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Video: rbb24 | 12.05.2023 | Sebastian Meyer | Quelle: imago images/Matthias Koch

Bundesliga-Duell am Samstag

Was Union Berlin und den SC Freiburg trennt - und eint

Die jeweiligen Dialekte klingen im schlimmsten Fall wie verschiedene Sprachen und auch sonst haben Union Berlin und der SC Freiburg auf den ersten Blick wenig gemeinsam. Dabei könnten sie fast Geschwister sein. Von Ilja Behnisch

813 Autobahn-Kilometer liegen zwischen Union Berlins Stadion an der Alten Försterei und dem Europa-Park Stadion des SC Freiburg. Weiter voneinander entfernt sind in dieser Saison keine zwei Spielstätten in der Fußball-Bundesliga. Und auch sonst würde man auf den ersten Blick meinen, dass den 1. FC Union auf Rang vier und den SC Freiburg auf Platz fünf zwar nur ein Tabellen-Platz voneinander trennt, ansonsten aber Welten. Hier der Arbeiter-Verein aus Berlin-Köpenick, gegründet in einem Land, das es nicht mehr gibt. Dort der SC Freiburg, der ökologische Klub mit Akademiker-Touch - so zumindest das Klischee -, zu Hause in einer der wohlhabendsten Gegenden Deutschlands.

Schaut man genauer hin, sind sich Union und SC allerdings erstaunlich ähnlich. Zumindest im Kerngeschäft, beim Fußball.

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Die Trainer

Von Christian Streich weiß in Freiburg vermutlich jeder eine meist auch persönliche Geschichte zu erzählen. Entweder ist man ihm schonmal im Drogerie-Markt begegnet, vielleicht beim Radfahren in den umliegenden Bergen oder dem Markgräfler Land, in früheren Jahren soll er durchaus auch hier und da mal in einer Kneipe gesichtet worden sein. So ziemlich jede dieser Geschichten hat eines mit allen anderen gemeinsam: nämlich die Erkenntnis, dass er wirklich so ist, dieser Christian Streich. Wirklich so wie in den längst legendären Pressekonferenzen, zu deren Ende meist noch Fragen von gesellschaftlicher Relevanz gestellt werden. Dann windet er sich zunächst, dieser Christian Streich. Was soll er da jetzt sagen, er ist ja nur ein Fußballtrainer.

Währenddessen spürt man es aber schon arbeiten ihn ihm, ehe es herausbricht, gern eingeleitet mit einem "Das ist schon Wahnsinn". "Streich der Woche" nannte die ortsansässige "Badische Zeitung" die mitgefilmten Auslassungen des SC-Trainers vor einigen Jahren auf Youtube. Davon ist Urs Fischer nun mindestens mal soweit entfernt wie die Alte Försterei vom Europa-Park Stadion. Fischer gilt als eher wortkarg, dabei muss man oft nur genauer hinhören. Eingebettet in sanfte Schweizer Floskelwolken zeigt Unions Trainer durchaus klare Kante. Auf einen "Fischer der Woche" wird man wohl dennoch vergeblich warten müssen.

Im Stadtleben Berlins ist Fischer ebenso wenig präsent. Eigentlich weiß man nur, dass der Mann gern angelt. Ähnlich sind sich Streich und Fischer dennoch, nämlich dann, wenn es um Fußball geht: Disziplin ist das oberste Gebot. Erst unlängst diktierte Freiburgs Dauerbrenner-Trainer nach einem Sieg über Schalke: "Die eigene Erfolgsbilanz", so Streich, habe "viel mit Haltung und Disziplin zu tun. Wenn du das nicht machst, dann hast du 10, 15 Punkte weniger." Es hätte ein Zitat Urs Fischers sein können.

Die Taktik

Auch beim fußballerischen Ansatz ähneln sich beide Klubs, beide Trainer. Mindestens so wichtig wie Haltung und Disziplin ist der alte, badische Leitspruch: Safety first. Wenn man kein Tor kassiert, kann man schonmal nicht mehr verlieren. Fußball wird sowohl bei Christian Streich als auch bei Urs Fischer von der Defensive aus gedacht. Abwehrverhalten kann man trainieren, die Offensive hingegen ist viel mehr abhängig von individueller Klasse, die man nur bedingt trainieren kann. Weshalb das ewige Vabanque-Spiel beider Übungsleiter vor allem in der Beantwortung der Frage besteht, wie viel fußballerischen Freigeist das eigene Spiel verträgt. Kein Wunder, dass jemand wie Max Kruse bei beiden Klubs aufblühte und glänzen konnte. Der Rest ist: Haltung und Disziplin.

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Das Umfeld

Der Erfolg beider Vereine ist nicht nur auf dem Rasen, sondern auch daneben vor allem eines: Teamarbeit. So verweigert Christian Streich schon mal die Mitarbeit an selbst wohlgemeinten Reportagen über ihn - es sei denn, der Text dreht sich um sein Trainer-Team. Auch Auszeichnungen als "Trainer des Jahres" sind ihm suspekt. Streich weiß zwar um sein großes Ego - anders wäre die Freude an so einer exponierten Position gar nicht möglich -, aber auch, dass er die Erfolge des Klubs niemals allein verantwortet. Das Wissen darüber hat tiefgehende Wurzeln, schließlich wohnte Streich lange Zeit mit SC-Sportdirektor Klemens Hartenbach in einer WG zusammen. Wohngemeinschaften sind bei Union Berlin keine bekannt. Dennoch wird man auch in Köpenick nicht müde, die Erfolge auf das gesamte Trainerteam und darüber hinaus mindestens auch auf die Schultern von Manager Oliver Ruhnert zu verteilen.

Die Fans

Für das Stadion An der Alten Försterei und das Europa-Park Stadion gilt einvernehmlich: Sehen und gesehen werden ist hier eher weniger angesagt. Wer zu Union oder dem SC geht, weiß, wie die Spieler heißen und auch um ihre Stärken und Schwächen. Spannungen zwischen Fan- und Haupttribüne sind eher die Ausnahme, ebenso wie Operetten-Publikum. Ehrliche Arbeit kommt mindestens so gut an wie ein Übersteiger.

Die Voraussetzungen

Sowohl der 1. FC Union Berlin als auch der SC Freiburg sind Vereine im klassischen Sinn. Und Herr der Lage. Sie besitzen ihre eigenen Stadien, haben diese sukzessive modernisiert (Union) oder gar neu erreichtet (Freiburg). Ohne strategische Partner oder Anteilsverkäufe sind die finanziellen Mittel im Vergleich zum Rest der Bundesliga dennoch beschränkt. Schaut man auf die aktuellen Finanzkennzahlen der Deutschen Fußball Liga (DFL), zeigt sich, dass lediglich der VfL Bochum weniger Gehälter für den Lizenzspieler-Etat zahlt als Union. Und nur Bochum, Union und Augsburg haben geringere Personalkosten als Freiburg. Nun sind diese Zahlen aus dem Geschäftsjahresende 2021. Seither kann es durchaus Verschiebungen gegeben haben, zumal Union und Freiburg durch die Teilnahme am Europapokal auch höhere Einnahmen zu verzeichnen hatten. Es darf dennoch mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass beide Klubs auch in dieser Saison eher zum unteren Bundesliga-Drittel zählen, wenn es um die Aufwendungen für den Lizenzspieler-Etat geht.

Sendung: rbb24, 12.05.2023, 22 Uhr

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