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Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 05.10.2022 | Carsten Krippahl | Quelle: imago/S.Simo

Aufklärungsquote gering

Spritdiebstahl an Tankstellen in der Region hat zugenommen

Die gestiegenen Spritpreise rufen in Brandenburg und Berlin an den Tankstellen zunehmend Diebe auf den Plan. Diese agieren professionell und entkommen daher oft unerkannt. Die Aufklärungsquote ist auch deshalb gering.

Der Diebstahl von Benzin und Diesel hat in Berlin und Brandenburg nach Einschätzung von Tankstellenbetreibern und der Polizei in diesem Jahr zugenommen. "Es ist deutlich mehr geworden", sagte der Vorsitzende des Verbands des Garagen- und Tankstellengewerbes Nord-Ost e.V. (VGT), Hans-Joachim Rühlemann, dem rbb auf Nachfrage.

Ende des Tankrabatts

Spritpreise klettern über Nacht in Richtung Allzeithoch

Dass das Tanken wieder teurer würde, war allen Autofahrern bewusst. Wie schnell die Preise nach dem Ende des Tankrabatts aber wieder steigen, hat Verbraucherschützer überrascht. Erste Rufe nach einer Kontrolle durch das Bundeskartellamt werden laut.

Seit dem Ende des Tankrabatts Ende August gebe es deutlich mehr Fälle von Tankbetrug, konkretisierte Rühlemann. Das Problem sei insbesondere an Autobahntankstellen groß.

"Wir hatten früher in guten Monaten nur einen Diebstahl - bis maximal drei", erklärte auch Corina Engel, Pächterin einer Tankstelle in Beelitz (Potsdam-Mittelmark), im Rahmen von rbb-Recherchen. Die Zahl liege mittlerweile deutlich höher. Seit einem Jahr verzeichne sie an ihrer Tankstelle teils zehn bis 15 Fälle pro Monat, so Engel weiter. "Sie fahren einfach weg, ohne zu zahlen."

Rühlemann räumt allerdings ein, dass seine Angaben für Brandenburg bislang auf Schätzungen der Tankstellenpächter beruhen. Aktuelle und vollständige Zahlen liegen hier noch nicht vor.

Laut Brandenburger Polizeipräsidium zeichnete sich allerdings schon Anfang des Jahres eine deutliche Zunahme beim Tankbetrug ab. "Im ersten Quartal des letzten Jahres lagen die Fallzahlen ungefähr bei 630 und in diesem Jahr im ersten Quartal bei 1.300 Fällen", sagte Sprecherin Beate Kardels dem rbb.

Der Sprecher der Polizeidirektion West, Benjamin Hajek, bestätigt dem rbb diesen Trend für Potsdam: Hier wurden im Jahr 2020 74 Fälle gezählt, 2021 waren es 78. "Für die erste Jahreshälfte 2022 wiederum wurde bereits annähernd das Niveau des gesamten Vorjahres erreicht", so Polizeisprecher Hajek.

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Teuerung in der Region liegt bei fast zehn Prozent

Die Inflation in der Region hat sich im September massiv erhöht und ist auf dem höchsten Stand seit 1951. Schuld sind vor allem die Energiepreise. Die Deutschen ändern laut Handelsverband HDE bereits ihr Einkaufsverhalten.

772 Fälle von Tankbetrug im März

Auch in Berlin spricht die Polizei davon, dass "in diesem Deliktsbereich schon ein deutlicher Anstieg zum Vorjahr insgesamt festgestellt wurde".

Am 11. März kostete ein Liter Diesel 2,321 Euro - der seitdem gültige Rekord. Bei E10 wurde der bisherige Höchstwert mit 2,203 weniger Tage später am 14. März erreicht. In dem Monat verzeichnete die Berliner Polizei 772 Fälle von sogenanntem Tankbetrug, im Februar waren es noch 623 und im Januar 587 Fälle gewesen. In den entsprechenden drei Monaten der Vorjahres waren jeweils zwischen 300 und 400 derartige Kraftstoff-Diebstähle angezeigt worden. Im April wurden in Berlin sogar 820 Fälle von Sprit-Klau festgestellt.

Für die Sommermonate verharren die Zahlen auf hohem Niveau, jedoch ohne dass sich ein weiterer Anstieg abzeichnet. 623 Diebstähle registrierte die Polizei im September, nach 684 im August und 668 im Juli. "Ein Anstieg im Zuge des Auslaufens des Tankrabatts lässt sich aus diesen Daten nicht ableiten", teilte die Polizei Berlin entsprechend mit.

Täter trotz Kameraüberwachung nur schwer identifizierbar

Laut Rühlemann handelt es sich bei den Spritdieben oft um professionelle Tankbetrüger. Diese seien häufig mit gestohlenen Autokennzeichen unterwegs. Meist würden sogar die Kennzeichen baugleicher Fahrzeuge gestohlen. "Das fällt praktisch nicht auf", sagte Rühlemann. Daher nutze auch die Videoüberwachung der Tankstellen nichts.

Überwachungsvideos seien dennoch als Beweis notwendig, um Ausgleichszahlungen zu bekommen. "Jeder Fall muss mit der Kamera aufgezeichnet werden", erklärte der VGT-Chef. "Das Video geben die Pächter dann an die Polizei weiter, und erstatten Anzeige." Die Bestätigung der Polizei schicken die Pächter an die Mineralölgesellschaften, die dann den Betrag üblicherweise ersetzen.

Nord-Süd-Gefälle bei Spritpreisen

In Berlin wird mit am billigsten getankt

Schutz laut Rühlemann fast unmöglich

"Es ist de facto kein Schutz möglich", fasste Rühlemann zusammen. Auch Schranken seien keine wirkliche Alternative. "Sie schrecken normale Kunden ab – sie meiden dann die Tankstelle". An verschiedenen Tankstellen werden auch einzelne Zapfsäulen abgeschaltet. Sie werden nur auf Nachfrage aktiviert. Dies sei aber nur an nicht so stark frequentierten Tankstellen bzw. in Randzeiten wirklich praktikabel, so Rühlemann.

Täter werden in vielen Fällen nicht gefasst

Auch die Polizei teilte mit, dass die Suche nach den Tätern schwierig sei, auch weil die Filme der Überwachungskameras teils schlechte Qualität hätten. Zudem seien die Gesichter häufig verdeckt. Oftmals gebe es auch keinerlei Zeugenhinweise. "Zu 70 Prozent werden die Fälle eingestellt", berichtete auch Tankstellen-Pächterin Engel aus Beelitz.

Laut Brandenburger Polizei lag die Aufklärungsquote in den vergangenen Jahren zwischen 20 und 25 Prozent. Werden jedoch Wiederholungstäter gefasst, drohen ihnen bis zu fünf Jahren Haft.

Ein weiterer Verband - der Tankstellen-Interessenverband e.V. (TIV) - sieht trotz allem "kein wirkliches Problem." Gemessen an der Zahl der Tankstellen und Tankenden seien es "nur wenige Fälle", sagte ein Sprecher. Und nicht immer seien Betrüger am Werk - manchmal würden Bürger auch einfach vergessen zu zahlen und später zurückkommen.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 05.10.2022, 19:45 Uhr

Beitrag von Philipp Rother

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