Union Berlin-Fans vor Pokalhalbfinale - "RB Leipzig symbolisiert genau das, wofür Union nicht steht"

Di 19.04.22 | 15:13 Uhr | Von Jakob Lobach
  22
Unions Fans bei ihrem Protest in Leipzig im Januar 2020 (Bild: IMAGO/Matthias Koch)
Bild: IMAGO/Matthias Koch

Die Fans von Union verbinden mit RB Leipzig eine große Abneigung. Gefüttert wird diese mit gleich zwei Auswärtsspielen in Leipzig in den kommenden Tagen. Proteste sind vorprogrammiert und bereits angekündigt.

Es bot sich ein außergewöhnliches Bild, als die Anhänger von Union Berlin zuletzt zu Gast in Leipzig waren: Ganz in Schwarz gekleidet zogen die Ultras der Köpenicker Fußballer im Januar 2020 auf dem Weg zum Stadion durch Leipzig. Sie hielten dabei rund ein Dutzend große Kreuze mit Aufschriften wie "Tradition", "Fankultur" oder "Emotion" hoch, trugen einen großen Sarg auf ihren Schultern und liefen hinter einem großen Banner her. Der Schriftzug auf diesem: "In Leipzig stirbt der Fußball".

Coronabedingt sind seit diesem bis dato letzten Besuch von Unions Fans in der größten Stadt Sachsens etwas über zwei Jahre vergangen. Die große Abneigung der Köpenicker gegenüber dem dortigen Fußballverein RB Leipzig ist allerdings noch immer aktuell. Und sie bekommt in dieser Woche einiges Futter: Gleich doppelt gastiert Union Berlin in dieser Woche bei RB Leipzig; am Mittwoch im DFB-Pokal-Halbfinale und am Samstag in der Bundesliga. Zwei Spiele, die Unions Anhänger für zwei weitere Proteste nutzen werden.

Unterschiedliches Verständnis vom Fußball

Im Grunde ist man diese in Leipzig ja mittlerweile gewohnt. Seitdem RB seinen Aufstieg in die Bundesliga gestartet hat und erfolgreich Fußball spielt, ist der Klub immer wieder gleichermaßen Gegenstand und Ziel von Protesten, Kritik und auch Anfeindungen gewesen. Deren gemeinsame Kernaussage: Der vom Getränkehersteller Red Bull finanzierte Klub, dessen Initialen RB nur auf dem Papier für "Rasen Ballsport" stehen, stehe symbolisch für die Kommerzialisierung im Fußball. Oder um es in den Worten von Sebastian Fiebrig zu sagen: "RB Leipzig steht für all das, was man am modernen Fußball nicht mag."

Fiebrig ist einer der Autoren des Union-Blogs "Textilvergehen". Als solcher hat der 42-Jährige Union Berlin über die vergangenen Jahre eng begleitet. Auch die Abneigung RB Leipzig gegenüber hat Fiebrig dabei oft und hautnah erlebt. Dass diese bei Union noch größer ist als in anderen Bundesliga-Fanlagern, hat dabei laut dem Blogger einen einfachen Grund: "Union hat ein eigenes Verständnis, wie Fußball sein soll." Ein Verständnis vom Fußball, in das die Philosophie von RB Leipzig so gar nicht reinpasst. Im Gegenteil: "RB Leipzig symbolisiert genau das, wofür Union als Verein, aber auch Unions Fans nicht stehen."

Es ist dabei eine Kombination verschiedener Dinge, die Unions Fans, aber auch den Verantwortlichen in Köpenick mit Blick auf RB Leipzig sauer aufstößt. Allen voran wäre da die Tatsache, dass viele den Klub in erster Linie als Marketingtool für Red Bull sehen. Hinzukommt, dass der Getränkehersteller mittlerweile weltweit nach einem Franchise-Prinzip gleich mehrere Profi-Fußballklubs "betreibt". Regelmäßig werden in diesem RB-Netzwerk Jugendspieler, aber auch Profis hin und her transferiert. Auch dass RB Leipzig sich in Sachen 50+1-Regel, die auch zu großen Einfluss von Geldgebern auf ihre Klubs verhindern soll, geschickt in einer Grauzone bewegt, bietet Grund zum Unmut. Die Konsequenz hieraus fasst abermals Fiebrig zusammen, indem er sagt: "Eine Akzeptanz RB gegenüber gibt es in den Bundesliga-Fanszenen nicht."

