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Quelle: rbb (EUV Heide Fest)

Interview | Umweltökonom Reimund Schwarze

"Der deutsche Beitrag zum 'Green Deal' ist sehr gering"

Organisatorische Probleme und am Ende nur ein Minimalkompromiss - die UN-Klimakonferenz in Madrid hat viele enttäuscht. Umweltökonom Reimund Schwarze war als Beobachter dabei. Auch er ist ernüchtert, hat aber dennoch Hoffnung.

rbb: Herr Schwarze, Sie waren als Beobachter beim Klimagipfel in Madrid dabei. Wie bewerten Sie ihn?

Reimund Schwarze: Es ist nichts erreicht worden. Dafür ist ein großer Apparat in Bewegung gesetzt worden - und man hat eine Chance vertan. Die große Chance war, dass die Vertreter der Jugendbewegung "Fridays for Future" massenhaft auf der Konferenz waren. Es gab zwar schon vorher eine Klimajugend, aber die war ritualisiert und der Plenarsaal war meist leer, wenn die Klimajugend sprach. Das hat sich geändert.

Allerdings hat man die "Fridays-for-Future"-Vertreter auf halber Strecke rausgeschmissen und Proteste mit Polizei aufgelöst, so dass die Führerinnen - Frau Thunberg und Frau Neubauer - schon vor dem Ende der Konferenz abgefahren sind. Man war darauf nicht vorbereitet und hätte andere Formen finden müssen, um den Protest aufzunehmen.

Zur Person

Reimund Schwarze forscht an der Europa-Universität in Frankfurt (Oder) unter anderem zu  internationaler Umweltökonomie und arbeitet am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung. Den UN-Klimagipfel beobachtet er seit 16 Jahren vor Ort.

Was sagen Sie zu den Klimaschutz-Maßnahmen, die auf dem Gipfel beschlossen - beziehungsweise nicht beschlossen wurden?

Es wird allgemein in den Medien und auch von Politikern gesagt, dass diese Konferenz verschenkt war. Auch ich kann keinen Fortschritt im Vergleich zum vergangenen Gipfel in Kattowitz erkennen.

Ich bin aber auch ein bisschen erschreckt über den Shitstorm in den Medien gegen die Veranstalter, vor allem die chilenische Führung. Ich weiß, dass nicht alles gut gelaufen ist. Es war aber auch schwierig, weil die Konferenz zweimal weitergereicht worden ist. Zuerst sollte sie nach Brasilien. Aber weil Präsident Bolsonaro seinen Wald abbrennen wollte und das nicht so richtig passte zur Klimakonferenz, ging sie nach Chile. Dort haben Menschen, die wir hier Gelbwesten nennen würden, die Straßen unsicher gemacht.

Dann wurde sie spontan, vier Wochen vor Sollbeginn nach Madrid verschoben. Es ist den Spaniern gelungen, dass noch relativ reibungslos zu organisieren - um doch noch etwas Positives zu sagen. Aber die chilenische Führung war natürlich angeschlagen und nicht sehr durchsetzungsstark. Sie konnte das nicht generalstabsmäßig durchexerzieren, wie noch Herr Fabius [französischer Außenminister Laurent Fabius, Anm.d.Red.] beim Gipfel in Paris.

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Was hatten Sie im Vorhinein für möglich gehalten, was nun nicht erreicht wurde?

Die Konferenz hatte drei Themen: Zum einen sollte das Regelwerk zur Umsetzung des berühmten Paris-Abkommens beschlossen werden. Das war im vergangenen Jahr in Kattowitz nicht gelungen, weil es beim Emissionshandel Auseinandersetzungen gegeben hatte. Der Beschluss dieses Regelwerks war das Mindeste, was hätte erreicht werden müssen.

Zweitens wollte man sich überlegen, wie man mit Klimaschäden in den ärmsten Staaten und den am meisten betroffenen Inselstaaten umgeht. Diese Länder wollen Kompensation und Hilfe zur Bewältigung der Schäden. Drittens ging es wie immer um Ambition. Wir brauchen mehr Klimaschutz, um diese Schäden zu vermeiden. Was hat man erreicht? Der "Green Deal" der EU [Infos dazu bei tagesschau.de] ist der einzige spektakuläre Schritt nach vorne. Alle anderen großen Spieler -  China, Russland, Japan - haben Versteck gespielt.

