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Quelle: imago-images/Martin Müller

Proteste in Potsdam geplant

"Durchseuchung in Sammelunterkünften bewusst in Kauf genommen"

Für Wohnungen für Flüchtlinge und gegen Sammelunterkünfte will ein Bündnis aus 16 flüchtlingspolitischen Initiativen am Montag in Potsdam demonstrieren. Ihre Botschaft richtet sich auch an die Gesellschaft. Von Uta Schleiermacher

Mit einer Fahrrad-Sternfahrt und zwei Kundgebungen will ein Bündnis aus flüchtlingspolitischen Initiativen und der Seebrücke auf die Lebensbedingungen von Flüchtlingen aufmerksam machen. Am Montagmittag wollen sie dazu zunächst mit vier Fahrradkonvois an insgesamt zehn Gemeinschaftsunterkünften in Potsdam vorbeifahren. Bei Demo und Kundgebungen gelten Abstandsgebot und Maskenpflicht, versammeln dürfen sich aufgrund der aktuellen Eindämmungsverordnung dazu maximal 150 Menschen.

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"Die Menschen wohnen zu mehreren Personen in kleinen Zimmern zusammen und teilen sich eine Küche mit 15 Personen", sagt Mustafa Hussein. Er gehört zu We’ll come united Brandenburg, einer offenen Initiative von Personen aus verschiedenen sozialen, antirassistischen und politischen Netzwerken. "Wir hatten Corona-Fälle in einer Unterkunft in Hennigsdorf, dort konnten die Menschen wochenlang nicht rausgehen, weil die Quarantäne immer wieder verlängert wurde, und dann wurden sie auch noch mit farbigen Bändchen gekennzeichnet", sagt er.

Hussein kennt die Situation in den Wohnheimen aus eigener Erfahrung. Er kam nach seiner Flucht aus dem Sudan nach Brandenburg und lebt inzwischen in Eberswalde, wo er demnächst ein Studium in Global Change Management beginnen wird.

"Aktuell ist eine Person aus einem Wohnheim in Bernau positiv auf das Coronavirus getestet worden. Dort haben sie nun zwanzig Menschen für zwei Wochen in Quarantäne geschickt. Für uns zeigt das wieder, dass die Menschen in den Wohnheimen keinen Abstand halten können und daher nicht ausreichend geschützt sind."

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Unterbringung in Wohnungen gefordert

Die Initiativen fordern daher, dass alle Geflüchtete aus Gemeinschaftsunterkünften in Brandenburg in eigene Wohnungen untergebracht werden sollen. Und sie kritisieren auch die Situation in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes in Eisenhüttenstadt, Doberlug-Kirchhain und Wünstorf-Waldstatt. "Das Lager in Doberlug-Kirchhain ist etwa fünf Kilometer vom Stadtzentrum und von Supermärkten entfernt", sagt er. "Trotzdem haben sie im März die einzige Busverbindung vom Lager in die Stadt eingestellt. Die Menschen konnten nicht mehr einkaufen, das war vor allem für Frauen und Familien mit kleinen Kindern schlimm."

Ihr Vorwurf: Flüchtlinge werden damit massiv benachteiligt. "Offenbar wird eine Durchseuchung und damit Gefährdung der Bewohner*innen von Sammelunterkünften in vielen Teilen Brandenburgs bewusst in Kauf genommen", heißt es in dem vom Flüchtlingsrat veröffentlichten Aufruf [Flüchtllingsrat Brandenburg]. Dabei gebe es mehrere einschlägige Gerichtsurteile, die besagten, dass Abstand halten, Kontaktbeschränkungen und ein effektiver Seuchenschutz in Sammelunterkünften nicht möglich sei.

Breites Bündnis von Initiativen

Es ist das erste Mal, dass sich 16 Brandenburger flüchtlingspolitische Initiativen für eine gemeinsame Aktion zusammengetan haben. Neben dem Flüchtlingsrat sind etwa Women in Exile, Barnim für alle und Seebrücke Potsdam vertreten, außerdem unterstützen Einzelpersonen den Aufruf. Entstanden ist die Idee bei mehreren Protestaktionen in Doberlug-Kirchhain, bei denen Bewohner und Aktivisten einen temporären PKW-Shuttle zwischen Wohnheim und Supermarkt organisiert und eine neue Busverbindung gefordert hatten.

"Entscheidungen darüber, was in der Unterkunft in Doberlug-Kirchhain passiert, werden auch hier im Landtag getroffen", sagt Philip Grunwald von Barnim für alle. "Daher wollen wir unseren Protest nun nach Potsdam tragen." Auf der Kundgebung werden auch Bewohner der Erstaufnahmeeinrichtungen und der Wohnheime berichten, wie sie dort leben. Die Initiativen haben nach eigenen Angaben im Vorfeld Geld gesammelt, um für die Fahrtkosten aus den teilweise weit entfernten Orten aufzukommen.

Auch Protest gegen die Lager in Griechenland

Die Seebrücke Potsdam will bei den Kundgebungen auch die Evakuierung der Lager auf den griechischen Inseln fordern. Teltow, Potsdam, Potsdam-Mittelmark, Schöneiche, Fürstenwalde/Spree und Neuruppin hätten sich bereits zu "sicheren Häfen" erklärt und seien bereit, Menschen aufzunehmen. Das Bündnis ruft weitere Landkreise und Kommunen dazu auf, sich anzuschließen, um nun auch die Landes- und Bundesregierung zum Handeln zu bewegen.

Appell an die Zivilgesellschaft

Doch die Botschaft richtet sich auch an die Zivilgesellschaft, betont Fatuma Musa Afra, die sich mit ihrem Verein United Action vor allem für geflüchtete Frauen und Mädchen einsetzt. "Wir sind es eigentlich müde, die Politik zu bitten, etwas zu ändern", sagt sie. "Natürlich werden wir uns weiter an sie richten, aber wir können nichts verändern, wenn die Gesellschaft sich nicht öffnet, beim Vermieten von Wohnungen, Kontakte in der Nachbarschaft oder natürlich auch Freundschaften", sagt sie. "Die Menschen sind auf der Suche nach Schutz und Gemeinschaft nach Deutschland gekommen. Dazu kann jeder etwas beitragen, und wir bitten die Gesellschaft, jeden einzelnen, um Unterstützung."

Beitrag von Uta Schleiermacher

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