Ein rote Linie überschritten

Dass RB Leipzig sich sportlich in der Bundesliga mittlerweile sehr erfolgreich etabliert hat, ändert hieran nicht viel. Auch dass die Sachsen den deutschen Fußball mit je einem Halbfinaleinzug in Champions und Europa League international bereits bemerkenswert vertreten haben, sorgt eher für zusätzlichen Ärger. Allen voran verbunden mit dem Gefühl der Fans, dass diese Erfolge erkauft und nicht organisch entstanden sind. So müssten sich Vereine wie etwa Union Berlin finanziell, aber auch in Sachen Vereinsstruktur "mit bestimmten Sachen auseinandersetzen, mit denen Leipzig sich nicht auseinandersetzen muss", sagt Sebastian Fiebrig.

Vielleicht sind bei Union auch deshalb nicht nur die Fans, sondern auch die Vereinsverantwortlichen keine großen Befürworter von RB Leipzig. Präsident Dirk Zingler kritisierte die Philosophie und die Strukturen des Klubs in der Vergangenheit mehrfach und mit deutlichen Worten. Etwa sagte Zingler in einem Interview mit der "Berliner Zeitung" einst, dass mit der Neugründung RBs und dem Konzept des Klubs aus seiner Sicht "eine rote Linie überschritten“ wurde. Im Zuge der Diskussionen um die 50+1-Regel erneuerte Zingler seine Kritik im vergangenen Herbst.

Lautes Schweigen im Pokal-Halbfinale

Auch Unions Fans werden ihre Kritik am Konstrukt RB Leipzig in den kommenden Tagen erneuern. Sowohl am Mittwoch als auch am Samstag wollen die nach Leipzig mitreisenden Fans die ersten 15 Spielminuten schweigen und so für einen "Stimmungsboykott" sorgen, heißt es in einem Statement der Ultras vom "Wuhlesyndikat". Angesichts der sportlichen Wichtigkeit des Pokalhalbfinals und des Enthusiasmus, mit dem Unions Fans ihre Mannschaft normalerweise unterstützen, ist das durchaus bemerkenswert. "Das ist schon sehr effektiv und ein sehr lautes Schweigen", findet auch Sebastian Fiebrig.

Ein sehr lautes und noch dazu farblich einheitliches Schweigen. So stattet Union Berlin am Mittwoch alle Fans im Gästeblock mit einem eigenen, knallroten Pullover aus. "Volle Pulle Union" wird auf diesen neben einer aufgedruckten Glasflasche zu lesen sein. Ganz so dramatisch wie das "In Leipzig stirbt der Fußball" auf dem Banner vor zwei Jahren ist diese Aufschrift nicht. Eine kleine Spitze in Richtung der Getränkedosen-herstellenden Finanziers von RB Leipzig ist sie dennoch allemal.

Sendung: rbb24, 19.04.2022, 18 Uhr

Beitrag von Jakob Lobach

22 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 22.

    Wenn Sie Ihre eigenen Augen aufmachen und nicht auf den ausgesprochen merkwürdigen Live-Kommentar im Fernsehen hören, dann löst sich Ihre Behauptung von der Schwalbe in Luft auf. Das Foul wäre darüber hinaus überhaupt nicht nötig gewesen und war daher eine große Dummheit. Nur gut, dass weder Sportreporter noch Fans über solche Dinge zu entscheiden haben, und auch gut, dass es den Videobeweis gibt. Union hat ein sehr gutes Spiel gemacht, aber nicht irregulär verloren.

  2. 21.

