Bau-Boom und viele Zuzüge - Gemeinden im Speckgürtel können Kita-Bedarf kaum decken

Mi 20.07.22 | 06:19 Uhr | Von Stephanie Teistler
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Erzieher:innen sind mit Kita-Kindern unterwegs. (Quelle: imago-images/Michael Gstettenbauer)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 19.07.2022 | Stephanie Teistler | Bild: imago-images/Michael Gstettenbauer

Wo Neubaugebiete in Brandenburg aus dem Boden gestampft werden, fehlt es für die Kleinsten oft an Kitaplätzen. Die Gemeinden kommen der Nachfrage kaum hinterher. Besonders extrem zeigt sich das aktuell in Schönefeld. Von Stephanie Teistler

Mit schlechten Nachrichten wendet sich die Gemeinde Schönefeld dieser Tage an Familien: Knapp 300 Kinder werden ab August hier keinen Kitaplatz bekommen können. Von 365 Bewerbungen können nur 70 eine Zusage erhalten.

Der Grund: Man habe mit so vielen Kindern einfach nicht gerechnet. Spätestens seit der BER-Eröffnung 2020 seien in der Gemeinde jedoch alle Dämme gebrochen. "Diese Bauvorhaben haben sich zehn Jahre aufgestaut und dann haben gefühlt alle Investoren angefangen zeitgleich zu bauen", beobachtet Bürgermeister Christian Hentschel (parteilos). Direkt hinter dem Rathaus entstehen gerade 300 Wohnungen, vis-à-vis liegt ebenfalls ein Neubaugebiet mit mehreren hundert Einheiten.

Doppelt so viele Kinder im Kita-Alter wie angenommen

Laut einer Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung und der Wüstenrot-Stiftung nimmt Schönefeld die Spitzenposition unter den Brandenburger Boom-Gemeinden ein. In den vergangenen zehn Jahren sind hier mehr als 3.000 Einwohner hinzugekommen. Allein in den kommenden drei Jahren rechnet Bürgermeister Hentschel mit mindestens noch einmal so vielen.

Dabei kämen vor allem junge Familien mit kleinen Kindern - und auch noch mehr als erwartet: "Wir hatten verschiedene Szenarien erstellt, um auf jede Situation vorbereitet zu sein. Nur die Dimension, die uns hier erreicht, die war in dieser Größe nicht abzusehen." Statt wie geschätzt sechs Prozent seien zehn bis 20 Prozent der Neu-Schönefelder Kinder im Kita-Alter.

Im Ort fehlt es jetzt vor allem an Kita-Personal. Die Folge: Neue Kinder bekommen keinen Platz. Die, die einen haben, können nicht so lang betreut werden, wie sie es bräuchten.

Auswirkungen auf Familien

Was das für die Familien bedeutet, weiß Claudia Kummetat-Adams. Sie wohnt mit ihrer vierköpfigen Familie seit 2020 offiziell in Schönefeld. Eigentlich haben ihre beiden Kinder jeweils Betreuungsverträge über 40 Stunden pro Woche. Doch den konnte die Gemeinde vor dem Sommer nicht mehr erfüllen. "Das war für uns als Familie eine totale Herausforderung. Mein Mann und ich arbeiten sehr viel und wir mussten schauen, wie wir das jongliert bekommen."

Sie und einige andere Eltern wollten die Situation nicht hinnehmen. Über den Kita-Ausschuss der Einrichtung holten sie den Bürgermeister zum Gespräch. Das habe kurzfristig Entspannung gebracht, es wurde Personal eingestellt. "Nach dem Gespräch wurde schnell gehandelt, um den Brand zu löschen. Das erwarte ich mir jetzt aber auch langfristig", so Kummetat-Adams.

60 Erzieherinnen und Erzieher sucht Schönefeld noch, um alle Kinder betreuen zu können, so Bürgermeister Hentschel. Mittelfristig brauche die Gemeinde 150. Die zu finden, sei nicht leicht. "Das ist das Hauptproblem. Diesen Mangel gibt es bundesweit und der Markt ist einfach leergefegt."

Kita im Container und Kompromisse

Auch andere Gemeinden kennen die Probleme – wenn auch nicht so extrem wie in Schönefeld. Beispiel Schulzendorf: Laut der Zuzugs-Studie Platz drei im Brandenburg-Ranking der am stärksten wachsenden Kommunen.

