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Quelle: IMAGO/Matthias Koch

Union Berlin-Fans vor Pokalhalbfinale

"RB Leipzig symbolisiert genau das, wofür Union nicht steht"

Die Fans von Union verbinden mit RB Leipzig eine große Abneigung. Gefüttert wird diese mit gleich zwei Auswärtsspielen in Leipzig in den kommenden Tagen. Proteste sind vorprogrammiert und bereits angekündigt.

Es bot sich ein außergewöhnliches Bild, als die Anhänger von Union Berlin zuletzt zu Gast in Leipzig waren: Ganz in Schwarz gekleidet zogen die Ultras der Köpenicker Fußballer im Januar 2020 auf dem Weg zum Stadion durch Leipzig. Sie hielten dabei rund ein Dutzend große Kreuze mit Aufschriften wie "Tradition", "Fankultur" oder "Emotion" hoch, trugen einen großen Sarg auf ihren Schultern und liefen hinter einem großen Banner her. Der Schriftzug auf diesem: "In Leipzig stirbt der Fußball".

Coronabedingt sind seit diesem bis dato letzten Besuch von Unions Fans in der größten Stadt Sachsens etwas über zwei Jahre vergangen. Die große Abneigung der Köpenicker gegenüber dem dortigen Fußballverein RB Leipzig ist allerdings noch immer aktuell. Und sie bekommt in dieser Woche einiges Futter: Gleich doppelt gastiert Union Berlin in dieser Woche bei RB Leipzig; am Mittwoch im DFB-Pokal-Halbfinale und am Samstag in der Bundesliga. Zwei Spiele, die Unions Anhänger für zwei weitere Proteste nutzen werden.

Unterschiedliches Verständnis vom Fußball

Im Grunde ist man diese in Leipzig ja mittlerweile gewohnt. Seitdem RB seinen Aufstieg in die Bundesliga gestartet hat und erfolgreich Fußball spielt, ist der Klub immer wieder gleichermaßen Gegenstand und Ziel von Protesten, Kritik und auch Anfeindungen gewesen. Deren gemeinsame Kernaussage: Der vom Getränkehersteller Red Bull finanzierte Klub, dessen Initialen RB nur auf dem Papier für "Rasen Ballsport" stehen, stehe symbolisch für die Kommerzialisierung im Fußball. Oder um es in den Worten von Sebastian Fiebrig zu sagen: "RB Leipzig steht für all das, was man am modernen Fußball nicht mag."

Fiebrig ist einer der Autoren des Union-Blogs "Textilvergehen". Als solcher hat der 42-Jährige Union Berlin über die vergangenen Jahre eng begleitet. Auch die Abneigung RB Leipzig gegenüber hat Fiebrig dabei oft und hautnah erlebt. Dass diese bei Union noch größer ist als in anderen Bundesliga-Fanlagern, hat dabei laut dem Blogger einen einfachen Grund: "Union hat ein eigenes Verständnis, wie Fußball sein soll." Ein Verständnis vom Fußball, in das die Philosophie von RB Leipzig so gar nicht reinpasst. Im Gegenteil: "RB Leipzig symbolisiert genau das, wofür Union als Verein, aber auch Unions Fans nicht stehen."

Es ist dabei eine Kombination verschiedener Dinge, die Unions Fans, aber auch den Verantwortlichen in Köpenick mit Blick auf RB Leipzig sauer aufstößt. Allen voran wäre da die Tatsache, dass viele den Klub in erster Linie als Marketingtool für Red Bull sehen. Hinzukommt, dass der Getränkehersteller mittlerweile weltweit nach einem Franchise-Prinzip gleich mehrere Profi-Fußballklubs "betreibt". Regelmäßig werden in diesem RB-Netzwerk Jugendspieler, aber auch Profis hin und her transferiert. Auch dass RB Leipzig sich in Sachen 50+1-Regel, die auch zu großen Einfluss von Geldgebern auf ihre Klubs verhindern soll, geschickt in einer Grauzone bewegt, bietet Grund zum Unmut. Die Konsequenz hieraus fasst abermals Fiebrig zusammen, indem er sagt: "Eine Akzeptanz RB gegenüber gibt es in den Bundesliga-Fanszenen nicht."

Ein rote Linie überschritten

Dass RB Leipzig sich sportlich in der Bundesliga mittlerweile sehr erfolgreich etabliert hat, ändert hieran nicht viel. Auch dass die Sachsen den deutschen Fußball mit je einem Halbfinaleinzug in Champions und Europa League international bereits bemerkenswert vertreten haben, sorgt eher für zusätzlichen Ärger. Allen voran verbunden mit dem Gefühl der Fans, dass diese Erfolge erkauft und nicht organisch entstanden sind. So müssten sich Vereine wie etwa Union Berlin finanziell, aber auch in Sachen Vereinsstruktur "mit bestimmten Sachen auseinandersetzen, mit denen Leipzig sich nicht auseinandersetzen muss", sagt Sebastian Fiebrig.

Vielleicht sind bei Union auch deshalb nicht nur die Fans, sondern auch die Vereinsverantwortlichen keine großen Befürworter von RB Leipzig. Präsident Dirk Zingler kritisierte die Philosophie und die Strukturen des Klubs in der Vergangenheit mehrfach und mit deutlichen Worten. Etwa sagte Zingler in einem Interview mit der "Berliner Zeitung" einst, dass mit der Neugründung RBs und dem Konzept des Klubs aus seiner Sicht "eine rote Linie überschritten“ wurde. Im Zuge der Diskussionen um die 50+1-Regel erneuerte Zingler seine Kritik im vergangenen Herbst.

Lautes Schweigen im Pokal-Halbfinale

Auch Unions Fans werden ihre Kritik am Konstrukt RB Leipzig in den kommenden Tagen erneuern. Sowohl am Mittwoch als auch am Samstag wollen die nach Leipzig mitreisenden Fans die ersten 15 Spielminuten schweigen und so für einen "Stimmungsboykott" sorgen, heißt es in einem Statement der Ultras vom "Wuhlesyndikat". Angesichts der sportlichen Wichtigkeit des Pokalhalbfinals und des Enthusiasmus, mit dem Unions Fans ihre Mannschaft normalerweise unterstützen, ist das durchaus bemerkenswert. "Das ist schon sehr effektiv und ein sehr lautes Schweigen", findet auch Sebastian Fiebrig.

Ein sehr lautes und noch dazu farblich einheitliches Schweigen. So stattet Union Berlin am Mittwoch alle Fans im Gästeblock mit einem eigenen, knallroten Pullover aus. "Volle Pulle Union" wird auf diesen neben einer aufgedruckten Glasflasche zu lesen sein. Ganz so dramatisch wie das "In Leipzig stirbt der Fußball" auf dem Banner vor zwei Jahren ist diese Aufschrift nicht. Eine kleine Spitze in Richtung der Getränkedosen-herstellenden Finanziers von RB Leipzig ist sie dennoch allemal.

Sendung: rbb24, 19.04.2022, 18 Uhr

Beitrag von Jakob Lobach

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