Urteil des Verwaltungsgerichts - Mohrenstraße in Berlin-Mitte darf umbenannt werden

Do 06.07.23 | 16:18 Uhr
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Archivbild: Ein Schild "Mohrenstraße" am Zietenplatz in Mitte. (Quelle: dpa/S. Stache)
Audio: rbb24 Inforadio | 06.07.2023 | Ulf Morling | Bild: dpa/S. Stache

Die Klage von Anwohnern ist gescheitert: Die Mohrenstraße in Berlin-Mitte darf umbenannt werden. Das hat das Verwaltungsgericht entschieden. Historische und politische Gründe haben laut der Richter bei der Entscheidung keine Rolle gespielt.

Die Umbenennung der Berliner Mohrenstraße durch den Bezirk Mitte ist zulässig. Sie kann künftig Anton-Wilhelm-Amo-Straße heißen, wie das Verwaltungsgericht Berlin am Donnerstag entschied.

Das Gericht wies damit die Klage von Anwohnern gegen die Umbenennung aus verwaltungsrechtlichen Gründen zurück. Der zuständige Berliner Bezirk Mitte habe ein "weites Ermessen" bei Straßennamen, der Klageweg einzelner Bürger dagegen sei eingeschränkt, sagte Richter Wilfried Peters am Donnerstag im Verwaltungsgericht zu den Klagen gegen die Umbenennung.

Behörde "formal und rechtlich" zuständig

Der jahrelange inhaltliche Streit um die Umbenennung, bei der es um den Begriff "Mohr" und einen möglichen Rassismus ging, war für das Gerichtsurteil nicht der Grund. Bei der Diskussion gebe es eine "Menge Für und Wider", sagte Peters. "Wir haben nicht entschieden, ob es gute Gründe geben könnte, den Namen zu behalten oder zu ändern. Historische und politische Gründe waren nicht Gegenstand der Entscheidung."

Formal und rechtlich sei die Behörde zuständig. Die Umbenennung als "Verwaltungsakt" sei auch nicht "willkürlich und fehlerhaft" erfolgt. Das sei der "maßgebliche Punkt" für das Urteil, das noch nicht rechtskräftig ist. Eine Berufung wurde nicht zugelassen. Dagegen könnten die Kläger aber mit einem Antrag auf Zulassung vorgehen.

Straße soll nach afrikanischstämmigen Gelehrten benannt werden

Entschieden wurde über die Klage des Historikers und Journalisten Götz Aly, die das Gericht als Musterklage einstufte. Die anderen sechs Klagen von Anwohnern wurden vorerst ruhend gestellt. Aly hatte argumentiert, die Namensgebung für die Straße vor 300 Jahren sei keineswegs rassistisch, sondern wertschätzend gemeint. Viele historische Straßennamen hätten mehrere Seiten, "aber sie waren Teil der Geschichte dieser Stadt und wir sollten sie erklären".

Grüne, SPD und Linke im Bezirk Mitte hatten die Umbenennung 2021 in Anton-Wilhelm-Amo-Straße - einem afrikanischstämmigen Gelehrten im 18. Jahrhundert - beschlossen. Der Name "Mohrenstraße" sei rassistisch und kolonialistisch. Auch die Umbenennung der gleichnamigen U-Bahnstation stand an, wurde dann aber vorerst zurückgestellt.

200 offzielle Beschwerden

Mehr als 1.000 Einwände gab es in früheren Jahren dagegen, 200 offizielle Beschwerden gingen beim Bezirk ein, der sie alle zurückwies. Die Anwohner monierten, der Bezirk habe ihre Interessen nicht berücksichtigt.

Richter Peters betonte weiter, angesichts des Straßengesetzes und der Zuständigkeit des Bezirks habe das Gericht enge Grenzen für eine inhaltliche Überprüfung der Klagen. Die Begründung für die Umbenennung könne man für falsch halten, "da spricht einiges dafür". Anderseits gebe es einen sprachlichen Wandel in weiten Teilen der Gesellschaft, "der Ausdruck der Änderung des Zeitgefühls" sei.

Die Kritik der Anwohner, sie seien nicht beteiligt worden, wies der Richter zurück. Sie hätten Beschwerden eingereicht, der Bezirk habe diese abgelehnt. Rechtlich sei das eine Form der Beteiligung. Zugleich warf er dem Bezirk vor: "Der Diskurs mit den Anwohnern hätte geführt werden müssen."

Initiativen fordern Austausch des Straßenschildes

Ein Vertreter des Bezirk Mitte sagte, die Umbenennung sei Ausdruck der Demokratie. Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) und das von Grünen und SPD geführte Bezirksamt seien gewählte Instanzen.

