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Video: rbb|24 | 14.07.2022 | Material: rbb24 Brandenburg aktuell | Quelle: dpa/Jens Kalaene

Mangelnder Nachschub an Medikamenten

Apotheken kämpfen mit Lieferproblemen

Viele Medikamente sind derzeit nicht lieferbar, weil internationale Lieferketten stocken. Nicht immer können Apotheker und Ärzte Ersatz organisieren. Die Bundesregierung will handeln - unklar ist, wann. Von Ludger Smolka

An diesem Tag ist es in der Märkischen Apotheke in Strausberg (Märkisch-Oderland) relativ ruhig. Die wenigen Kunden können entspannt bedient werden. Doch die Lieferengpässe bei Medikamenten spürt auch Apothekerin Antje Kunath. "Die Defekt-Liste wurde von Jahr zu Jahr länger", sagt sie. Immer wieder verschrieben Ärzte ihren Patienten Medikamente, die auf ihrer Mängelliste stehen.

Die Folgen sieht Kunath schon jetzt. "Kunden, die schon lange ein bestimmtes Medikament nehmen und es jetzt nicht mehr bekommen, sind beunruhigt", sagt sie. Die Betroffenen fürchteten etwa Nebenwirkungen, wenn die Verpackung anders aussieht. Immerhin: Bisher findet Kunath fast immer eine Alternative. Wenn etwa Paracetamol-Saft fehlte, biete sie das Medikament eines anderen Herstellers mit dem gleichen Wirkstoff an. Auch Zäpfchen könnten den Saft ersetzen.

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Mängelliste wird immer länger

Aber nicht immer gibt es Alternativen. Als das Brustkrebsmedikament Tamoxifen auf die Mängelliste kam, stellte sich heraus, dass es praktisch nicht zu ersetzen war. Alternativmedikamente verursachten bei vielen Patientinnen schweren Nebenwirkungen. Der Engpass war wegen Produktionsschwierigkeiten beim einzigen Hersteller dieses Medikaments entstanden. Mittlerweile soll das Problem gelöst sein, teilte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte mit.

Das Institut listet auf seiner Internetseite tagesaktuell auf [pharmnet-bund.de], welche Medizinprodukte nicht geliefert werden können. Die Liste wird seit Jahren länger. Von einer dramatischen Lage möchte der Sprecher des Instituts dennoch nicht sprechen. Es könne regional zu einzelnen Engpässen kommen, aber die Versorgungssicherheit sei gewährleistet.

Ein deutschlandweites Problem?

Apothekerin Antje Kunath schüttelt über diese Aussage den Kopf. Als Vorständin des Apothekerverbands Brandenburg spricht sie regelmäßig mit Kollegen aus ganz Deutschland. "Das Problem ist nicht nur vereinzelt hier und da. Das haben alle schon lange", sagt sie. Das bestätigt auch ihre Kollegin Anke Rüdinger vom Berliner Apothekenverein. "Antibiotika, Blutdruckmittel, herzwirksame Arzneimittel - ich habe den Eindruck, dass sich das seit Wochen verschärft." Und: Die Lieferschwierigkeiten führten zu einem enormen Mehraufwand.

Das Unternehmen Takeda aus Oranienburg (Oberhavel) stellt mit seinen 800 Angestellten jährlich rund 5,5 Milliarden Kapseln und Tabletten her. Die meisten sollen etwa gegen Magenschmerzen oder bei Herz-Kreislauf-Problemen helfen. "Ab und an besteht das Risiko, dass bestimmte Teile aufgrund der Corona-Pandemie nicht sofort verfügbar sind", sagt eine Unternehmenssprecherin. "Aber bislang hat das unseren Produktionsprozess in Deutschland nicht negativ beeinflusst." Engpässe habe es bei Takeda nicht gegeben.

Andreas Aumann vom Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie erklärt das Problem so: Die Hersteller stünden seit Jahren unter einem erheblichen Sparzwang. Deswegen hätten sie ihre Produktion nach Fernost verlagert. Mittlerweile seien 80 Prozent der Arzneimittelproduktion in China und Indien beheimatet. Antibiotika würden sogar fast ausschließlich in China hergestellt. Es sei eine enorme Abhängigkeit entstanden.

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Anke Rüdiger, die Apothekerin aus Berlin, unterstützt das: "Mehr Produktion in Deutschland wünschen wir uns sehr", sagt sie. Zumindest essenzielle Wirkstoffe sollten in Europa hergestellt werden. "Gesundheit ist so ein wichtiges Gut. Deshalb glaube ich, dass die Bevölkerung bereit ist, mehr zu zahlen."

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Bundesregierung will handeln

Auch die Bundesregierung will, dass hierzulande wieder mehr hergestellt wird. "Wir ergreifen Maßnahmen, um die Herstellung von Arzneimitteln inklusive der Wirk- und Hilfsstoffproduktion nach Deutschland oder in die EU zurück zu verlagern", heißt es im Koalitionsvertrag. Dafür soll Bürokratie abgebaut und Investitionszuschüsse geprüft werden.

Die Umsetzung dürfte allerdings Jahre dauern, denn kein Unternehmen kann gezwungen werden, seine Produktion wieder rückzuverlagern. Was also tun? Man prüfe derzeit Eckpunkte gesetzlicher Maßnahmen, schreibt das Bundesgesundheitsministerium dazu auf Nachfrage, "Bitte haben Sie Verständnis, dass zum jetzigen Zeitpunkt keine Aussagen zum Zeitplan hierzu erfolgen."

Sendung: rbb24 Abendschau, 14.07.2022, 19:30 Uhr

Beitrag von Ludger Smolka

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