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Quelle: IMAGO/imagebroker

Träger in Bedrängnis

Kitas ächzen unter teuren Essenspreisen

Am Montag starten nicht nur Schüler:innen, sondern auch Kita-Kinder ins neue Jahr. Viele Träger leiden unter den gestiegenen Kosten, Hilfe des Senats ist erst Anfang des nächsten Jahres in Sicht. Für kleinere Einrichtungen könnte es da schon zu spät sein. Von Anna Bordel

Dass sie sich mal damit auseinandersetzen muss, hätte Kathrin Freide noch vor ein paar Jahren nie gedacht, aber der Trend wird seit einiger Zeit zunehmend deutlicher: Immer mehr Eltern kündigen ihren Kita-Platz, weil sie wegziehen. Und: Die Kita-Leiterin der großen Kita "Hanna vom Kolle" in Prenzlauer Berg hat Schwierigkeiten, die Plätze neu zu besetzen. Manchmal vergehen sogar drei Monate, bis das gelingt.

Die Zahl der Kündigungen habe sich im Laufe der letzten drei Jahre verdreifacht, sagt sie. "Viele Eltern hatten coronabedingt finanzielle Einbußen, der bezahlbare Wohnraum im Stadtteil wird knapper", so erklärt Freide sich, dass viele Familien aus dem Stadtkern wegziehen, an den Stadtrand oder zurück dahin, wo sie aufgewachsen sind. Dass die Plätze nicht gleich neu besetzt werden können, belastet den Träger, dann fehlt das Geld, das er vom Senat pro Kind bekommt. Und Geld fehlt sowieso.

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Kita-Essen ist deutlich teurer geworden

Nicht nur die Kündigungen der Eltern machen den Kita-Trägern zu schaffen. Die gestiegenen Kosten in vielen Bereichen des alltäglichen Bedarfs machen der ohnehin finanziell angeschlagene Branche den Alltag schwer. Die gestiegenen Lebensmittelkosten wirken sich unmittelbar auf den Betrieb aus. Manche Träger könnten ihre Caterer nicht mehr zahlen, sagt Lars Bekesi, Geschäftsführer des Verbands der Kleinen und Mittelgroßen Kita-Träger Berlin (VKMK). Drei Euro hätte das Essen pro Kind zuvor gekostet, nun sei man teilweise bei neun Euro. Ohne zusätzliche Hilfen müssten Kitas in der Küche sparen, und zwar am Essen und am Personal. Wenn Küchenpersonal entlassen werde, dann müsste das pädagogische Personal einspringen, das dann noch überlasteter wäre, so Bekesi.

Der Standard des Essens der Kita "Hanna vom Kolle" sei trotz Preissteigerungen beibehalten worden, so Kita-Leiterin Freide. Das Küchenpersonal wirtschafte preisbewusst. "Das Personal schaut genau, wie viel Essen gekocht werden muss, das spart Essens- aber auch Energiekosten", erklärt sie. Beim Einkauf der Lebensmittel schaue das Personal auf Aktionen oder warte auch mal eine Woche ab, wenn eine bestimmte Zutat gerade teuer sei.

Gestiegene Energiekosten wirken sich bislang nur in Einzelfällen aus

Die Auswirkungen der gestiegenen Energiekosten werden vor allem im kommenden Jahr ersichtlich sein. Das werden viele kleinere Träger nicht überstehen, da ist Bekesi sich sicher. Für sie sei es deutlich schwieriger, kurzfristig Geld aufzutreiben. Er weiß bislang von einem Fall, bei dem die um 300 Prozent gestiegene Gaskostenrechnung eine Einrichtung an den Rand der Insolvenz treibt. Ansonsten sei es bei vielen noch nicht absehbare, was die Preissteigerung bedeute. Die ständigen Ankündigungen, dass die Energiekosten steigen würden, aber dies noch nicht handfest sei, verunsichere viele Menschen, sagt auch Wolfgang Freier vom vom Landesverband Berlin des Deutschen Kitaverbands.

In der Kita "Hanna vom Kolle" wird deshalb schon mal vorsorglich versucht, Wasser und Strom zu sparen. "Das geht nicht immer, Kinder müssen schließlich Hände waschen. Kinder, gerade die kleinen, lassen das Wasser ja auch gern mal länger laufen, das wirkt häufig beruhigend. Darauf achten wir jetzt, dass das nicht überhand nimmt, und drehen auch mal einen Hahn zu." Auch das Licht werde konsequent ausgemacht, wenn niemand im Raum sei. "Die unteren Toiletten sind allerdings dunkel und daher ständig beleuchtet, damit die Kinder dort immer aufs Klo gehen können", so Freide.