Gegen den Mangel an Kitaplätzen greift Schulzendorf auf einen Containerbau zurück. Gut zwei Dutzend farbig beklebte Container sollen für die kommenden zwei Jahre Übergangslösung für gut 50 Kinder sein – falls bis zum 1. August noch die Betriebsgenehmigung kommt. Innerhalb weniger Monate wurde die Container-Kita in Schulzendorf errichtet. Eine für die Gemeinde günstige Lösung ist sie dennoch nicht, weiß Hauptamtschefin Sabine Wieczorek. Die Container seien gemietet – für eine Gemeinde bedeute das mehr Geld, als wenn man kaufe oder selbst baue.

Die Gemeinde Schulzendorf hat eine Kita aus gemieteten Containern errichtet. (Quelle: rbb)
Farbige Container als Übergangslösung | Bild: rbb

Auf die Container-Kita als Übergangslösung zu verzichten, würde die Gemeinde allerdings ebenfalls kosten. Denn wegen des Rechtsanspruchs auf einen Kitaplatz, muss auch gezahlt werden, wenn Familien keinen Platz finden und sie etwa auf eine Tagesmutter ausweichen müssen. Die Gemeinde habe das im vergangenen Jahr mehrere Hunderttausend Euro gekostet, so Wieczorek.

Kopfzerbrechen bereitet auch ihr die Frage nach dem Personal. "Die Suche wird unglaublich schwierig und aufwendig. Bis vor einem Jahr hatten wir auf eine Stelle zehn, zwölf Bewerbungen. Bei den letzten Ausschreibungen hatten wir nur noch zwei." Die Gemeinde müsse nun auch Kompromisse eingehen, so Wieczorek. Inzwischen kriege jeder eine Chance, der die richtige Qualifikation mitbringe.

Werbeoffensive für Erzieherinnen und Erzieher

Schönefeld hat inzwischen alle Hebel in Bewegung gesetzt, um doch noch genügend Erzieherinnen und Erzieher zu finden. So schließt die Stadt Verträge bereits mit Auszubildenden ab, um sie in der Gemeinde zu halten. 85.000 Flyer hat man in den vergangenen Wochen bis über die Grenze Berlins verteilt, die Gemeinde wirbt auf Großplakaten, auf TikTok und bald mit einem Radiospot um die begehrten Fachkräfte.

Die Gemeinde entwickelt sich währenddessen weiter. In den kommenden zehn Jahren sollen nach Schönefeld Nord 10.000 neue Einwohnerinnen und Einwohner ziehen. Noch ist Bürgermeister Hentschel zuversichtlich, diese Entwicklung auch mit den Kitaplätzen einzuholen.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 19.07.2022, 19:30 Uhr

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Beitrag von Stephanie Teistler

27 Kommentare

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  1. 27.

    Haben Sie mal überlegt, gar nicht mehr arbeiten zu gehen? Neben dem volkswirtschaftlichen Schaden durch eine ungenutzte Ausbildung, die wir alle mitfinanziert haben, könnten Sie dann hier den ganzen Tag Helikoptereltern spielen. Das arme Kind!

  2. 26.

    Also sind alle Menschen, die vor 30 Jahren in den neuen Bundesländern sozialisiert wurden, bitte was in ihren Augen? Bitte erklären Sie uns, ob es sich um im Internet "zusammen gestöpseltes" Wissen handelt oder ob Sie in dem Bereich der Kindesentwicklung beruflich tätig sind. Diese Aussage beleidigt nämlich uns Ossis andernfalls schon sehr. Ganz zu schweigen von unseren nordischen Nachbarn.

  3. 25.

    Mit andere Worten wollen Sie also sagen, dass in der ehemaligen DDR und in vielen Ländern Skandinaviens hier in der Vergangenheit alles falsch gemacht wurde. Sind Sie auf dem Gebiet ausgebildet und forschen in dem Bereich? Oder woher nehmen Sie diese "Erkenntnis"?

  4. 24.

    Das was als soziale Kompetenz und soziales Miteinander von Ihnen beschrieben wird, das zu erlenen, das gilt für Kinder ab 3 Jahre, jüngere sind da zu nicht in der Lage, da liegen die Prioritäten in anderen Bereichen.
    Um zu sozialen Miteinander befähigt zu werden, da zu bedarf es eine Festigung der emotionalen Ebene des Kindes, anders gesagt Vertrauen und Sicherheitsgefühl.

  5. 23.

