rbb24
  1. rbb|24
  2. Panorama
Quelle: Imago Images/Bartek Szewczyk

ARD-Vergleich

rbb bezahlt Führungskräfte besonders häufig über Tarif

Innerhalb der ARD gehört der rbb zu den kleinsten drei Rundfunkanstalten. Dennoch hat der Sender so viele Führungskräfte mit außertariflichen Arbeitsverträgen versorgt wie sonst nur die ganz Großen. Vom rbb-Rechercheteam

Die rbb-Spitze hat mit Dutzenden Mitarbeitern außertarifliche Verträge abgeschlossen. Insbesondere Führungskräften wurden auf diese Weise Gehälter ermöglicht, die zum Teil deutlich oberhalb bestehender Tarifvereinbarungen liegen. Konkret heißt das: Es geht in den allermeisten Fällen um Monatsgehälter, die höher sind als 11.241 Euro – dem höchsten monatlichen Tarifgehalt im rbb.

Dieses Vorgehen ist in der ARD nicht unüblich. Die öffentlich-rechtlichen Sender sollen konkurrenzfähig bleiben, wenn es darum geht hochqualifizierte Köpfe zu binden. Schließlich verfügen private Medienunternehmen über mehr Möglichkeiten, wenn es um die Vergütung von Führungskräften geht.

Doch die Anzahl dieser sogenannten "AT-Verträge" innerhalb des rbb ist bemerkenswert.

Beraterverträge für rbb-Neubau

Sie wussten, was sie tun

Das vorläufig gestoppte Digitale Medienhaus hat den rbb bislang gut 6,6 Millionen Euro gekostet. Etwa eine halbe Million haben Berater kassiert. Doch möglicherweise wurde das Vergaberecht umgangen. Vom ARD-Politikmagazin Kontraste und dem rbb-Rechercheteam*

Veröffentlichte Zahlen waren unvollständig

Vor Kurzem hatte die rbb-Spitze konkrete Zahlen zur jährlichen Vergütung der Geschäftsleitung, der Hauptabteilungsleiterinnen und Hauptabteilungsleiter sowie weiterer Führungskräfte offengelegt. Auch Angaben zur sogenannten "leistungsorientierten Vergütung" wurden dabei gemacht – jenem Bonussystem, dessen Existenz von der Senderspitze lange verschwiegen wurde.

Aus den Veröffentlichungen der Personalabteilung ging hervor, dass aktuell insgesamt 28 solcher AT-Verträge auf verschiedenen Führungsebenen existieren. Doch diese Zahl ist unvollständig. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fehlten, die vom rbb in Redaktionen und Abteilungen der ARD entsandt wurden, räumte die Geschäftsleitung ein.

Auf Nachfrage teilte die geschäftsführende Verwaltungsdirektorin und bisherige Personalchefin am Dienstag vergangener Woche mit, dass es sich dabei um sechs Personen handele. Nach Informationen des rbb-Rechercheteams haben mindestens zwei von ihnen auch von den geheimen Bonuszahlungen profitiert.

Ende Juli existierten im rbb mindestens 40 Arbeitsverträge, in denen Vergütungen über Tarif festgehalten waren. Darin enthalten sind unter anderem auch zwei Führungskräfte, die für Tochterunternehmen des Senders tätig sind, die inzwischen fristlos gekündigte Intendantin Patricia Schlesinger sowie ein Medienmanager, der seit drei Jahren im Vorruhestand ist und ein entsprechend gekürztes Salär bezieht.

rbb media GmbH

Geschäftsführender Intendant verweigert Führung von Tochterfirma die Entlastung

Die Geschäftsführung und der Aufsichtsrat einer rbb-Tochterfirma sind weiterhin für mögliche Schäden haftbar. Der geschäftsführende Intendant des Senders hat eine Entlastung abgelehnt. Zudem wurde eine Geschäftsführerin abberufen. Vom rbb-Rechercheteam*

Zehnmal so viele AT-Verträge wie beim HR

Damit liegt der rbb im ARD-Verbund weit vorn, insbesondere wenn man die Größe von Belegschaft und Berichtsgebiet zur besseren Vergleichbarkeit heranzieht.

Auf der Hand liegt ein Vergleich mit dem Hessischen Rundfunk. Zwischen Kassel und Bensheim leben knapp 6,3 Millionen Menschen - etwa 100.000 mehr als in Berlin und Brandenburg zusammen. Beim HR sind rund 1.700 Menschen festangestellt. Beim rbb sind es etwa 2.000, wobei mehr als Viertel davon in Teilzeit arbeitet. Wie die übrigen ARD-Anstalten auch verfügen beide Sender über eine stark variierende Zahl freier Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, weshalb für diesen Vergleich nur der festangestellte Teil der Belegschaft betrachtet wird.

Gefragt nach der Zahl bestehender AT-Verträge teilt die HR-Pressestelle mit: "Der Intendant sowie die beiden Direktorinnen haben außertarifliche Verträge. Die Führungsebene der Bereichsleiter erhält eine Vergütung nach Tarifvertrag sowie eine übertarifliche Zulage für die Führungsfunktion." 14 Personen würden diese Zulage erhalten, so die Presseabteilung des HR. Zudem würde der Geschäftsführer des Tochterunternehmens HR Werbung GmbH nach einem entsprechenden Vertrag vergütet werden.

Unterm Strich existieren beim HR also vier Führungspositionen mit außertariflichen Verträgen – ein Zehntel dessen, was beim rbb ermöglicht wurde.