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Senat bietet im Einzelfall Überbrückungshilfen an

In Berlin gibt es einige städtische Kindertagesstätten, 80 Prozent der Plätze werden aber von freien Trägern gestellt, die vom Senat mitfinanziert werden. So gibt es eine Personal- und Sachkostenpauschale, die jährlich dem Verbraucherindex der vergangenen Monate entsprechend erhöht wird, immer zum Januar eines neuen Jahres. In der letzten Anpassung ist sind die Preisentwicklungen demnach noch nicht enthalten, und genau das macht es für viele Einrichtungen so schwierig. Größere Einrichtungen, die vernünftig wirtschaften, könnten einige Monate ohne eine erneute Anpassung schaffen, für kleinere Träger ist das nicht so leicht. Vor einigen Monaten hatte der Senat deshalb prüfen wollen, ob Kredite zur Überbrückung eine Lösung sein könnten.

Laut Senat ist die Anwendung einer solchen Hilfe allerdings noch nicht notwendig gewesen. "Die Anpassung der Sachkostenpauschale über den Verbraucherpreisindex stellt ein erprobtes und von den Kita-Trägern auch in der aktuellen Situation bisher akzeptiertes Verfahren da", teilte Martin Klesmann, Sprecher der Bildungsverwaltung, auf Anfrage mit. "Das Angebot, zu einzelfallbezogenen Erörterungen im Falle wirtschaftlich existenzgefährdenden Situationen vor allem für kleinere Einrichtungen nach niedrigschwelligen Überbrückungsmaßnahmen zu suchen, besteht fort. Hierbei würde es sich jeweils um Einzelfalllösungen handeln. Bisher gab es keinen Fall", sagte er weiter.

Eltern mehr in die Pflicht nehmen?

Problematisch sei nicht nur die zu geringe Höhe der Personal- und Sachkosten, sondern auch die Tatsache, dass freie Träger einen Teil der Personalkosten nutzen, um damit andere Dinge zu finanzieren, wie Baumaßnahmen oder ähnliches, so Markus Hanisch von der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft Berlin (GEW). Die Sorge sei nun, dass die Gehälter des Personals zunehmend dafür genutzt würden, die gestiegenen Kosten in anderen Bereichen auszugleichen.

Eine gemeinsame Runde, in der Verbände, Träger und Politik gemeinsam darüber sprechen, welche Lösungen es geben könnte, gibt es derzeit nicht. Bekesi und Freier sehen eine Möglichkeit darin, die Eltern mehr an den Kosten zu beteiligen. Der festgesetzte Beitrag von 23 Euro als Essenspauschale stehe bereits seit elf Jahren fest, da könnte eine Anpassung stattfinden, so Freier. Viele Kitas erheben außerdem einen Zusatzbeitrag, der aber 90 Euro nicht überschreiten darf und außerdem an feste Leistungen wie Musikangebote oder Bioessen gebunden ist. Dieser Beitrag könnte zumindest den Trägern zur freien Verfügung gestellt werden, findet Bekesi. Dass Eltern zeitnah mehr zahlen müssen, glaubt er nicht.

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Bekesi hofft auf eine Sonderpauschale für jedes Kind, die den Trägern jetzt schon mal zugute kommt, bis sie auf die nächste Anpassung der Gelder im kommenden Januar warten. Laut derzeitigem Verbraucherpreisindex könnte die Erhöhung plus acht Prozent betragen. Solange könnten einige Träger nicht mehr warten, meint Freier.

Andere finden, dass Kitas durch die Zusicherung der Erhöhung immerhin eine Aussicht auf Verbesserung haben, die an anderen Stellen fehlt - so zum Beispiel in der Jugend- und Familienhilfe. Familienzentren und Jugendberatungsangebote würden zwar ebenfalls von freien Trägern geführt, ihre Finanzierung sei aber nicht langfristig sichergestellt und eine Anpassung ist auch nirgends verankert, so Hanisch von der GEW. Daher sei man sehr in Sorge, wie diese Projekte, die sehr wertvolle Arbeit für Familien leisteten bei den steigenden Kosten arbeitsfähig bleiben können.

Erzieher:in - ein Beruf mit schlechtem Ruf

Personalnot ist bei Berliner Kitas schon Alltag geworden. Fast jeder Träger sucht Fachkräfte. Der Beruf hat einfach einen schlechten Ruf, meint Freier vom Kita-Verband, ständig sei von "irgendwelchen Katastrophen, Überlastung und Krankheit die Rede", dadurch hätten wenige Menschen Lust, sich ausbilden zu lassen. Eigentlich halte der Erzieherberuf durchaus Glücksmomente bereit: "die Entwicklungen der Kinder zu begleiten, Überraschendes und Emotionales zu erleben - das kann schon sehr erfüllend sein", so Freier.

Auch Kita-Leiterin Freide ist nicht ausschließlich besorgt: "Ich blicke hier in unseren Garten und weiß, dass wir als Team uns gut unterstützen und den Kindern einen sorglosen Alltag ermöglichen können, auch wenn ihre Eltern und wir Sorgen haben". Wie eigentlich jedes Jahr blicke sie frohen Mutes in das startende Kita-Jahr.

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Beitrag von Von Anna Bordel

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