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Audio: rbb 88,8 | 18.07.2022 | Silke Mehring | Quelle: imago images/Emmanuele Contini

Modellprojekt in Schöneberg

Berlin erprobt Hitzehilfe für Obdachlose

Die Berliner Kältehilfe ist im Winter seit langem etabliert in der Stadt, nun ist auch das Pendant für die heiße Zeit gestartet: In Schöneberg können sich seit Montag obdachlose Menschen in einer Unterkunft vor der Hitze schützen.

Die erste Berliner Notunterkunft der Hitzehilfe hat seit Montag geöffnet.

Das Modellprojekt des Internationalen Bundes Berlin Brandenburg (IBB) in der Kurmärkischen Straße in Berlin-Schöneberg bietet tagsüber 30 obdachlosen Menschen Platz, die sich abkühlen, duschen, essen oder trinken wollen. Außerdem werden Sonnencreme und Kopfbedeckungen verteilt. Geöffnet ist die Unterkunft täglich von 10 bis 20 Uhr.

Gefördert wird das Projekt von der Senatsverwaltung für Soziales. Es läuft bis zum 30. September. Mit dem Testlauf will die Sozialverwaltung die Hitzehilfe für die kommenden Sommer optimieren. "Durch den fortschreitenden Klimawandel treten häufiger Hitzewellen auf. Sie stellen eine zunehmende Gesundheitsgefahr für die Bevölkerung dar. Obdachlose Menschen zählen zur vulnerablen Gruppe", so die Sozialverwaltung.

Hohe Temperaturen

Kipping ruft zur Hilfe für Obdachlose auf

1.000 Notbrunnen könnten als Trinkwasserspender dienen

Der sozialpolitische Sprecher der Berliner CDU-Fraktion, Björn Wohlert, begrüßte das Projekt zwar auf Nachfrage des rbb. Er kritisierte jedoch, dass Berlin erst jetzt eine Hitze-Notunterkunft startet. "Der Senat weiß seit vielen Jahren, dass die Sommer im Durchschnitt wärmer werden", so Wohlert. "Da wundert es mich, dass wir erst jetzt Erkenntnisse gewinnen und Konzepte prüfen müssen." Wohlert fordert über das aktuelle Angebot hinaus ganztägig geöffnete Unterkünfte - auch in den Außenbezirken. Erfahrene Träger wie etwa der IBB müssten dazu stärker unterstützt werden.

Neben der Unterkunft in Schöneberg investiert die Sozialverwaltung schon länger in einige Projekte. So öffnet die Tabor-Gemeinde in Kreuzberg seit Kurzem zweimal pro Woche ihre Pforten - mittwochs und sonntags - damit sich obdachlose Menschen im Kirchenraum abkühlen können.

Die Verwaltung unterstützt das Angebot mit rund 1.000 Euro monatlich. Mit 400.000 Euro jährlich beteiligt sie sich an der Karuna-Taskforce, deren Helfer im Sommer Getränke auf der Straße verteilen und mit vier klimatisierten Bussen in der Stadt unterwegs sind, in denen sich obdachlose Menschen ausruhen können. Derzeit prüft die Verwaltung nach eigenen Angaben außerdem, ob die rund 1.000 Notbrunnen der Stadt, die im Katastrophenfall angezapft werden sollen, auch im Sommer genutzt werden könnten, um an mehreren Orten kaltes Trinkwasser anzubieten.

#Wiegehtesuns | Ehrenamtliche

"Irgendjemand muss doch hinsehen"

Rund 150 Menschen suchen täglich die Bahnhofsmission am Berliner Ostbahnhof auf. Seit 18 Jahren arbeitet Rosemarie Franke dort ehrenamtlich. Auch hier hat Corona seine Spuren hinterlassen, sagt sie. Ein Gesprächsprotokoll.

Karuna-Verein fordert deutlich mehr Einrichtungen

Joerg Richert, Geschäftsleiter des Karuna-Vereins, fordert darüber hinaus deutlich mehr Schattenplätze und "cooling center" in der Stadt. Dehydrierung sei im Sommer unter obdachlosen Menschen ein massives Problem, sagte er dem rbb. Ab 35 Grad würden die Anrufe durch das Sozialamt mit Bitte um Hilfe deutlich zunehmen. So könne der Asphalt, auf dem die Menschen mitunter sitzen, bis zu 60 Grad heiß werden. Insbesondere Alkoholkranke bekämen schneller Kreislaufprobleme.

Die Bemühungen des Landes nannte Richert einen Tropfen auf den heißen Stein. Er fordert deshalb mehr Systematik in der Hitzehilfe, die sich Berlin von New York oder Seattle abschauen könnte. Dort öffnen flächendeckend öffentliche, klimatisierte Gebäude, wie zum Beispiel Büchereien oder Gemeindezentren, damit vor allem vulnerable Gruppen wie Alte, Kinder oder Obdachlose sich abkühlen können. Berlin bräuchte nach Richerts Einschätzung etwa 200 solcher Einrichtungen. In Frage kämen zum Beispiel auch Bahnhöfe. "Es geht dabei weniger ums Geld als darum, die Stadtplanung und die verschiedensten Verwaltungen und Bezirke an einen Tisch zu bekommen", so Richert.

Der sozialpolitische Sprecher der FDP, Tobias Bauschke, äußerte sich dem rbb gegenüber optimistisch, dass das Bewusstsein für die Notwendigkeit der Hitzehilfe in Berlin wächst. "Die Sensibilität steigt von Jahr zu Jahr an", so Bauschke. "Hitzehilfe wird in Berlin mal denselben Stellenwert bekommen wie Kältehilfe."

Sendung: rbb24 Abendschau, 18.07.2022, 19:30 Uhr

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