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Video: rbb24 | 23.09.2022 | Quelle: dpa/Paul Zinken

Interview mit Fridays For Future Berlin

"Die Luft ist bei uns noch lange nicht raus"

Luis von Randow ist erst 16 Jahre alt und bereits Sprecher von Fridays For Future in Berlin. An diesem Freitag ist er beim "Globalen Klimastreik" dabei. Wie sehr Corona, Krieg und Energiekrise der Bewegung zugesetzt haben, erzählt er im Gespräch.

rbb|24: In der Ukraine ist Krieg, die Inflation und die Energiekrise sind weltweit zu spüren. Nun sollen aber die Laufzeiten für Kohlekraftwerke in Deutschland verlängert werden - obwohl die Erderwärmung anhält. Wie viel Spaß macht es Dir, gerade für den Klimaschutz zu kämpfen?

Luis von Randow: Beim Klimaschutz geht es nicht um Spaß, sondern um eine gesellschaftlich-historische Verpflichtung. Mir geht es also vor allem darum, wie die Bundesregierung auf die Klimakrise und die damit einhergehenden sozialen Ungerechtigkeiten reagiert. Da sie dies nicht gut genug tut, müssen wir eben ein politisches Zeichen setzen. Dazu gehört der 'Globale Klimastreik' an diesem Freitag [klima-streik.org].

Luis von Randow (16), Sprecher Fridays For Future Berlin | Quelle: privat

Blicken wir auf die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs, auf zwei Corona-Jahre und auch die Teilnehmerzahlen der letzten Klimaproteste: Ist bei Fridays For Future ein bisschen die Luft raus?

Die Luft ist bei uns noch lange nicht raus. Wir kriegen immer noch viele Menschen auf die Straßen – das wird beim 'Globalen Klimastreik' nicht anders sein. Wir haben außerdem auch abseits der Straßen weitergemacht – also online über soziale Medien.

Aber klar: Die Corona-Krise hat Fridays For Future Berlin trotzdem auch zugesetzt. Demos und Sonderveranstaltungen in Zeiten von Social Distancing waren nur schwer umsetzbar. Auch da wurde deutlich, dass soziale Krisen nicht von der Klimakrise zu trennen sind. Wir sind aber auch in diesen besonderen Zeiten aktiv geblieben.

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Und jetzt? Die weltweiten Krisen haben doch Auswirkungen auf Euer stärkstes Werkzeug: den Protest auf der Straße. Das Thema Klimaschutz wirkte zeitweise weniger präsent...

Wir machen weiter wie bisher. Zu den Krisen muss man sagen: Alles ist miteinander verbunden. Krieg hat immer auch mit Klima zu tun – und Klima mit Krieg. Deutschland hat sich jahrzehntelang in eine fossile Abhängigkeit gestürzt. Der fossile Wahnsinn ist präsenter denn je - und das, obwohl wir diese Energieformen gar nicht benötigen. Als Klimabewegung ist es aktuell unsere Aufgabe, diese Verbindungen herauszuarbeiten und darauf aufmerksam zu machen. Letztendlich ist es aber die Aufgabe der Regierung, diese Abhängigkeiten aufzubrechen.

Braucht Fridays For Future nicht irgendwann eine neue Strategie – also mehr als nur Menschen auf die Straße zu bringen?

Streiks sind der wesentliche Kern von Fridays For Future. Daran wird sich nichts ändern. Menschen verbinden gerne Meinung und Politik mit einer Art Event-Veranstaltung. Außerdem ist Protest auf der Straße sehr haptisch - Politiker sehen und hören uns.

Zudem sagte ich ja gerade schon, dass es nun auch darum geht, die Verbindungen zwischen Krise und Klimaschutz transparent zu machen. Natürlich darf man hierbei die Rolle von Instagram, Facebook und Twitter nicht kleinreden. Auch darauf konzentrieren wir uns vermehrt.

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Einige probieren radikalere Methoden: Unterstützer der Initiative "Letzte Generation" blockierten zuletzt mehrmals Autobahnen und klebten ihre Hände auf dem Asphalt fest. Würdest du das auch machen?

Fridays for Future und die 'Letzte Generation' haben unterschiedliche Aktionsformen, in der Klimagerechtigkeits-Bewegung besteht da ein gewisser Pluralismus. Das Festkleben auf Straßen gehört bei uns nicht zum politischen Aktionskonsens.

