeug legen. Ist das nur Mache oder tun Sie auch wirklich was für Berlin und stellen sich zur Wahl?

  10. 64.

    Diese Rede wird ihr vorgelegt worden sein. Sie gehört zu der Politik er generation welche keine Fehler und persönliche Konsequenzen mehr eingestehen. Macht macht halt süchtig

  11. 63.

    "Kein Platz für Clans u.a. organisierte Kriminalität. " Ihr inhaltsloses Geschwafel kann man schon an diesem Punkt entlarven.

    Wer hat denn dafür gesorgt, dass die Clans zu dem wurden was sie sind? Politiker nach ihrem Geschmack. Lummer, Kewenig und Henkel, alles rechtsaußen Law & Order Hilfssheriff der cDU. Erst unter RRG hat man angefabgen dem Treiben ein Ende zu setzen, nur an die OK der Immobilenmafia traut sich die sPD nicht heran. Geldwäsche im ganz großen Stil und kriminelle Machenschaften von Immobilenhaien finden weiter statt. Da ist aber der Bund gefragt wo unter einer FDP nichts passieren wird.

  12. 62.

    Hier zeigt sich das die Machthungrige Doltorenfälsvherin eine völlig falsche Wahrnehmung hat. Alleine schon sich für den sozialen Wohnungsbau zu feiern ist lächerlich. In die Stadt kommen immer mehr Menschen. Und der nicht WBS Schein Berechtigte hat davon nichts. Aber es scheint mir so als soll die ganze Stadt zugebaut werden. Nur gut das die Entscheidungsträger in selbst in einem EFH wohnt und sich dort nichts ändert. Diese Frau steht für spät römische Dekadenz

  13. 61.

    KLISCHEE?
    Dreckloch ist Dreckloch!

  14. 60.

    Also sprechen sie sich gegen CDU und FDP aus. Gut zu wissen.

  15. 58.

    Der arme Heinrich Heine... Aber mal sehen ob dieses Skandalurteil nicht vom BVerfG kassiert wird. In meinem Wahlbezirk und etlichen anderen ist alles zu 100 % korrekt abgelaufen.

    Ich kann jeden Angeordneten und Wähler raten Verfassungsbeschwerde einzulegen.

  16. 57.

    "Sanierungs- Erhaltungs- und Neubaustau wurde von einer Politik verursacht, die neoliberal Infrastruktur runterrockt. "Schuldenbremse" "schlanker Staat" "Berlin ist Pleite" etc. - also Agenda aller Parteien rechts von rechter SPD-Programmatik."

    Soviel ich weiss war das Bürgermeister Wowereit, der gespart hatte bis es quietschte. Und der ist ja bekanntlich von der SPD. Machen sie doch mal eine kleine Internetpause, sie sind ja in jedem ihrer Beiträge ganz erregt. Das richtige Leben findet immer noch offline statt. :-)

  17. 56.

    Quando RosenthalHoppegarten, MarkDonnerstag, 17.11.2022 | 11:44 Uhr
    "(..) Dafür werden sich die "Klebelinge" vor den Wahlbüros verankern (...)"

    Glaub ich nicht. Die "Kleblinge" treffen sich doch auf G20 und Klimagipfeln. Oder besetzen Posten in Industrie, Finanzwirtschaft und Ministerien. Da kleben sie an ihren volkswirtschaftlichen, weltwirtschaftlichen, und ordnungspolitischen Agenden, die die Eskalation, den angehäuften Problemberg verursacht haben. Dass man denken muss: Das kriegen wir nie mehr ohne kompletten Zusammenbruch wieder in die Spur.
    Jene die Sie beschuldigen haben doch weder Verschrottungsprämie, noch Softwarebetrugsmobilität, noch Blockade erneuerbare Energien bewerkstelligt. Im Verkehrsministerium sass auch keiner von denen und baut seit 30 Jahren den Güterschienenschnellweg Rotterdam/Antwerpen - Genua nicht. Wüsste auch nicht, dass die Kapital in unproduktive Finanzwirtschaft gepumpt hätten. Statt in Infrastruktur fürs Gemeinwohl.

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