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Audio: rbb Kultur | 02.09.2022 | Sigrid Hoff | Quelle: Nolde Stiftung Seebüll/Galerie Bastian Berlin

Anatomie aus Licht und Wasser

Galerie Bastian stellt Werk und Leben Emil Noldes aus

Emil Noldes Bilder faszinieren. Über sie reden wollen viele zuletzt aber nicht. Zu sehr war Noldes Lebensgeschichte in Verruf. Nun werden die Werke ausgestellt. Sigrid Hoff fragt sich, wie man die Werke heute betrachten kann - oder muss.

Dunkelblaue Wogen bauschen sich auf, als wollten sie gleich auf die Betrachter herabstürzen. Weiße Schaumkronen setzen helle Lichtpunkte vor dem von der Abendsonne tiefrot gefärbten Himmelsstreifen am Horizont. Das Aquarell aus dem Jahr 1930 fängt die dynamische Urgewalt des Meeres mit intensiven Farben ein. Fast abstrakt wirkt das Bild mit seinen ineinander verlaufenden Farbflächen. In einem anderen - undatierten - Aquarell daneben türmt sich eine blutrote Wolke über dem Wasser auf und nimmt fast die ganze Fläche des Blattes ein.

Quelle: Nolde Stiftung Seebüll/Galerie Bastian Berlin)

Ausstellung als Ergebnis jahrelanger Arbeit

Die Ausstellung "Anatomie aus Licht und Wasser" im hohen kubischen Raum der Galerie Bastian wirkt konzentriert bei aller Unterschiedlichkeit der Bilder, die überwiegend aus der eigenen Sammlung der Galerie Bastian stammen. 18 Aquarelle Emil Noldes zeigt die Ausstellung nun insgesamt.

Aeneas Bastian hat die Ausstellung kuratiert. Dem für die Besucher nun sichtbaren Ergebnis sei eine jahrelange Arbeit vorausgegangen: "In den vergangenen zehn Jahren konnten wir eine Nolde-Werkgruppe zusammentragen und mit Unterstützung der Nolde-Stiftung in Seebüll, wo der Nachlass des Künstlers aufbewahrt wird, ist es uns gelungen, diese Ausstellung zusammenbringen."

See als Spiegel von Emotionen

Es sind beeindruckende Blätter, auf denen Nolde das Meer und die Küstenlandschaften ohne Menschen darstellt. Erstaunlicherweise ist es die erste Ausstellung seit langer Zeit, die sich diesem wichtigen Thema im Werk von Emil Nolde widmet. Die See wird in seinen Bildern zum Spiegel von Emotionen, aufgeladen durch das Wetter und unterschiedliche Tagesstimmungen. Mit weichem Pinsel schafft Nolde hier die Übergänge. Mal ist die Fläche lichtdurchflutet, dann wieder eher neblig trüb oder dunkel im Sturm. Ins Auge fällt besonders eine Gruppe von vier quadratisch anmutenden Aquarellen mit Segelschiffen auf rot-gelber Fläche, die an William Turner erinnert.

Es sei die Feinheit der Technik, die den besonderen Reiz der Arbeiten ausmacht, bemerkt Aeneas Bastian: "Nolde verwendet dünnes Japanpapier, das eine besondere Absorptions- also Saugfähigkeit besitzt, die Farben zerfließen geradezu. Er lässt sie frei laufen, etwas was er in der Ölmalerei nicht tut."

Quelle: Nolde Stiftung Seebüll/Galerie Bastian Berlin

Freund und Feind von Nationalsozialisten

In letzter Zeit war es weniger Noldes Kunst als die dunkle Vergangenheit des Malers, die im Vordergrund von Ausstellungen und Debatten stand. Emil Nolde und seine Frau waren begeisterte Anhänger Adolf Hitlers, der Künstler trat der NSDAP bei und warb um die Gunst des Regimes. Doch ohne Erfolg: 1937 wurden mehr als 100 Arbeiten Noldes aus deutschen Museen beschlagnahmt und in der Propagandaschau "Entartete Kunst" in München diffamierend ausgestellt. Noldes Bilder gehörten dazu. Sie erschienen der NS-Propaganda zu avantgardistisch.

Der Maler erhielt in der Folge faktisch ein Ausstellungs- und Arbeitsverbot und konnte nur noch in seinem Atelier in Seebüll in Schleswig-Holstein malen. Nolde protestierte erfolglos dagegen, allerdings interessierte ihn dabei nur sein eigener Vorteil. Auch nach 1945 distanzierte er sich nicht von seiner Haltung. Das belegt die jüngere Forschung mit neu aufgetauchten Dokumenten. 2017, zu Noldes 150. Geburtstag, titelte die Bild-Zeitung "Emil Nolde war ein Nazi, seine Kunst aber entartet".

2019 beleuchtete eine große Ausstellung im Hamburger Bahnhof in Berlin diese Ambivalenz. Der Kurator betonte damals, dass man inzwischen mehr über Noldes Entwicklung wisse, über seine Verstrickung in eine grauenhafte Ideologie für die es keine Entschuldigung gebe, da Nolde sich selbst nie entschuldigt habe.

Quelle: Nolde Stiftung Seebüll/Galerie Bastian Berlin

Ausstellung verschweigt Lebensgeschichte nicht

Muss man Noldes Kunst aufgrund seiner Biografie jetzt anders sehen? Die Chronologie, die an der Wand im Galerieraum die biografischen Stationen des Malers aufführt, verschweigt nichts. Seine Malweise, so Aeneas Bastian, sei unverändert geblieben, der nationalsozialistischen Kunstdoktrin habe er sich nicht angepasst: "Ich glaube, wir müssen nur die Biografie mit ihren vielen Widersprüchen und großen Schwächen akzeptieren und heute transparent darstellen."

Für ihn seien die Bilder zeitlose Naturbetrachtungen über die Urgewalt des Meeres, in denen es kein Gestern, Heute oder Morgen zu geben scheint. Und doch wird man auch Noldes Naturbeobachtungen nicht mehr ohne ambivalente Gefühle betrachten können.

Die Ausstellung "Emil Nolde - Anatomie aus Licht und Wasser" wird in der Galerie Bastian in Berlin vom 03.09.2022 bis zum 29.10.2022 gezeigt.

Sendung: rbb Kultur, 02.09.2022, 16:00 Uhr

Beitrag von Sigrid Hoff

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