    Mit Hilfe einer Schwalbe den Elfer geschunden, schämt euch.

  3. 20.

    Von wegen in Leipzig stirbt der Fußball, es gibt auch ehrliche Traditionsvereine in Leipzig. Allen voran der größte Verein der Messestadt, LOKOMOTIVE LEIPZIG.

  4. 19.

    Zitat: "Es gibt keine Unterschiede im kommerziellen Fußball . . ."

    Aha, zwischen bsw. dem Drittligisten TSV Havelse und dem Scheich-Club ParisSG besteht also kein Unterschied - sind ja beides Profiklubs. Sie haben ja den vollen Durchblick, Pinguin.

  5. 18.

    es ist schon witzig! Auf den Fotos sieht man hauptsächlich Kids, höchstens Anfang 20. Die wollen den Leuten erklären, dass Fußball doch bitte so sein muss wie früher. Dabei kennen sie das "Früher" nur aus mystischen Erzählungen der Älteren. Mein Gott es ist doch nur Fußball. Warum nehmt ihr das so ernst?

  6. 17.

    Keine Unterschiede im kommerziellen Fußball??? Ein "Scheiss-Modell", was irgendwie ehrlicher ist??? Tja, wenn Pinguine anfangen zu denken, fangen die Polkappen an zu schmelzen...

  7. 16.

    Eigentlich müssen die aufgebrachten Unioner doch froh sein, dass es sowas wie Red Bull Leipzig (und natürlich die böse Hertha mit dem windigen Investor) gibt. Das ist doch der Treibstoff für die eigene Selbstwahrnehmung als die Guten, bei denen Fußball noch ein ehrliches Handwerk frei von Kommerzialisierung ist (lach). Ich frage mich jetzt nur gerade, was eigentlich schlimmer ist: Der Dünkel der eigenen moralischen Überlegenheit der einen oder die totale Kommerzialisierung der anderen? Oder nervt vielleicht beides?

  8. 15.

    Es gibt keine Unterschiede im kommerziellen Fußball - da können sich die Köpenicker noch so toll finden... Pseudo-Gralshüter!
    Finde das Leipziger Modell auch sch..., aber irgendwie auch ehrlicher...

  9. 14.

    Ja nee, is klar! Wenn man Teil eines (kommerziellen) Ganzen ist, hat man jegliche Legitimation und Glaubwürdigkeit auf eine kritische Haltung verloren... Zu allem ja und amen sagen, mag nicht scheinheilig sein, ist aber ziemlich dämlich.

  10. 13.

    Die Scheinheiligkeit und Selbstbeweihräucherung der Förster nervt.
    Sind doch selbst schon Teil des Kommerz.

  11. 12.

    "im Moment alle alles geben und deren Ergebnis schon kurze Zeit verraucht und vergessen ist" - ja das passiert, wenn man den Sport jeden Tag vermarktet. Schade eigentlich, wenn durch Übertreibungen dann keiner mehr, auch wegen der fehlenden (Familien-)Zeit, einschaltet, geschweige denn dafür bezahlen will. Die Quoten sind messbar und gefühlt wird kaum noch privat darüber diskutiert. Eine Vorstufe der notwendigen "Erdung"?

  12. 11.

    Super intelligent: Wenn man den Unterschied zwischen einem (zugegeben nicht sonderlich sympathischen) Trikotsponsor und einem Investor à la Abramowitsch oder Mateschitz nicht erkennen kann oder will. Niemand bei Union hat je behauptet, dass Profifussball ohne Geld & Geldgeber möglich ist. Im Gegensatz zum Leipziger Getränkekombinat, was sich an Paragraphen vorbei und von korrupten DFB- und DFL-Bonzen geduldet, in die Fußballlandschaft hinein gemogelt hat (Stichwort: Aushebelung der in Deutschland geltenden 50+1-Regelung), gibt es laut Wikipedia 21 Mitglieder (oder besser devote Mateschitz-Marionetten), bei Union sind es über 40.000 mündige Mitglieder. Hier ist der Fußball Leidenschaft, dort Mittel zum (Werbe-)Zweck. Super lustig ist das nicht…

  13. 10.