Initiativen wie der Afrika-Rat Berlin Brandenburg und Decolonize Berlin reagierten auf das Urteil und forderten in einer Mitteilung, "dass die Straßenschilder - fast 3 Jahre nach dem BVV-Beschluss - endlich ausgetauscht werden". Straßenumbenennungen, Gedenktafeln und Interventionen seien "notwendige Instrumente, um eine Auseinandersetzung mit kolonialen Kontinuitäten im öffentlichen Raum anzustoßen".

Sendung: rbb24 Inforadio, 06.07.2023, 15:00 Uhr

91 Kommentare

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  1. 91.

    Liebe Anwohner in der Mohrenstraße, am Straußberger Platz und wo man euch sonst noch ignoriert... was habt ihr daraus gelernt, wenn "eure" Vertreter nicht eure Interessen vertreten ? Ihr seid doch Berlin Mitte ? Ok ihr habt ja schon reagiert, was zum Regierungswechsel geführt hat aber offensichtlich ist das noch nicht deutlich genug.
    Dabei fällt mir gerade ein... in Lichtenberg ist doch eines der 3 Direktmandate, die die Linken in den Bundestag gehievt haben bei den Neuwahlen weggefallen. Mit welcher Berechtigung sitzen dann eigentlich noch 39 Linke Abgeordnete im Bundestag?

  2. 90.

    Wenn Berlin noch cool wäre hätten wir einfach die Möhrenstrassw daraus gemacht.

  3. 89.

    Die spinnen,die Römer

  4. 88.

    Warum sollten Straßennamen nicht von Dauer sein? Sie dienen der Orientierung und Beständigkeit scheint mir hier sehr wohl ein sehr gutes Argument zu sein.

  5. 86.

    Die Intention der Antragsteller für eine Umbenennung der Mohrenstraße ist selbstverständlich eine politische, das steht doch außer Frage. Dass die Einrede an dieser Stelle nichts mehr bringt ist indes auch klar. Mit dieser Verwaltungsentscheidung ist aber die Grundthematik nicht vom Tisch: es wird ohne einen Diskurs rumgewerkelt und versucht die Geschichte auszulöschen. Immer wieder. Reflektierter Umgang mit der eigenen, äußerst unrühmlichen Vergangenheit ist so einen weiteren Schritt unmöglich geworden. Ich habe für ein solches Vorgehen absolut kein Verständnis.

  6. 85.

    @ Robert, "niemand hat etwas gegen Minderheiten". Sehr gewagte Behauptung!Na dann frage ich mich...

  7. 84.

    "Vllt. sollten sich die nimmermüden Mohrenstraßenbefürworter einfach mal mit dem Gedanken anfreunden, das nichts von Dauer ist." Stimmt, die kann man ja auch wieder zurückbenennen in Mohrenstraße. Guter Einwand, bennen wir einfach bei jedem wechsel der politischen Mehrheiten die Straßen hin und her. ;-)

  8. 83.

    Lieber Senat - bittet beendet diesen Irrsinn

  9. 82.

    Vllt. sollten sich die nimmermüden Mohrenstraßenbefürworter einfach mal mit dem Gedanken anfreunden, das nichts von Dauer ist. Und das Argument, dat ham wa schon immer so jemacht , ist eines der schlechteren.

  10. 81.

    @ Martina, ich lese Götz Als immer mal wieder gerne auch wenn ich seine Meinung nicht immer teile. Und nicht vergessen: der Nabel der Welt ist auch er nicht.

  11. 80.

    Wenn sie meine Kommentare richtig gelesen hätte, habe ich zu der verwaltungstechnischen Frage nichts anderes geschrieben und sehe daher auch in dem Urteil keinen Makel.
    Aber nur weil dem so ist, heißt das ja nicht, dass man regional genauso regieren sollte, wie auf Bundesebene als würde man die Bürger nicht kennen und könnte seine Entscheidungen einfach abstrahieren!! (spätestens bei der nächsten Wahl wird sich ja zeigen, wie abstrakt ein Bezirk ist)
    Natürlich hätte es durchaus Sinn gemacht die betreffenden Bürger bei dem Vorhaben mit einzubinden, denn die leben ja da schließlich real und sind mit der Gegend kulturell verwurzelt.
    Ist doch eigentlich logisch oder wie machen sie das in ihrer Familie, per Dekret und Schriftform?!

  12. 79.

    "Durch eine Straßenumbenennung wird doch keine "Geschichte getilgt"." Wenn die Starße diesen Name schon seit historischer Zeit hat - was hier wohl zutrifft - dann tilgen Sie schon einen bedeutenden Teil der Stadtgeschichte. Ihre Beispiele mit Politikern ("Hätte man eigentlich die Straßen und Plätze nach Hitler und Stalin auch beibehalten sollen mit Infotafel?") passen nicht zu dieser Straße und sie wählen auch nur sehr gezielt bestimmte Politiker aus in Ihren Beispielen - Leseempfehlung: https://www.berliner-zeitung.de/open-source/strassenumbenennungen-kolonialismus-preussentum-theodor-heuss-masurenallee-bluecher-li.124387

  13. 78.

