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Audio: Inforadio | 20.04.2022 | Nico Hecht | Quelle: Blickwinkel/H. Bellmann & F. Hecker

Asiatische Tigermücke in Berlin

Gekommen, um zu bleiben?

Die Asiatische Tigermücke überträgt gefährliche Tropenfieber wie Zika oder Dengue. Im vergangenen Jahr konnte sie sich in einem Berliner Kleingarten vermehren. Um sie wieder loszuwerden, muss schnell gehandelt werden. Von Oliver Noffke

Regentonnen abdecken, das Wasser in Planschbecken regelmäßig austauschen, Gießkannen oder Vogeltränken intensiv reinigen, bevor sie den Garten verlassen. In einem Kleingartenverein in Treptow-Köpenick gelten in den kommenden Wochen und Monaten strenge Regeln. Alle stehenden Wasseransammlungen sollen verhindert werden, sonst droht im Sommer eine Plage. In der Kleingartenanlage Vogelsang 1 wurde die Asiatische Tigermücke nachgewiesen. Selbst kleinste Pfützen wären ihr ein idealer Brutplatz.

Diese Stechmücke hat einen schlechten Ruf. Sie gilt als aggressiv und lästig, sie nähert sich lautlos, nervt ihre Opfer mit juckenden Wunden und verbreitet Krankheiten sehr effektiv. Nicht jeder Erreger ist mit jeder Stechmückenart kompatibel. Manche Mücken können Viren aufsaugen, aber nicht weitergeben. In der Asiatischen Tigermücke fühlen sich allerdings besonders viele verschiedene Erreger wohl. Darunter auch gefährliche tropische Fieberkrankheiten wie Dengue, Chikungunya, Zika oder das West-Nil-Virus. Für mehr als 20 verschiedene Keime ist die Asiatische Tigermücke das ideale Taxi. Außerdem sticht diese Mückenart mit Vorliebe mehrere Menschen hintereinander.

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Übertragung tropischer Krankheiten in der Region sehr unwahrscheinlich

"Wir wissen nicht, ob die Mücke hier über den Winter gekommen ist. Aber es ist wahrscheinlich." Biologin Doreen Werner konnte im vergangenen Spätsommer Eier, Larven und Puppen der Stechmücke in Treptow-Köpenick aufspüren. Zuvor hatte ihr ein Pächter ein erwachsenes Exemplar zugeschickt, das er nicht zuordnen konnte. Dass alle Entwicklungsstadien in der Kleingartenanlage nachgewiesen wurden, könnte laut Werner bedeuten, dass eine stabile Population entstanden ist.

Bisher ist die Asiatische Tigermücke vor allem in Süddeutschland aufgetaucht, sagt Werner: in Bayern, Baden-Württemberg, aber auch in Thüringen und Nordrhein-Westfalen. "Brandenburg ist nach unserem Wissen komplett frei von der Asiatischen Tigermücke", so die Expertin, "in Berlin hatten wir bereits 2017 einen Nachweis." Damals wurden allerdings keine Anhaltspunkte ausgemacht, die auf Nachwuchs hingedeutet hätten.

Dass in naher Zukunft ein gefährliches tropisches Fieber in Berlin ausbricht, ist zudem unwahrscheinlich. Die Viren, die diese Stechmücke befallen, brauchen meist sehr warme Temperaturen, um sich überhaupt vermehren zu können.

"Nur weil die Mücke hier ist, heißt das noch lange nicht, dass auch die Krankheit hier ist", lautet ein Mantra des Robert-Koch-Instituts. Denn die Stechmücken müssen hier erst auf jemanden treffen, der ein entsprechendes Virus in sich trägt. "Aber die Wahrscheinlichkeit würde bestehen, dass zum Beispiel ein infizierter Reiserückkehrer hier mit dieser Mücke zusammentrifft", sagt Werner. "Dann könnte es zu einer Übertragung kommen."

Mücken in die Post

Asiatische Tigermücken sind tagaktiv und überaus flugfaul. Lediglich 100 bis 200 Meter entfernen sie sich von ihren Brutstätten. Auf gut Glück Fallen aufzustellen, wäre deshalb extrem aufwendig und kostenintensiv. Zumal es um ein Tier geht, das höchstens einen Zentimeter groß ist und, trotz seiner hohen Medienpräsenz, nach wie vor extrem selten bei uns ist.

