Neues Schuljahr in Berlin - Platzmangel und Rekord an neuen Schülern - Wie das neue Schuljahr startet

Do 18.08.22 | 17:16 Uhr
Symbolbild: Eine Lehrerin unterrichtet im Klassenraum (Quelle: imago/Halfdark)
Audio: rbb24 Inforadio | 19.08.2022 | Interview mit Karina Jehniche, Vorsitzende des IBS, Interessenverband Berliner Schulleitungen | Bild: imago/Halfdark

Die Bildungsverwaltung will das frische Schuljahr mit guten Neuigkeiten beginnen. Die Lehrkräfte sehen sich mit mehreren Herausforderungen konfrontiert. Die Zahlen geben ihnen recht. Von Franziska Hoppen

Den ganzen Morgen lang haben die Lehrkräfte an der Grundschule am Birkenhain diskutiert. Zwar sind sie insgesamt genug Lehrkräfte für das kommende Schuljahr. Aber ihre Fachgebiete sind nicht ausgewogen verteilt. So fehlen vor allem Sport-und Musiklehrer, obwohl es eigentlich genug Anwärter gibt.

So wie Rawad Abo Mahmood, ein Orchestermusiker, der, um als Quereinsteiger lehren zu dürfen, auch die Pflichtfächer Deutsch und Mathe unterrichten können müsste. "Ich habe zehn Jahre lang Musik studiert. Ich weiß, das ist mein Spielplatz. Aber Deutsch, Mathe, drei Fächer: das ist nicht so einfach," so Abo Mahmood. Eine unnötige Hürde, findet auch Schulleiter Kevin Kirchner, der Mahmood gerne einstellen würde. "Wenn ich jetzt sagen könnte, ich habe Musik und nehme Englisch mit dazu, dann vermute ich, wäre es einfacher für den Bereich der Grundschule, auch Fachlehrer zu finden."

Weniger Quereinsteiger

Berlinweit startet das Schuljahr mit weniger neuen Quereinsteigern als noch im letzten Jahr. Damals wurden 790 eingestellt. Dieses Jahr sind es bloß 455. Die Bildungsverwaltung vermutet, dass sie der Markt in den vergangenen Jahren schlicht abgeschöpft hat.

Und: Das neue Schuljahr startet auch mit einer großen Lücke an Lehrkräften. 875 Vollzeit-Stellen können voraussichtlich nicht besetzt werden. Immerhin: Noch im Mai ging Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) davon aus, dass für 920 Stellen niemand gefunden wird. Sie wertet die Zahl als kleinen Erfolg - vor allem, weil der Mangel ein bundesweites Problem sei und die Länder im harten Konkurrenzkampf stünden.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hingegen kritisiert die Personallage scharf: "Der Mangel an ausgebildeten Lehrkräften in Berlin nimmt immer bedrohlichere Ausmaße an." Auch, weil laut GEW nur noch ein knappes Drittel der neu eingestellten Lehrkräfte überhaupt eine abgeschlossene Lehramtsausbildung hat. Etliche würden noch studieren oder hätten keine volle Lehrbefähigung. Selbst Pensionäre sind unter den neu Eingestellten.

Auch Busse selbst sieht die Lage kritisch. Das Fehlen der Lehrer werde man spüren. Berlin müsse mehr Lehrkräfte ausbilden und in der Stadt behalten. Doch: das dauere.

Rekordzahl an neuen Schülern

Den unzureichend vorhandenen und nur mäßig ausgebildeten Lehrkräften steht gleichzeitig eine immer größer werdende Zahl an Schülerinnen und Schülern gegenüber. Seit 2005 gab es nicht mehr so viele Erstklässler wie in diesem Jahr: Mehr als 37.000. Ein geburtenintensiver Jahrgang, vermutet die Bildungsverwaltung. Trotzdem, für Senatorin Busse ist das ein Grund zur Freude: "Ich kann Ihnen sagen, die Einschulung war immer einer meiner schönsten Tage im Jahr", schwärmt die ehemalige Schulleiterin. Und betont: "Jeder, der einen Platz brauchte, hat ihn auch bekommen."