Zudem würde der HR die Arbeitsverträge von Korrespondenten individuell aushandeln, heißt es. "Sie entsprechen in der Bezahlung aber in etwa einer vergleichbaren Stelle im HR." Ein Bonussystem wie im rbb, das Führungskräften weitere Zahlungen im fünfstelligen Bereich in Aussicht stellt, existiert beim Hessischen Rundfunk ebenso wenig, wie in anderen Anstalten des Senderverbunds. Das hatte der aktuelle ARD-Vorsitzende Tom Buhrow bereits vor einigen Wochen mitgeteilt.

rbb-Skandal

Die Intendantin und ihr Kontrolleur

Eigentlich sollte Wolf-Dieter Wolf als Verwaltungsratsvorsitzender die Arbeit von Patricia Schlesinger überwachen. Neue Dokumente zeigen, dass ihr Verhältnis so eng war, dass sie sogar zusammen verreisen wollten. Vom rbb-Rechercheteam*

Auf einem Niveau mit den großen Rundfunkanstalten

Der Norddeutsche Rundfunk, die drittgrößte ARD-Anstalt, teilt auf Anfrage mit, dass insgesamt 45 Personen in Leitungspositionen außertariflich vergütet werden. Geschäftsleitung, Tochterfirmen und ARD-Gemeinschaftseinrichtungen seien darin enthalten, heißt es. Gerade einmal fünf Stellen mehr als beim rbb. Obwohl im Berichtsgebiet des NDR mehr als doppelt so viele Menschen leben und der Sender etwa doppelt so viele festangestellte Mitarbeiter hat.

Ähnlich sieht das Bild bei den anderen Großen aus (geordnet nach der Anzahl der Beitragszahler im Berichtsgebiet): Der WDR, die mit Abstand größte Rundfunkanstalt innerhalb der ARD berichtet, dass man 33 entsprechende Verträge abgeschlossen habe. In Tochterunternehmen existieren solche Arbeitsverhältnisse nicht, heißt es. Zudem habe eine Person, die in eine Gemeinschafteinrichtung entsandt wurde, einen AT-Vertrag.

Der SWR teilt mit, es gebe 40 AT-Verträge im Haus, zwei entsprechende Stellen seien aktuell nicht besetzt. Beim BR sind es 41. Der MDR, fünftgrößte Anstalt im Verbund, gibt an, aktuell bestünden 38 außertarifliche Verträge mit Führungskräften.

Am Ende des Spektrums, aber noch vor dem HR, stehen der Saarländische Rundfunk (14 AT-Verträge mit Führungskräften); Radio Bremen hat insgesamt zehn Stellen, die entsprechend vergütet werden, darunter eine Direktorenstelle, die sich zwei Personen teilen.

Oben so, unten so

Da durch diese Arbeitsverhältnisse Mehrkosten für die Gebührenzahler entstehen, musste im Fall des rbb der Verwaltungsrat zustimmen. Kritische Themen seien dort vom damaligen Vorsitzenden Wolf-Dieter Wolf jedoch in hohem Tempo abgehandelt worden, berichten Personen, die bei entsprechenden Sitzungen anwesend waren. So auch Fragen zu AT-Verträgen.

Außertarifliche Arbeitsverhältnisse gibt es im rbb auch am unteren Ende der Gehaltstabelle: Laut der Personalabteilung bestehen aktuell neun außertarifliche Vereinbarungen mit Volontären oder Trainees. Ihre Vergütung kann das tariflich festgelegte unterschreiten.

Abserviert für 700.000 Euro

Wie Schlesinger einen Manager kaltstellte

Als Intendantin servierte Patricia Schlesinger gemeinsam mit ihrer Chefjustiziarin beim rbb einen Medienmanager ab. Um ihn loszuwerden, muss der Sender ihm mehr als 700.000 Euro zahlen. Vom rbb-Rechercheteam*

Landesrechnungshof kritisierte Gehaltsunterschiede im rbb bereits 2018

Das Thema AT-Verträge hatte der Landesrechnungshof Berlin 2018 in seinem letzten Bericht über den rbb erwähnt. Damals wurde kritisiert, dass diesem Personenkreis auch ein Familienzuschlag ausgezahlt wird. "Es widerspricht dem Charakter außertariflicher Vergütungen, wenn sie insgesamt oder zu Teilen an allgemeine Tarifentwicklungen gekoppelt sind", heißt es in dem Bericht.

Kurz darauf wurde diese Praxis abgeschafft, wie die damalige Intendantin Patricia Schlesinger am 20. März 2019 dem Abgeordnetenhaus mitteilte. Die Zahl der AT-Verträge hatte der Landesrechnungshof jedoch nicht thematisiert.

Kritisiert wurde jedoch, dass sich das Gehaltsgefüge im Sender ungünstig verschoben habe. Innerhalb von zwei Jahren seien die oberen Gehälter deutlich stärker gestiegen als die unteren; die Schere gehe weiter auseinander, so die Prüfer.

Trotzdem wurden von der Geschäftsleitung seitdem weitere Arbeitsverträge mit Führungskräften zu außertariflichen Bedingungen geschaffen. Das geht selbst aus den nicht ganz vollständigen Angaben der Personalabteilung hervor. Demnach hat der rbb 2018 – jenem Jahr, in dem der Landesrechnungshof prüfte – 32 Führungskräfte außertariflich vergütet. Ende Juli dieses Jahres tummelten sich am oberen Ende der rbb-Gehaltspyramide acht weitere Personen - mindestens.

*Recherchen von René Althammer, Jo Goll, Daniel Laufer, Oliver Noffke und Gabi Probst

Beitrag von René Althammer, Jo Goll, Daniel Laufer, Oliver Noffke und Gabi Probst

Artikel im mobilen Angebot lesen