Woran lag es noch, dass so wenig erreicht wurde?

Brasilien unter Bolsonaro hat die Klimakonferenz nicht nur nicht gewollt, sondern die letztlich durchgeführte Konferenz ausgebremst, wo es nur konnte. Die Hauptbremser waren außerdem die USA und Japan. Für mich war aber auch entscheidend, dass Länder wie China, die internationale Verantwortung übernehmen wollten, sich wieder zurückgezogen haben auf den Standpunkt, dass sie eigentlich Entwicklungsländer seien und daher nicht in der Verantwortung stünden.

Haben sich derartige Gipfel jetzt erschöpft? Werden Veränderungen nun von populären Bewegungen wie "Fridays for Future" angestoßen?

Die beiden schließen sich nicht gegenseitig aus. Der Viadrina-Ansatz, der auch meiner ist, hält den Multilateralismus weiter hoch, auch wenn es manchmal wehtut. Wer würde denn profitieren, wenn es nicht zu weiteren Konferenzen käme? Es sind die Bolsonaros und Trumps, die sagen: 'America first!' und 'Brazil first!' Gewinnen würden die Gegner einer weltweiten Klimaschutzlösung.

Wie sehen Sie den deutschen Beitrag zur Konferenz?

Ich habe das Gefühl, dass Deutschland sich etwas hinter dem "Green Deal" der EU versteckt hat. Der deutsche Beitrag dazu ist mit dem Klimapaket sehr gering.

Wir wissen auch, dass dabei nicht das deutsche Modell rauskommt. Wir wissen jetzt schon: Europa wird nur grün mit Nuklearenergie. Dazu gibt es keine Alternative, weil viele Länder darauf bestehen.

Ich würde sagen: ein gutes Ergebnis seitens der EU und ein gut verkauftes, kleines Klimapaketchen seitens Deutschlands. Ich bin auch froh zu hören, dass da jetzt nachgearbeitet wird. Vielleicht ist das schon der erste Effekt der vorpreschenden EU-Kommission.

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Welchen Chancen und Risiken bietet Klimaschutz für Brandenburg, etwa angesichts der geplanten Tesla-Ansiedlung und des Kohleausstiegs?

Tesla ist sicher ein Gewinn für Brandenburg. Ich glaube auch, dass das Wissenschaftscluster in Brandenburg und Berlin hervorragend ist. Die Tesla-Aktie ist auch nach Klimagipfel wider erwarten gestiegen.

Bei der Kohle gehe ich davon aus, dass der Kohlekompromiss hält. Verträge sind einzuhalten. Beim "Green Deal" geht es im Kern auch um die Bewältigung der Brandenburger Probleme im europäischen Maßstab. Dazu gehören Tesla, Kohleausstieg, alternative Angebote für Betroffene und Respekt vor deren Lebensleistung.   

In Madrid haben mit den USA und Brasilien zwei Länder gebremst, die von Rechtspopulisten regiert werden. Auch deutsche AfD-Vertreter behaupten, der Klimawandel sei nicht menschengemacht, und lehnen den Kohleausstieg ab. Wie sehen Sie das?

Ich würde sagen, die AfD instrumentalisiert Protest und Unmut, hat aber keine eigene Vision. Ich denke, die Kombination aus Tesla und anderen Strukturwandel-Initiativen wie Bildung ist die Antwort auf die AfD. Es bedarf auch des Respekts vor Lebensleistung. Da haben Menschen ihr ganzes Leben hart gearbeitet. Das ist auch Teil des Wiederaufbaus nach dem Krieg und nach der Wende. Diese Menschen müssen auf den Strukturwandelzug mitgenommen werden. Dazu gehören Respekt, Möglichkeiten zur Weiterbildung und Umschulung sowie Optionen in der Region.

Das Interview führte Philip Barnstorf, Studio Frankfurt (Oder)

Sendung: Antenne Brandenburg, 17.12.2019, 14:40 Uhr.

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