rbb24
  1. rbb|24
  2. Wirtschaft
Audio: rbb24 Inforadio | 28.04.2022 | Sebastian Schöbel | Quelle: dpa/Annette Riedl

Anhörung im Abgeordnetenhaus

Berlin leidet unter hohen Energiepreisen

Die Preise für Strom und Gas steigen und steigen - und das angedrohte Gas-Embargo Russlands verschärft die Lage weiter. Bei einer Anhörung von Experten im Berliner Abgeordnetenhaus wurde nun deutlich, wie umfassend die Sorgen sind. Von Sebastian Schöbel

Dass die steigenden Gaspreise Menschen in Berlin Sorge bereiten, merken aktuell vor allem die Verbraucherschützer. Denn dort, sagt Dörte Elß von der Berliner Verbraucherzentrale, stünden gerade die Telefone nicht still: Die Angst vor der Gassperre gehe um - und zwar nicht nur bei sozial schwachen Menschen, sagt Elß. "Es sind auch Gruppen betroffen, die bisher keine Sozialleistungen brauchten."

Rund 100.000 Mal haben Gasversorger 2021 Kunden damit gedroht, wegen unbezahlter Rechnungen den Gashahn zuzudrehen. Nun befürchten Beobachter, dass die Zahl steigen wird.

Interview | Berliner Schuldnerberatung

"Wir haben hier gestandene Männer, die plötzlich anfangen zu weinen"

Die Zahl der Privatinsolvenzen in Berlin und Brandenburg steigt. Marco Rauter von der Schuldner- und Insolvenzberatung in Neukölln bekommt täglich mit, was das bedeutet. Im Interview spricht er über Scham, Inkassotricks und gibt Tipps für Schuldner.

Gas nur eine Seite der Energie-Krise

Denn die Preise steigen weiter - nicht nur, aber auch wegen des Krieges in der Ukraine. Leider werden das viele Kunden erst mit der Jahresendabrechnung merken, befürchtet Dörte Elß. "Und dann kommt es doppelt: Mit hohen Abschlägen und Nachzahlungen."

Gas ist aber nur eine Seite der Energiekrise: So habe eine Megawattstunde Strom im März dieses Jahres im Durchschnitt 252 Euro gekostet, rechnet Kerstin Busch von den Berliner Stadtwerken vor. "Im März '21 waren es 47 Euro. Das ist ein Plus von 436 Prozent." Viele Stromanbieter hätten unter dem Druck der Preisentwicklung schlicht Insolvenz angemeldet und ihren Kunden gekündigt - und sich dabei zum Teil höchst unseriös verhalten, so Busch. Aufgefangen wurden die Stromkunden durch die Grundversorger.

Die Stadtwerke hätten zwar Stromlieferungen mit langfristigen Verträgen abgesichert - doch man müsse durch die vielen Neukunden auch kurzfristig teuren Strom hinzukaufen. Wie sich die Preise weiterentwickeln, sei nicht vorhersehbar, sagt Busch. "Letztes Jahr dachte ich, ich könnte es. Aber mit der Ukraine-Krise kann ich das nicht mehr."

Auch Unternehmen spüren Auswirkungen

Doch es sind nicht nur Privathaushalte, die unter der Energie-Krise leiden. Auch die Unternehmen spüren die Auswirkungen, klagt Martin Greif, Geschäftsführer des gleichnamigen Textilservice-Unternehmens. Strom sei 30 Prozent teurer geworden, Kraftstoff 60 Prozent und Gas sogar 280 Prozent. Sein Unternehmen wäscht vor allem für Hotels, Pflegeheime und Krankenhäuser, sagt Greif. "Wenn wir kein Gas bekommen, können wir keine Bettwäsche für Gesundheitswesen, Flüchtlingsunterkünfte, hygienische Kleidung für Gastronomie oder Schutzausrüstung für Energieversorgung liefern."

Greif fordert, dass auch Zulieferer von kritischer Infrastruktur als systemrelevant betrachtet werden - und im Fall eines Gasembargos Russlands weiter beliefert werden, aus den Gasreserven des Bundes. Unternehmer wie Martin Greif, aber auch die Stadtwerke Berlin, fordern von der Politik: finanzielle Hilfe, Steuervergünstigungen, Zusicherungen für den Ernstfall.

Rat der Verbraucherzentrale: Zähler ablesen und Kosten kontrollieren

Doch zumindest dem Senat seien die Hände gebunden, räumt Wirtschaftssenator Stephan Schwarz ein (parteilos, für die SPD): Fast alles, was den Energie Markt betrifft, auch die Notfallpläne etwa für Gas, seien Bundessache. Berlin könne nur begrenzt helfen, so Schwarz: Über Förderungen und Zuschüsse berate man schon, großzügig Geld verteilt werde aber nicht. "Der Staat kann nicht alles richten. Die Berliner Wirtschaft muss sich kreativ resilient zeigen", sagt der Senator.

Den Privatkunden der Energieversorger rät die Verbraucherzentrale derweil, die Zähler abzulesen und Kosten zu kontrollieren, um böse Überraschungen zu vermeiden - oder früh zu erkennen, damit man sich Hilfe holen kann.

Sendung: rbb24 Inforadio, 27.04.2022, 07:20 Uhr

Beitrag von Sebastian Schöbel

Artikel im mobilen Angebot lesen