    Diese Idee finde ich wirklich von Herzen schön und wäre für alle Beteiligten wohl das Beste. Leider in Berufen mit normalem Verdienst aktuell nicht finanzierbar. Ich jedenfalls wäre sehr sehr gerne wenigstens noch ein weiteres Jahr mit dem Mäuschen zu Hause geblieben. Es fühlte sich nicht gut an, so einen kleinen Zwerg wegzugeben. Zum Glück haben wir die beste Tagesmutti der Welt mit komplettem Familienanschluss. Aber in einer KiTa... Oh weh

  6. 22.

    Ja, so ist es. Der Kitaplatz für Kinder unter drei Jahren ist in der Regel nur den Eltern dienlich.
    Alle Kinder unter drei Jahren brauchen eine feste Bezugsperson mit ausgeprägter emotionaler Bindung, sie wollen ihre Umwelt entdecken, sie brauchen intensive Förderung der Sinneswahrnehmung und der motorischen Fähigkeiten.
    Diesen Anforderungen wird wohl keine Kita gerecht, da pro 4 gleichalte Kinder eine immer selbe Betreuungsperson notwendig wäre.

  7. 21.

    Da sehe ich 2 Probleme: 1. Die Ausprägung des "sozialen Miteinander" der Kinder wird durch die längere Zuhause-Kasernierung unnötig verzögert - die Kompetenz des Miteinander und das Sozialverhalten ist so wichtig! 2. Wir haben Fachkräftemangel, da sollten wir nicht den Arbeitskräfteentzug finanziell fördern. Warum schaut man sich nicht in der Historie um? In der ehemaligen DDR konnte man aufgrund des Arbeitermangels auf keine arbeitsfähige Frau/Mann verzichten, deswegen war die Kita-Versorgung besser.

  8. 20.

    Dafür nimmt man doch gerne die Steuern der Arbeitnehmer die in Berlin arbeiten und jeden Morgen bei uns die Straßen vollmachen.

  9. 19.

    Da zieht man aus Berlin raus, weil da ja nix funktioniert. Es gibt keine Kitaplätze. Und der ÖPNV ist superschlecht usw usf.
    Und dann kommt man ins gelobte Land und
    -es gibt keine Kitaplätze
    -und die Verkehrsanbindungen sind superschlecht
    -und es gibt keine Ärzte
    -und die Ureinwohner findens auch nicht so toll
    und was bleibt? Meckern über die Politik.
    So quasi als ein vertrautes Stück Heimat.

  10. 18.

    Der Bürgermeister passt nicht hierhin. Die Kitaverwaltung in der Gemeinde Schönefeld ist fehl am Platz. Man braucht hier Menschen mit Herzen. Ich habe hier 2 autistische Zwillingssöhne, die aus einer Schönefelder Kita (rausgeworfen) worden sind und die gewisse Sachbearbeiterin in der Gemeinde Schönefeld hat es noch unterstützt. Nun sitzen die seit einem Jahr Zuhause und wir kämpfen noch mit Anwalt und und und. Der Bürgermeister sieht sich auch nicht dazu verpflichtet irgendwas zu tun. Aber Hauptsache bauen bauen bauen und nur Ausreden finden. Enttäuschung pur, hätte ich das vorher gewusst, würde ich nicht Mal hierhin ziehen. Ja Berlin ist nicht besser aber viel weiter in Sachen Integration.

  11. 17.

    Rühmliche Ausnahmen gibt es immer wieder einmal. Aber in der aktuellen Situation kann man sich als Arbeitnehmer seinen Job in Zeiten des Fachkräftemangels aussuchen. Ich habe viel mit Akademikern zu tun, da geht es dann in aller Regel weniger ums Geld als um das Gesamtpaket, also z.B. einen kurzen Arbeitsweg oder eine bezahlbare Wohnung. Gerade wenn man zur Containerbauweise übergeht verstehe Ich nicht, warum man dieses wichtige Probleme nicht z.B. löst, indem man auf Kita- bzw. Schulgelände nicht lieber Wohnraum vergünstigt den eigenen Mitarbeitern wie damals die Hausmeisterwohnungen anbietet, sondern die unattraktiv Verbeamtung als Lockmittel unerfolgreich nutzt.

  12. 16.

    Dass keine:r mehr Erzieher:in werden will, ist falsch. Ich bin es just diesen Sommer geworden. Und das Problem ist weitaus größer als dass nur die Bezahlung nicht stimmt. Es sind auch die Arbeitsbedingungen sowie das Berufsbild in der breiten Bevölkerung. Durchschnittlich bleiben wir nur 5 Jahre im Beruf, weil die Belastung durch fehlende Kolleg:innen zu hoch ist. In meinen Augen braucht es ein Umdenken in der Gesellschaft, was den Wert unserer Kinder und derer, die mit ihnen arbeiten, angeht.