    Es ist überhaupt nicht nachvollziehbar, dass dafür so VIEL STEUERGELD investiert wird.
    Die Straße heißt seit ewigen Zeiten so!!!

    Das ist typisch für Berlin:

    SCHULDEN OHNE ENDE
    MARODE SCHULGEBÄUDE
    KEINE LEHRER
    MANGELNDE SCHULBILDUNG
    USW.

    ABER FÜR DIE UMBENENNUNG IST GELD VORHANDEN

  14. 77.

    "Also Mohr ist ein rassistischer Ausdruck. " Ist das ihre persönliche Meinung oder können Sie belegen seit wann das und durch wen so gesehen wird?
    Lt: https://de.wikipedia.org/wiki/Mohr
    wird die Kiritk an 'Mohr' wohl erst seit 1960 geäußert und dafür zitiert wird:
    Susan Arndt und Antje Hornscheidt, 2004, S. 18ff. (Sprache und Gesellschaft. Koloniale Begriffe und ihre Wirkungsmacht in Geschichte und Gegenwart), S. 22 ff. (Rassistische Begriffe und gesellschaftliche Aufarbeitung, S. 168 ff., Stichwort Mohr/Mohrin)
    Das scheint eher eine 'neumodische' politische Strömung zu sein, diesen alten Begriff rassistisch zu besetzen.

  15. 76.

    "Wurden Landsberger Allee und Ostpreußendamm auch zu Ehren heimkehrender Nazi-Verbände benannt?!" Abwegeige Frage. Wurde die Mohrenstraße zu Ehren heimkehrender Naziverbände benannt?

  16. 75.

    Nein. Mohr kommt von „maurisch“ ( = arabisch) und sollte, quasi als Werbeargument, das Exotische herausstreichen. Die Mauren waren in Nordafrika, Spanien und Portugal beheimatet. Bis in die Neuzeit beeinflusste die arabische Medizin das Heilwesen; von daher auch die vielen „Mohren-Apotheken“.
    Die Benennung einer Strasse in „Mohrenstrasse“ ist nicht diskriminierend; diskriminierend sind nur jene, die sie umbenennen.

  17. 74.

    Die Berliner Zeitung schreibt zur gestrigen Verhandlung:
    "Der Vertreter des Bezirksamts erklärt, die Prinzipien der repräsentativen Demokratie seien alle eingehalten worden, gibt später aber zu, sich mit dem Widerspruch der Anwohner gar nicht auseinandergesetzt zu haben. Wegen Personalmangels. Er sagt: „Das in den Verwaltungsvorgang aufzunehmen, kann die Verwaltung nicht leisten, weil die Verwaltung zu knapp besetzt ist, deshalb haben wir uns in der Verwaltung auf das Wesentliche konzentriert.“ Sätze, die auch in einem Kafka-Roman stehen könnten" . Aber 237 Kostennoten à 148,27 € konnte man erstellen und damit leistungslos 35.139,99€ einkassieren. Sarkastisch könnte man davon ausgehen, dass die neuen Straßenschilder davon bezahlt werden. Was für eine Farce.

  18. 73.

    Das Geld reicht hinten und vorne nicht, aber für diesen Quatsch ist es da.

  19. 72.

    "Der Diskurs mit den Anwohnern hätte geführt werden müssen", sagte der Richter, in dieser Causa war eine Bürgerbeteiligung von vornherein nicht vorgesehen. Trotzdem legten 1.134 Menschen Widerspruch ein, diese reduzierten sich nach Androhung von Kosten bis über ca. 700 €, es blieben immerhin noch 237 Widersprüche über, die vom BA alle mit einem gleichlautenden Brief und einer Kostennote von 148,27 € belohnt wurden und damit war die Angelegenheit erledigt. Kein Bürger wurde in irgendeiner Weise mit eingebunden. Gestern war die Klageschrift von Herrn Aly Verhandlungsgegenstand, die anderen 6 Klagen wurden ruhig gestellt. Eine Berufung wurde nicht zugelassen, also kein OVG? Dagegen könnten die Kläger aber mit einem Antrag auf Zulassung vorgehen. Das BA geht in gewohnt grüner Manier über die Köpfe der Menschen hinweg. Das gesamte betroffene Wahlkreis hat übrigens im Februar CDU gewählt. Nur die Friedrichstr. wird es wohl nicht gewesen sein.

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