Doreen Werner arbeitet am Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (Zalf). Gemeinsam mit dem Friedrich-Löffler-Institut betreibt sie den Mückenatlas. Wer eine ungewöhnliche Mücke findet, kann sie an Werner und ihre Mitstreiter schicken. "So können wir einheimische Arten kartieren, bei denen wir noch gar keinen Wissensstand haben", sagt Werner, "und auf der anderen Seite auch invasive Arten detektieren." Hierzulande kann die Asiatische Tigermücke eine ideale Nische besetzen, sagt die Expertin: Denn sie brütet an Wassern, die etablierten Arten viel zu klein wären. Für Werner steht aber auch fest, dass diese Art de facto längst in unseren Breiten heimisch ist, da sie bereits mehrere Mückengenerationen ausbilden konnte.

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Traumbrutstätte Reifendeponie

Ursprünglich war diese Art in Fernost beheimatet. Ihrer Trägheit zum Trotz ist sie mittlerweile in der ganzen Welt zu finden. Neben Ostasien auch in Australien, Amerika, Afrika und im südlichen Europa. Einzelne Tiere sind sicher als blinde Passagiere in Lkw oder Flugzeugen an neue Orte gelangt. Einen Schub bei der Ausbreitung lieferte allerdings der internationale Handel mit Gebrauchtreifen. Denn Reifendeponien sind ideale Brutgebiete.

Einige Insektenarten fühlen sich an modrigem Wasser in ungenutzten Reifen besonders wohl. Die Asiatische Tigermücke legt ihre Eier knapp über der Wasserlinie – in alten Reifen klebt sie die Eier an die Innenseiten. Bei Trockenheit können sie dort lange bleiben, ohne zu verenden, und so auch Transporte in ferne Länder überstehen. Kommen die Reifen später mit Wasser in Berührung, etwa bei einem Regenschauer, schlüpfen die Larven. Die Asiatische Tigermücke ist da.

Dass Populationen dauerhaft überleben können, heißt dies aber nicht. Das Insekt liebt tropische Temperaturen. Lange, kalte, frostreiche Winter machen den Tieren den Gar aus. Was allerdings heißt, dass die Zeit auf der Seite der Asiatischen Tigermücke ist. Die rapide Erwärmung des Klimas, immer kürzere Winter oder komplett ausfallende Frostperioden machen es wahrscheinlicher, dass die Mücken bei uns überwintern können.

Trockenlegen, bevor es zu spät ist

In der Kleingartenanlage Vogelsang 1 soll die Asiatische Tigermücke nun "bekämpft und möglichst wieder eliminiert werden", hat das zuständige Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) angekündigt. Expertin Doreen Werner hält dieses Ziel für realistisch. "Wenn man alle Eierablagemöglichkeiten entfernt, dann kann man die Population relativ gut eindämmen, wenn nicht sogar eliminieren." Der ideale Zeitpunkt dafür ist jetzt, sagt sie.

Informationen des Lageso zum Nachweis der Asiatischen Tigermücke in Treptow-Köpenick [kga-vogelsang1.de].

Um die Ausbreitung der Stechmücken zu beobachten, findet in der betroffenen Kleingartenanlage ein Monitoring statt. In den kommenden Wochen sollen außerdem die Vereinsmitglieder über notwendige Schritte zur Eindämmung informiert werden. "Damit sie wissen, wie sie ihre Regentonnen und Wassergefäße reinigen sollten", sagt Werner. Reicht das nicht, um die Ablage von Eiern zu verhindern, müsse man sich an die Bekämpfung machen. "Dann werden geschulte Schädlingsbekämpfer mit ins Boot geholt." Es würde dann ein Bakterientoxin in Wasserbehältern verteilt, so die Expertin. Für Menschen sei dieses ungefährlich, aber es würde die Larven sämtlicher Stechmückenarten abtöten.

Ab Mitte Mai sind Asiatische Tigermücken aktiv. In Treptow-Köpenick müssen die Betroffen jetzt gegen die Tiere, ihre Eier und Larven vorgehen, sagt Doreen Werner. Sie hofft, dass nun auch in anderen Kleingartenanlagen genau in die Gießkannen und Regentonnen geschaut wird, wer dort brütet. Am besten sei es, Stechmücken zu fangen und sie einzuschicken. "Jeder bekommt von uns eine Antwort, in der wir mitteilen, was für eine Mücke eingeschickt wurde." So werde klarer, wo die Expertin und ihr Team in Zukunft beobachten müssen, sagt sie. "Dieses Wissen ist für uns von unschätzbarem Wert."

Sendung: Antenne Brandenburg, 22.04.2022, 9.30 Uhr

Beitrag von Oliver Noffke

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