  13. 15.

    Und wer finanziert das? Völlig weltfremd.

    Und nebenbei: ich Und meine Frau wollen auch noch ein Leben neben der Kinderbetreuung und da gehört die KITA nach dem ersten Jahr eben auch dazu.

    Aber ich mecker auch auf hohem Niveau: Meine Gemeinde ist auch rasant gewachsen. Vor ca. 10 Jahren wurde kein Bauland mehr ausgewiesen, um die Infrastruktur zu entwickeln. KITAs und Schulen sind und werden zeitnah fertig sein und den Bedarf des Ortes auch in den kommenden Jahren decken...

  14. 14.

    Ab 50.000 EW gibt es einen Oberbürgermeister mit entsprechender Einstufung.
    Ansonsten ist zu schnelles Wachstum immer ein Risiko, weil nicht zwingend nachhaltig. Was wenn die Neubürger die Schnauze voll haben, weil sie merken die gleichen Probleme wie in Berlin und dann noch weiter weg ziehen?

  15. 13.

    Herr Hentschel als Bürgermeister gibt sich ganz ahnungslos. Wer bestimmt den Zuzug, wer weist neue Baufelder aus? So ist es fast überall in den berlinnahen Kommunen. Bauen wird schnell ermöglicht, die wachsenden Gemeinden sind politisch gewollt. Nur die gesamte Infrastruktur hängt dem Zuwachs hintendran. Der Zuzug bedeutet übrigens auch wesentlich mehr Verkehr, auch da ist kein Lösungskonzept in greifbarer Nähe. Der lebenswerte Raum, mit denen die Gemeinden werben, bleibt dabei ebenfalls auf der Strecke.

  16. 12.

    Den rbb-Beitrag mehrmals gesehen. Die beste Aussage kommt da am Ende. Die sollen endlich aufwachen.
    Das ist augenscheinlich auf die Produktion der Erzieherinnen gemünzt. Nur darum geht es im Beitrag. Einrichtungen sind vorhanden oder in Planung/ im Bau.
    Eine Idee könnte sein, die Steuerzahler der Gemeinden übernehmen die höherpreisigen Mieten oder übernehmen Baukosten für Eigentum. Dann ziehen vielleicht Erzieherinnen dort hin.

    Einfach Realitäten beachten!

  17. 11.

    Warum Container nur als Übergangslösung? Diese kann man dann je nach Bedarf immer schnell abbauen und woanders wieder aufbauen. Eine gute Lösung neben dem Modulbau

  18. 10.

    Vielleicht sollte man mal das Modell überdenken, Kinder bereits mit 1 Jahr für Kitas zuzulassen. Die eltern sollten länger in Elternzeit bleiben dürfen, schließlich sind die für ihre Kinder in der allerersten Lebensphase die wichtigsten Bezugspersonen. Anstall immer wieder möglichst schnell zu arbeiten und die kleinen Würmchen in Fremdbetreuung abzuschieben, die immer schlechter gewährleistet werden kann, sollten Eltern länger und ohne finanzielle Einbußen zu hause bleiben dürfen.

  19. 9.

    Ach, wenn es doch immer nur das Geld wäre. Aber so einfach ist die Welt heute nicht mehr. Ich kenne niemanden mehr, der freiwillig Lehrer oder Erzieher werden möchte. Vielleicht sollten da die Eltern mal drüber nachdenken. Bestes Beispiel gerade wieder im Freibad Neukölln dieser Tage.

  20. 8.

    Solange wie die Verwaltungen sich nur von Beratern umgeben die die Bevölkerungsentwicklung für 10 Jahre und mehr schätzen sollen und immer wieder daneben liegen, kann das nicht besser werden.
    Es fehlt an wirksamen Mitteln und Methoden bei einem Erkenntnisgewinn gegenzusteuern.
    Eine Planung für eine Kita geht nicht unter 5 Jahre, für eine Schule 8 und mehr.
    Und wenn da irgendwo in der Kommune der politische Willen fehlt, ein Stadtoberhaupt abgewählt wird oder sich eine (Kommunal)Wahl dazwischen mogelt, dann kann das gerne auch mal alles verdoppeln.
    Ich empfehle jedem mal ein Jahr lang an Sitzungen der Gemeindevertretungen teilzunehmen. Da bekommt man einen Einblick über den zu großen Teilen politisch gewollten Irrsinn.

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