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Quelle: rbb|24/Mitya

Der Absacker

Es war einmal in Berlin

Anfang des 20. Jahrhunderts kämpften strenggläubige Christen in den USA gegen das "Teufelszeug" Alkohol. Nun wird auch in Berlin über ein Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen gesprochen. Geht das an der Realität vorbei, fragt sich Efthymis Angeloudis.

"Mir geht es dreckig", sagte ich am Sonntag einem Freund am Telefon. Wer weiß schon warum. Irgendeinen Grund werde ich wohl gehabt haben. Allerdings ist meine wiederkehrende Malaise weder neu noch wirklich erstaunlich (besonders nicht während Corona). Weitaus überraschender fand ich die Antwort dieses Freundes: "Ach, lass uns mal wieder betrinken." Bei meiner Alkoholtoleranz heißt das wohl mehr als die üblichen zwei Biere, die ich mit großer Überwindung in mich aufnehmen muss und "mal wieder" bedeutet, dass es seit meiner Studienzeit vor über zehn Jahren wieder mal Zeit ist, sich zu betrinken.

Doch etwas anderes machte mir zu schaffen. Zehntausende Jahre feilt der Mensch an diesem riesigen, formbaren Konstrukt namens Sprache. Entwickelt Kodexe, Nuancen, Schattierungen die Werte, Welten, Gefühle vermitteln können, damit zwei Männer an dem vermeintlich, bisherigen Zenit der menschlichen Entwicklung zueinander sagen können: "Mir geht’s dreckig" und "Lass trinken".

Dennoch erklärte ich mich bereit, die peinliche, jahrtausende alte Tradition der männlichen Verbundenheit durch Hilfsmittel wie Alkohol aufrecht zu erhalten und mich der Freundschaft zu Liebe ein wenig zur Sau machen zu lassen. Wenn das denn bald noch erlaubt ist.

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Steigende Corona-Neuinfektionen

Kalayci und Bezirke wollen Partygänger schärfer kontrollieren

1. Was vom Tag bleibt

Denn Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) hat angesichts der steigenden Corona-Infektionen besonders unter jungen Menschen in den Bezirken Neukölln, Friedrichshain-Kreuzberg und Mitte ein Alkoholverbot im öffentlichen Raum ins Gespräch gebracht.

Wie Kalayci ausführte, habe sie mit den drei Bezirken insbesondere über private Zusammenkünfte und das "Clubgeschehen" beraten. "Beides treibt die Infektionszahlen." Zwar sind coronabedingt noch immer viele Clubs geschlossen, einige dürfen aber bereits wieder Außenbereiche öffnen oder als Restaurants arbeiten. Das aber werde immer öfter ausgenutzt, um zu feiern, ohne auf Vorgaben wie Maskenpflicht oder Mindestabstand zu achten. Auch über die einschränkenden Maßnahmen anderer Städte für den öffentlichen Raum sei gesprochen worden. Am Freitag sollen die Beratungen dazu weitergehen, so die SPD-Politikerin.

Stattdessen könnten Heizpilze die herbstlichen und winterlichen Abende der Berlinerinnen und Berliner versüßen. Die Berliner FDP-Fraktion hat einen Antrag gestellt, der Gastwirten wegen der Corona-Situation das Betreiben von Gasheizstrahlern (Heizpilze) und Elektrowärmestrahlern kurzfristig für die kommende Herbst- und Wintersaison erlauben soll. Interesse für diesen Vorstoß bekunden jetzt auch die Grünen, die sich bislang vehement ablehnend zu den Gasheizstrahlern geäußert hatte. Deren Emission müsse aber "kompensiert werden", so die Grüne Umweltsenatorin Regine Günther. "Als mögliche Kompensation sehe ich einen autofreien Tag, verbunden mit dem Kauf von glaubwürdigen Zertifikaten", sagte sie dem rbb.

2. Abschalten

Bei der Nachrichtenlage müssen viele wohl nicht von ungefähr an die Zeit der Prohibition in den Vereinigten Staaten denken - das landesweite Verbot der Herstellung, des Transports und des Verkaufs von Alkohol in den USA von 1920 bis 1933. Obwohl Alkohol verboten war, breiteten sich die geheimen Lokale in denen Whiskey und Champagner in Strömen flossen(Speakeasy genannt, weil man darin flüstern musste) rasch aus.

Eine der unschönen Spätfolgen der Prohibition war die Etablierung des organisierten Verbrechens, das uns aber wiederum großartigen Stoff für Filme wie "Es war einmal in Amerika", "Last man Standing" und "The Untouchables – Die Unbestechlichen" lieferte. Treffen Sie ihre Wahl. Falsch können Sie nicht liegen.

Wer ich bin

Offensichtlich griechisch - oder außerirdisch. Da scheiden sich die Geister. Manchmal fühlt sich Efthymis Angeloudis (Aussprachehilfen gibt es nicht), als ob das Leben ihm einen üblen Streich gespielt hätte und er deswegen in Berlin gelandet sei. Manchmal geht er (mit Einhaltung der Abstandsregeln) nach dem Regen im Park spazieren und denkt sich, dass es hier gar nicht mal so schlecht ist.

3. Und, wie geht's?

Anders als die Gründe der Prohibition fußen die Corona-Maßnahmen auf äußerst bedenklichen Erkenntnissen über den Stand der Neuinfektionen.

So sieht das auch die Userin oder User SoIsses.

In München werden die Corona-Hygienemaßnahmen nun wieder härter und konsequenter, aber in Berlin nicht. Da wird wieder mal Zeit verschenkt und der Senat vertagt sich auf in 7 Tagen. Dabei sind die Zahlen von heute doch die Zahlen von vor 7 Tagen. Glaubt der Berliner Senat wirklich, dass die Fallzahlen von alleine wieder fallen werden, ohne wieder strengere Maßnahmen einzuführen so wie in München? Warum hält sich der Berliner Senat so zurück und geht nicht aktiv das Problem an und verschenkt nicht weitere 7 Tage und dann hilft nichts mehr das auflodernde Feuer wieder einzudämmen…

Was denken Sie über die besprochenen Maßnahmen? Schreiben Sie uns doch an absacker@rbb-online.de

4. Ein weites Feld

Ob der Genuss von Alkohol tatsächlich hinter dem Anstieg der Corona-Neuinfektionen steckt, kann man so genau aber noch nicht wissen. Schon Homer verglich jedoch Trunkenheit mit Wahnsinn und bezeichnete Wein als einen gefährlichen Genuss. So gelang es Odysseus den Zyklopen Polyphem erst auszutricksen und zu blenden, nachdem dieser sich mit starken Wein betrank.

Doch auch hier sollte man Vorsicht walten lassen: Homers Beschreibungen von Wein waren so vortrefflich und detailliert, dass ihn der Römische Dichter Horatius "Vinosus Homerus" nannte: Homer der Önologe oder Weinkenner. Selbst er hatte also einen sitzen und ich werde das dieses Wochenende mit Einhaltung der Abstandsregeln auch. So viel ist versprochen.

Lassen Sie sich nicht austricksen oder blenden,

Efthymis Angeloudis

 

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