1.000 ukrainische Schüler auf Warteliste

Noch keinen Platz haben die rund 1.000 ukrainischen Schülerinnen und Schüler, die sich vor den Sommerferien angemeldet hatten. Sie warten nun darauf, in Klassen vermittelt zu werden. Busse lobte das Engagement der Schulen dabei ausdrücklich. Auch Personal für Willkommensklassen sei vorhanden: Fast 700 Personen hätten sich bereits auf Ausschreibungen für Willkommenslehrkräfte beworben. Knapp 300 wurden bereits eingestellt. In Kreuzberg und Steglitz-Zehlendorf soll außerdem eine deutsch-ukrainische Begegnungsschule entstehen, die herkunftssprachliche Angebote ausbaut.

Platzmangel

An der Grundschule am Birkenhain jedoch macht sich die wachsende Zahl der Schüler deutlich bemerkbar: Die Klassen haben sich vergrößert, es braucht mehr Personal, das Lehrerzimmer ist inzwischen zu klein geworden, ebenso der Raum für kranke Kinder. "Wir müssen uns arrangieren", sagt Schulleiter Kevin Kirchner. An vielen Stellen würde die Schule gerne nachbessern, auch bei der Elektrotechnik. Sie wünsche sich einen gut ausgestatteten Musikraum oder einen Experimentiertisch im Naturwissenschaftsraum. Aber immer wieder werde man auf die anstehende Sanierung des Schulgebäudes vertröstet. "Bloß haben wir keine Info, wann hier welche Maßnahmen definitiv anfangen sollen."

Sisyphus-Sanierungen

Für die Senatsbildungsverwaltung gleichen Sanierung und Schulbau einer Sisyphusarbeit. Zwar wurden seit Beginn der Schulbauoffensive 25.000 neue Schulplätze geschaffen, so die Verwaltung. Das bereits Erreichte werde aber durch die steigende Schülerzahl eingeholt. Gleichzeitig steigen die räumlichen Anforderungen, auch bei Sanierungen, zum Beispiel wegen Klimaschutz oder Inklusion. Um schnell Platz zu schaffen, verwendet die Bildungsverwaltung modulare Ergänzungsbauten (MEB). Bis zum Jahresende werden 80 solcher MEB in den Bezirken in Betrieb genommen, darüber hinaus mehrere MEB in Holzbauweise.

Lockerungen beim Pandemieschutz

Etwas entspannter als noch im letzten Jahr blickt die Bildungsverwaltung nun auf den Herbst: Wegen der relativ niedrigen Corona-Fallzahlen wird es für die Schülerinnen und Schüler ab Montag keine Maskenpflicht und keine Abstandsregeln geben. Das Testen wird auf freiwilliger Basis voraussichtlich bis zum Jahresende fortgeführt. Das heißt: Schüler können sich zweimal pro Woche freiwillig testen sowie einmal am Wochenende – sie müssen es aber nicht.

Berlin hat zu diesem Zweck vorsorglich 27 Millionen Corona-Tests eingelagert und noch einmal eine Million Masken, die an den Schulen verteilt werden können. Mittlerweile gibt es auch rund 23.000 Luftfilter – zumindest statistisch für jeden Klassenraum einen. Weitere sollen laut Bildungsverwaltung beschafft werden.

Man werde die pandemische Lage aber kontinuierlich gemeinsam mit der Gesundheitsverwaltung und dem Hygiene-Beirat als Berater-Gremium beobachten, betont Senatorin Busse. Sollte sich die Lage verschlechtern, seien eine Testpflicht und eine Maskenpflicht ab Klasse 5 wieder möglich.

Sendung: rbb24 Abendschau, 18.08.2022, 19:30 Uhr

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