Wir sollten uns aber fragen, warum Menschen so starke Angst vor der Klimakrise haben und zu solchen Aktionsformen greifen. Anstatt über die Inhalte zu sprechen, wird sich andauernd an der Aktionsform festgehalten. Die grundlegenden Beweggründe sind auch bei uns die gleichen, und somit erklären wir uns prinzipiell solidarisch mit allen gewaltfreien Klimagerechtigkeits-Bewegungen. Wir sehen unseren Platz allerdings in der Massenmobilisierung und der Politisierung, insbesondere junger Menschen.

Forderungen an die Bundesregierung stellen, ist einfach. Klimaschutz kostet aber auch Geld. Viele Projekte lassen sich nicht schnell umsetzen oder der Bevölkerung gut verkaufen, argumentieren Politiker. Hast du Verständnis dafür?

Nachsicht mit Politikerinnen und Politikern zu haben, empfinde ich in Zeiten einer eskalierenden Klimakrise als nicht angemessen. Wir brauchen eine sehr schnelle Transformation zu erneuerbaren Energien. Daher, sorry: Aber auch mit Blick auf das Geld, das der Bundesregierung zur Verfügung steht, habe ich wenig Mitleid mit den Ausreden von Politikerinnen und Politikern. Klimaschutz kostet Geld, aber mittel- und langfristig zahlt er sich für uns aus.

Bringt die Energiekrise auch Vorteile aus Sicht der Klimabewegung mit sich? Stichwort: Energie sparen.

Energie sparen ist immer gut. Man muss aber realistisch sein. Wohlhabenden Menschen wird das Thema möglicherweise eher egal sein. Am Ende trifft es also vor allem die ärmeren Schichten. Sie müssen wirklich beim Licht, beim Heizen und beim Wasser sparen, um die Kosten abdecken zu können. Die Aufgabe der Regierung ist es jetzt, gerade diesen finanziell schwachen Menschen den Zugang zu bezahlbarer Energie zu gewährleisten.

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Wer ist für Dich der Buhmann des Jahres? Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), weil er das 1,5 Grad-Ziel aus Sicht von Klimaaktivisten nicht forciert genug verfolgt? Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), der eine Rolle rückwärts beim konsequenten Kohle-Exit macht? Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), der die größte Erdölraffinerie der Region am Leben erhalten will? Oder doch jemand im Berliner Senat, der gerne viel über Radwege diskutiert?

Ehrlich gesagt sind für mich persönlich die größten Buhmänner des Jahres der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz (CDU) und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Beide sind im Dauerkritikmodus und beschweren sich über alles, was die Ampel macht, haben selbst aber keine zielgerichteten Vorschläge. Das ist für mich keine konstruktive Opposition.

Natürlich läuft aber auch in Berlin nicht alles rund: Das 29-Euro-Ticket ist meiner Meinung nach kein angemessener Fortsetzungspreis. Ich halte es für total falsch, nun 20 Euro mehr zu verlangen und damit eine unnötige Kostenhürde für die Menschen aufzubauen - das ist nicht, was die Gesellschaft gerade will. Bei diesem Thema hat aber nicht nur der Senat eine Verantwortung, sondern vor allem unser Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), der für ein günstiges ÖPNV-Ticket auf Bundesebene schlicht kein Geld locker macht.

Wieviel Lust hat die Jugend eigentlich auf Klimaschutz in Zeiten von Instagram und Tik Tok?

Natürlich interessiert sich nicht jeder gleich stark für dieses Thema. Ich glaube aber, bei vielen Jungs und Mädchen in meiner Generation steigt das Interesse für Umweltschutz immer weiter. Letztendlich trifft die Krise die jüngste Generation ja auch am stärksten.

Spielen Greta Thunberg und Luisa Neubauer für Deine Generation eine Rolle?

Es gibt inzwischen durchaus eine Unabhängigkeit von Leitfiguren. Es hat sich also eine eigene Dynamik gebildet, die durch einzelne Ortsgruppen von Fridays For Future sichtbar wird. Natürlich spielt Luisa aber für die deutsche Klimabewegung weiterhin eine wichtige Rolle.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Hasan Gökkaya für rbb|24. Es handelt sich hier um eine redigierte Fassung.

Sendung: Abendschau, 23.09.2022, 19:30 Uhr

Beitrag von Hasan Gökkaya

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