    Letzten Endes geht es nur um das Eindämmen eines extrem kommerziellen Geschäftsgebarens. Dafür steht in der Tat Red Bull Leipzig, wie der Verein faktisch benannt werden kann.

    Ansonsten hat sich der Spitzensport grundsätzlich von der Vorstellung eines körperlichen Ausgleichs wegorientiert, hin zu einer einseitigen Belastung spezifischer Körperpartien, mit der Folge fortgesetzten Dauerverletzungsrisikos. Insofern will ich die Sportförderung im Sinne einer Gesundheitsförderung mal getrost infragestellen.

    Keine Frage: Gegen ein wirklich schönes SPIEL habe ich überhaupt nichts, ganz im Gegenteil. Ein Spiel ist allerdings ein Spiel dadurch, dass im Moment alle alles geben und deren Ergebnis schon kurze Zeit verraucht und vergessen ist. Auch diese Art von Spiel ist leider gründlich durch die Tiefe einer Kommerzialisierung verdorben.



  14. 9.

    Hoffentlich heißt der Pokalsieger 2022 SC Freiburg oder Hamburger SV.

  15. 8.

    Ja warum gibt es RB Leipzig, möglicherweise weil Familien mit Ihren Kindern in´s Stadion gehen wollen ohne Angst haben zu müssen, ohne Gepöbel, Beleidigungen und blinde Zerstöhrungswut, gern gesehen, toleriert, verharmlost und als zum Fussball dazugehörend behauptet von den "Traditionsvereinen" doch dies alles gab es vor 100 Jahren nicht im Fussball dort gab es Respeckt, Anstand, Ehre, Fairnis und sportliche Bewunderung das sind übrigens die Werte die den Kindern in den Jugendbereichen beigebracht werden und warum RB in Leipzig weil man in den 90´gern und Nullerjahren mit dem falschen Shirt um sein Leben fürchten musste aber ist ja Tradition, ist ja ein Spiegelbild der Gesellschaft komisch nur beim Männerfussball nicht bei den Frauen und in anderen Sportarten nur wenn die tollen Fussballfans zum "anfeuern" vorbei schauen aber hey bei Union ist alles ganz anders schneeweiß und Lupenrein verlogene Diskussion

  16. 7.

    Super lustig!

    Mit "Aroundtown" auf dem Trikot gegen die Gentrifizierung des Fußballs demonstrieren.

  17. 6.

    Oha, danke für den Hinweis und Verzeihung für den Fehler. Wir haben es korrigiert.
    Beste Grüße

  18. 5.

    Total albern sich in solchen kleinen Statements zu verkeilen. Fußball ist reiner Kommerz! Man muss sich erstmal einkaufen, um ein Livespiel in der Glotze sehen zu können. Union bekommt einen Haufen Geld für Kruse um sich Michel leisten zu können. Seit Franz Beckenbauer ist der Fußball reiner Kommerz. Lächerlich sich in solchen Grabenkämpfen zu beweihräuchern.

  19. 4.

    Leipzig ist nicht die sächsische Landeshauptstadt, die heißt Dresden......

  20. 3.

    >"Oder um es in den Worten von Sebastian Fiebrig zu sagen: "RB Leipzig steht für all das, was man am modernen Fußball nicht mag."
    So ein Unsinn. Gerade das ist moderner Fußball: Kommerz bis der Ball platzt! Sebastian Fiebrig sucht sicher den eher sportorientierten Mannschafts-Fußball, den es in Grundzügen bei Union Berlin derzeit noch gibt.
    So rum wird ein Töppen draus.
    Und eigentlich macht solche Fanproteste den Club Union auch nicht gerade sympathischer. Nur durch einen sportlichen Sieg kann bewiesen werden, welche Art von Fußball besser funktioniert. Dann mal los Union!

Nächster Artikel